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Uganda: David gegen Goliath – Wo ein Journalist staatliche Behörden verklagt

Meldung vom 14.08.2015

Der Journalist Edward Sekyewa enthüllt Korruption, Vetternwirtschaft und Missstände in Uganda. Er macht auch nicht davor Halt, staatliche Behörden bloßzustellen. Er hat schon Dutzende davon verklagt.

Als Edward Sekyewa ins Gerichtsgebäude hereinkommt, muss er viele Hände schütteln. Der ugandische Journalist hält sich täglich viele Stunden in dem alten Kolonialgebäude mitten im Herzen der Hauptstadt Kampala auf. Ob Staatsanwälte, Richter, Verteidiger, oder Gerichtshilfen – sie alle sind mittlerweile vertraut mit dem 39-Jährigen mit der Brille und dem stetigen Lachen. Denn was Journalist Sekyewa hier jeden Tag vollbringt, das hat ihm mittlerweile in Kampala jenseits der Juristenzirkel einen großen Bekanntheitsgrad verschafft.

Sekyewa traut sich, wofür in Uganda bisher noch keiner den Mut hatte: Er zieht eine staatliche Behörde nach der anderen vor Gericht, um sie dazu zu zwingen, ihre Daten offen darzulegen. Es handelt sich um Zahlen und Informationen, die die Behörden gerne vor der Öffentlichkeit verborgen hätten. Er will herausfinden, in welche Kanäle Steuer- und Hilfsgelder versickern. Er will die enorme Korruption innerhalb des Staatsapparats schonungslos anprangern. Eine Mission mit hohem Risiko.

Es herrscht das übliche Gewühl in dem alten Gerichtsgebäude im Stadtteil Mengo in Kampala. Sekyewa drängelt sich durch die Menschentraube vor zum schwarzen Brett, wo die Termine angepinnt sind. Doch da findet er nur die Aushänge vom vergangenen Tag. „Das ist mal wieder typisch – das totale Chaos hier“, ärgert sich der Ugander auf Deutsch. Er hat 16 Jahre in Berlin verbracht, an der Freien Universität Journalistik studiert, nachts in einem Jugendhostel am Alexanderplatz Geld verdient. 2008 war seine Aufenthaltserlaubnis nicht verlängert worden, und er kehrte nach Uganda zurück. Dass er in seiner Heimat den Staat verklagen würde – das hätte er sich bei seiner Ankunft nicht erträumen können.

Jetzt ist es so weit: „Der Fall Edward Sekyewa gegen die Nationale Forstbehörde in Gerichtssaal 3, bitte“, meldet die Gerichtsprotokollantin. Sekyewa schnellt hoch. „Das sind wir“, sagt er und erkennt einen seiner Anwälte in der Menschenmenge. Noch bevor er diesen grüßen kann, wird erneut sein Name aufgerufen: „Der Fall Sekyewa gegen die staatliche Universität, auch in Saal 3“. Der Journalist wundert sich ein wenig: „Ach, dass der Fall heute auch ansteht, das hatte ich schon fast vergessen“, meint er und lacht.

Sekyewa lässt sich die innere Freude nicht nehmen. Man merkt ihm an, dass seine Aufgabe seine Passion ist. Bei knapp 60 Fällen, die Sekyewa derzeit am Laufen hat, kann man schon mal einen vergessen.

Uganda rangiert auf dem Korruptionsindex der Organisation Transparency International derzeit auf Platz 142 von 175 – und steigt jährlich stetig weitere Stufen nach unten ab. Als Sekyewa 2008 nach Uganda zurückkehrte, wurden gerade die ersten Ölbohrungen im Westen des Landes durchgeführt. An internationale Konzerne wurden Lizenzen vergeben. Gerüchte gingen durch die Medien: Die Elite der Regierung hätte heimlich genau die Ländereien gekauft, wofür die Konzerne Entschädigungen bezahlen sollten. Korruption in klassischer Manier.

Doch Sekyewa war auch betroffen über das Ausmaß der Korruption innerhalb der Behörden. „Es ist scheinbar normal, dass ich jemanden bestechen muss, wenn ich ein Nummernschild für mein Auto will oder eine Baugenehmigung für mein Haus“, sagt er und schüttelt ungläubig den Kopf. Noch viel schlimmer fand er, dass „die Bürger das einfach hinnehmen und sich mitschuldig machen. Dagegen wollte ich etwas unternehmen.“

Sekyewa rief mit Kollegen ein unabhängiges Monatsmagazin, den Kampala Dispatch, ins Leben, der Korruptionsfälle zum Thema hatte. Geprägt durch sein Berliner Studium, ging er den Skandalen nach und fing an zu recherchieren. Ugandas relativ freie Medienlandschaft erlaubte zwar ein gewisses Maß an investigativem Journalismus, doch um die Betrugsfälle aufzudecken, fehlten handfeste Beweise. Sekyewa wurde unbequem und überschüttete das Katasteramt, die Umweltbehörde, das Straßenbauamt mit Anfragen – doch nie bekam er genau diese Informationen, nach denen er suchte. Sie umgingen die Anfragen absichtlich. „Es kam mir so vor, als wollte keiner schlafende Hunde wecken“, meint Sekyewa.

