Mexiko: Gesetzloses Töten – Soldaten dürfen Drogenkriminelle erschießen

Meldung vom 07.07.2015

Tötungsbefehl im gesetzlichen Graubereich: Mexikanische Soldaten haben die dienstliche Anweisung erhalten, Kriminelle zu erschießen. Die Menschenrechts-Organisation Centro Prodh verlangt eine Prüfung der Vorwürfe gegen ranghohe Offiziere. Heikel und gesetzlich umstritten sind insbesondere mutmaßliche außergerichtliche Hinrichtungen von mehreren Verdächtigen in einem Lagerhaus in Tlatlaya im Juni 2014.

Prodh-Chef Mario Patrón Sánchez bewertete am Donnerstag (02.07.2015) vor den Medien den Befehl als eine „völlig illegitime und illegale Order“. Es müsse eine Untersuchung der Entscheidungsträger und der Befehlskette eingeleitet werden.

Prodh führte unter anderem eine Anweisung an, die neben 36 weiteren am 11. Juni 2014 wenige Tage vor den Erschießungen erteilt worden sei: Darin wurde den Soldaten aufgetragen, „während der Nacht in massiver Form zu operieren und am Tag die Einsätze zu verringern, um Kriminelle im Dunkeln niederzuschießen, da die meisten Verbrechen zu dieser Zeit begangen werden“.

Die Menschenrechtler machten darauf aufmerksam, dass in dem Einsatzbefehl mit dem Wort „abatir“ bewusst eine Formulierung gewählt wurde, die eine sprachliche Verharmlosung des Wortes „matar“ für „töten“ sei. Dieselbe Order für die Soldaten des Stützpunktes 22-D bei Tlatlaya sieht zugleich vor, dass die „Einsätze in strenger Achtung der Menschenrechte“ durchzuführen sind.

Nur 19 Tage nach dem Erlass des Befehls habe die Armee bekannt gegeben, dass bei einem Schussgefecht in einem Lager bei Tlataya im Bundesstaat México 22 mutmaßliche Bandenmitglieder ums Leben kamen; auf Seiten der Soldaten sei lediglich ein Verletzter zu beklagen gewesen. Allein dieses Verhältnis der Opferzahlen zieht nach Ansicht der Menschenrechtler Zweifel nach sich.

Eine Überlebende bezeugte später während der Prodh-Medienkonferenz, die Soldaten hätten mehrere der Festgenommenen erschossen, obwohl diese sich bereits ergeben hätten. Unter den Opfern befand sich auch ein 15-jähriges Mädchen. Die General-Staatsanwaltschaft bezichtigte in dem Fall drei Soldaten des Mordes an acht Menschen. Vier weiteren, darunter ein Offizier, wurden Dienstpflichtverletzungen nachgesagt.

Nach Angaben der nationalen Menschenrechtskommission wurden bei dem Vorfall in Tlatlaya sogar bis zu 15 Menschen ohne gesetzliche Grundlage exekutiert. Seit dem Beginn der Offensive gegen den Drogenhandel unter dem früheren Staatschef Felipe Calderón im Jahr 2006 starben 100.000 Menschen oder gelten als vermisst.


Quelle: „Blick“, www.blick.ch