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Ghana: Unser Elektroschrott in Afrika

 
Meldung vom 15.04.2015

Im Westen wird alles bequem entsorgt – der defekte Kühlschrank oder Computer wird auf die Straße gestellt und abgeholt. Was danach damit passiert, weiß kaum einer mehr. Wir kaufen einfach ein neues Gerät. Niemand denkt an die größte Müllhalde für Elektroschrott in Westafrika – sie befindet sich in Ghana.

Agbobloshie ist ein Stadtteil von Ghanas Hauptstadt Accra: Hier ragt die größte Müllhalde für Elektroschrott in Westafrika in die Höhe. Das riesige Gelände am Rand der schmierig verdreckten, stinkenden Lagune wird auch „Toxic City“ genannt, denn es ist einer der giftigsten Orte der Welt. Überall schwelen alte Elektrogeräte: Kühltruhen, Fernseher, Drucker, Computer.

Grellgrüne Flammen lodern meterhoch auf, dazu wird dicker, schwarzer Rauch freigesetzt. Schwefel bringt die Augen zum Tränen, das Atmen geht nur mühsam. Mein Kopf hämmert, die Haut juckt, die Zunge ist belegt mit einem metallischen Geschmack. Der verseuchte Boden ist heiß, nach kurzer Zeit lösen sich die Sohlen meiner Schuhe ab. Der Rauch ist so dunkel, dass die Sonne verdeckt wird, an einem ansonsten eigentlich blauen Himmel, die Luft wird zu dünn zum Atmen.

Die Halde ist übersät mit Kindern und Jugendlichen, die alles daran setzen, dem Schrott noch Nutzteile abzugewinnen. Sie schmelzen Kabel und Platinen, wollen durchdringen zu dem Metall, das darin verarbeitet ist: Kupfer, Aluminium, Blei.

Peter, elf Jahre alt, übergibt den Flammen eine Kühlschrankisolierung. Mit einem Stein zerbricht er alte Bildschirme. Manchmal schleppt er auch einen Lautsprecher-Magneten hinter sich her – daran bleiben immer ein paar Metallteile haften. Platinen, Schrauben, Kupferdrähte. Die kann er bei den Händlern veräußern, sagt Peter. Seine Stimme gibt preis, wie krank ihn seine Arbeit macht.

Was immer er verdient, händigt er seiner Mutter aus, damit sie die Kosten für seine Schulbücher und den Lehrer tragen kann. An guten Tagen wirft seine Arbeit zwei Cedi für den Metallschrott ab – nicht einmal ein Euro. Peter hebt seine Arme und Beine hoch, von Glas und scharfen Metallkanten zerschnitten, die Wunden sind rot geschwollen und entzündet. Er leidet unter Kopfschmerzen.

Wie giftig und krebserregend die Luft ist, die er jeden Tag einatmet, ist ihm nicht bewusst. Er hat nur erfahren, dass viele Menschen in „Toxic City“ deswegen keine Luft mehr bekommen, Blut spucken, gelblich gefärbte Augen haben.

Seit mehr als zehn Jahren wird die Müllhalde Agbobloshie betrieben. Um das Gelände herum hat sich eine ganze Stadt von Läden angesiedelt, in denen alte Elektrogeräte angeboten werden. 15 bis 20 Prozent davon sind vielleicht noch funktionstüchtig, sagt der Umweltaktivist Mike Anane. Um den Rest kümmern sich die Schrotthändler und die Kinder, die sogenannten „Scrap boys“ (Reste-Jungs).

„Der Lkw da, direkt vor uns, der ist vollbeladen mit Kühlschränken – alles Schrott, alles aus dem Westen. Dort will sie niemand mehr. Hier lädt man sie einfach ab. Das ist ein Skandal. Tonnenweise kommt das Zeug hier an. 500 Container-Ladungen aus den USA, Deutschland, Schweden, Finnland – von überall her. 500 Container – pro Monat!“

Und die Zahl der Lkws nähme immer mehr zu, sagt Anane. Auch deshalb, weil immer mehr Elektrogeräte eine viel kürzere Lebensdauer hätten. Viele Hersteller bauen die Geräte extra so, meint Anane, um schneller neue Geräte zu verkaufen. Welche Folgen diese Dynamik für Mensch und Umwelt habe, könne man sich in Agbobloshie vor Augen führen.

Das Baseler Übereinkommen, dem sich auch Deutschland angeschlossen hat, untersagt den Export von technischem Schrott aus Europa. Doch Recycling nach EU-Standards kostet viel Geld, das Geschäft mit Second-Hand-Ware aus der „Ersten Welt“ in Afrika dagegen ist profitabel. Ob die Geräte, die nach Afrika ausgeführt werden, auch tatsächlich noch betriebsfähig sind, spielt für rücksichtslose Händler keine Rolle.

In den Häfen in Europa würden die Geräte eben kaum einer Prüfung unterzogen, sagt Anane. Außerdem warten am Hafen von Accra korrupte Zollbeamte auf ein gutes Trinkgeld, um dann den Schrott durchzuwinken. Anane unterstreicht: „Jeder weiß, dass E-Waste illegal hierher gebracht wird. Und jeder weiß, dass Ghana keine Möglichkeiten hat, diesen Müll entsprechend zu entsorgen oder zu recyclen. Es ist eine moralische Frage, ob man den Schrott dann trotzdem hierher bringt. Wenn Europa diesen Giftmüll nicht will, ist das eine Sache, aber dann sollte Ghana ihn nicht abbekommen.“

Kurz vor Sonnenuntergang pralle ich noch auf die Ruine eines alten Kopierers. Ein Stempel gibt Aufschluss: Er stand bei einer Firma aus Köln. Auf einem Aufkleber an der Seite ist noch entzifferbar: “Dieses Kopiergerät ist für den Gebrauch von recyclebarem Papier geeignet.“


Video-Beiträge zu diesem Thema

 Ghana: Die digitale Müllhalde (In Englisch)




Quelle: „Bayrischer Rundfunk“, www.br.de

Schlagwörter: Ghana, Müll, Schrott, Elektroschrott, Europa, Müllhalde, Toxic City, Accra, Agbobloshie, Kinder, Müllsammler, Recycling, Wiederverwertung, Metall, Vergiftung, Krebs, Atmen, Umwelt, Umweltverschmutzung, Gesundheit, Basler Übereinkommen, Export, Geräte, Computer, Schrotthändler