Ugandas Verfassung gesteht jedem Bürger das Recht zu, Informationen von Behörden und staatlichen Organen einzufordern, solange diese nicht die Sicherheit des Staates oder die einer anderen Person in Gefahr bringen. Dieses Gesetz war 2006 in Kraft getreten – doch wird es nach Sekyewas Erfahrung nur selten umgesetzt. Als Journalist hatte er dieses Gesetz immer wieder in Anspruch genommen.

Anfang 2014 hat er zum ersten Mal eine Klage erhoben: Er wollte herausbekommen, wer die Grundstücke erstanden hatte, auf denen Ölbohrtürme errichtet wurden. Damals pochte er auf ein Gesetz von 2002, das alle Staatsangestellten verpflichtet, ihr Vermögen und das ihrer Angehörigen transparent zu machen. Doch seine Anfragen beim Generalinspektor verliefen deswegen im Sande, weil die vorgesehenen Formulare, womit sich die Auskünfte einholen lassen sollen, nie gedruckt worden waren. Daraufhin hatte er den Generalinspektor vor Gericht gezogen. „Das Verfahren ist eingefroren, sie wollen mich frustrieren, damit ich aufgebe“, erklärt Sekyewa. Der Journalist hat das Prinzip durchschaut: Das ist Teil der Strategie. Und deswegen bleibt er hartnäckig am Fall dran.

Dank internationalen Geldern beschäftigt Sekyewa fünf Anwälte, die rund um die Uhr und quer durchs Land Klagen einreichen, wenn die Ämter die Herausgabe von Informationen verweigern. Über 40 Klagen hat er in verschiedenen Bezirken eingereicht, weitere 19 in der Hauptstadt gegen verschiedene Regierungsinstitutionen.

Seit Beginn des Jahres 2015 hat er vier Verfahren gegen die Forstbehörde begonnen, nachdem seinem Auskunftsantrag nicht wie gesetzlich vorgesehen innerhalb von drei Wochen nachgekommen war. Er konnte zwei der vier Fälle im Handumdrehen für sich entscheiden. Die Forstbehörde musste die Gerichtskosten zahlen. „Noch am selben Tag, an dem wir den zweiten Fall gewonnen haben, bestellte mich der Direktor der Forstbehörde in sein Büro“, schildert Sekyewa. „Er guckte mich an und fragte, ob ich ihn verarschen will.“ Dem Direktor blieb kein anderer Ausweg: Er musste die Unterlagen aushändigen, wohl wissend, dass damit sein Job ins Wanken geriet.

Die Kopien, die Sekyewa in seinen Besitz brachte, lieferten Beweise: Die Forstbehörde hatte mehr als 3 Millionen Dollar Hilfsgelder von der Weltbank eingestrichen, um vorbeugende Maßnahmen gegen Waldbrände zu ergreifen. Doch anstatt Löschfahrzeuge zu finanzieren, hatte die Forstbehörde 300 Wassereimer und 1.400 Schaufeln gekauft. Immerhin, auch 80 Schutzanzüge für Feuerwehrleute wurden angeschafft, doch keiner der Anzüge erreichte je sein Ziel bei den Außenstellen.

Auch die 40 Wasserpumpen erscheinen wohl laut interner Buchhaltung nur auf den Listen. Und von den 1.400 Schaufeln bleiben schließlich nur noch 592 übrig, die verwendet wurden, dafür hatte sich die Zahl der verteilten Eimer auf rätselhafte Art mehr als verdoppelt. „Ich habe den Chef der Forstbehörde zur Rede gestellt, und dieser gab sich verwundert, er hatte angeblich keine Ahnung, was von dem Geld erstanden wurde“, so Sekyewa.




Quelle: Gebende Hände-Redaktion; nach einer Information von: „Die Tageszeitung“, taz.de

Schlagwörter: Uganda, Korruption, Vetternwirtschaft, Behörden, Gericht, Klage, Presse, Medien, investigativer Journalismus, Enthüllungsjournalismus, Edward Sekyewa, Verfahren, Bestechung, Aufträge, Öffentlichkeit, Gesetz, Kampala