Haiti: Haitianer zu Sklavenarbeit gezwungen

Meldung vom 03.09.2015

Haitianer verrichten im Nachbarstaat Dominikanische Republik Sklavendienste. Beide Staaten befinden sich auf der Karibikinsel Hispaniola. Dennoch besteht eine große Kluft zwischen ihnen. Während an den Stränden der „DomRep“, wie die Urlauber sie bezeichnen, der Tourismus gedeiht, greift in Haiti die Armut um sich. Um einen Arbeitsplatz zu finden, überqueren viele Haitianer die Grenze in den spanischsprachigen Nachbarstaat. Dort wird ihnen aber keine Sympathie entgegengebracht.

Haiti ist das ärmste Land der westlichen Welt und zählt zu den am wenigsten entwickelten Ländern. Immer noch sind überall die Folgen des Erdbebens 2010 zu spüren. Zehntausende Menschen leben immer noch nicht in richtigen Häusern, sondern hausen in Zeltstädten oder in Elendsvierteln mit Wellblechhütten.

Die meisten Haitianer sind arbeitslos oder verrichten Gelegenheitsjobs. Jeder zweite muss mit weniger als einem US-Dollar am Tag auskommen. Kein Wunder also, dass viele eine bessere Zukunft im Nachbarland suchen und in die wirtschaftlich deutlich besser dastehende Dominikanische Republik auswandern. Dort nehmen sie Jobs in der florierenden Tourismusbranche an, vor allem aber verdingen sie sich in der Landwirtschaft. Dort müssen sie sich aber Bedingungen wie in der Sklaverei gefallen lassen, weiß der Historiker und Haiti-Experte Christophe Wargny.

„Heute arbeiten zehntausende Haitianer als Erntehelfer auf den Zuckerrohrplantagen. In einem Rahmen, der der Sklavenarbeit sehr nahekommt. Die Arbeiter haben keine Papiere, bekommen Gutscheine, die sie in Lebensmittelgeschäften einlösen können. Also ist das System der Sklavenarbeit sehr nahe. Seit einigen Jahren verschlimmert sich die Situation weiter. Die haitianische Regierung reagiert darauf nur sehr wenig,” sagt Wargny.

Während rund 95 Prozent der Haitianer farbig sind, beläuft sich der Anteil der schwarzen Bevölkerung in der Dominikanischen Republik auf rund 12 Prozent. Christophe Wargny, der gemeinsam mit Haitis Ex-Präsidenten Aristide Jean-Bertrand ein Buch über die Probleme des Landes verfasste, erklärt, dass die Menschen im Nachbarland sehr rassistische Einstellungen gegen die haitianischen Einwanderer hegen:

„Vielleicht braucht das Land in Zeiten der Krise einen Sündenbock. Es ist sicher so, dass Haiti diese Rolle spielt. Jedes Mal, wenn die Dominikanische Republik Schwierigkeiten hat, macht sie die Haitianer dafür verantwortlich, etwa, dass sie den anderen die Arbeit wegnehmen. Es stimmt, dass die Haitianer in der Landwirtschaft im Zuckerrohranbau eine große Rolle spielen, sowie im Baugewerbe und der Infrastruktur in der Dominikanischen Republik.“

Auch in der Dominikanischen Republik herrschen keineswegs paradiesische Bedingungen, dort ist die Armutsquote mit 40 Prozent höher als in anderen Ländern der Region. Dennoch erhebt man sich über das Nachbarland Haiti mit seinen sozialen Problemen. Die Ursachen für die grundlegenden Unterschiede zwischen beiden Ländern sind in der Kolonialgeschichte zu finden. Sowohl Haiti als auch die Dominikanische Republik standen unter spanischer Kolonialherrschaft.

Doch als Frankreich Ende des 17. Jahrhunderts die Herrschaft über Haiti antrat, läutete sich der Niedergang des Staates ein. Massiv wurden Wälder abgeholzt, um Häuser und Schiffe bauen zu können. Durch die rücksichtslose Reduzierung der Vegetation fehlten die natürlichen Schutzwälle gegen Naturkatastrophen. Das ist der Grund für zahlreiche Überschwemmungen oder Schlammlawinen in Folge von Erdbeben. Zwar zeigte die Dominikanische Republik nach dem Erdbeben 2010 viel Mitgefühl mit Haiti – es war das erste Land, das nach der Naturkatastrophe Hilfsgüter und Medikamente lieferte. Doch auf politischer Ebene können die Exil-Haitianer sich weder auf die eigene Heimat verlassen noch auf die Unterstützung der Dominikanischen Republik:

„Internationale Organisationen versuchen zwar, darauf aufmerksam zu machen. Aber mit wenig Erfolg. Auch bei den haitianischen Wahlen war das kein großes Thema. Die Haitianer in der Diaspora sind auf sich alleine gestellt, in New York oder Montreal haben sie weniger Probleme. Aber in der Dominikanischen Republik gibt es eine starke Verschlechterung der Situation und die Einwanderer sind isoliert.“


Quelle: Gebende Hände-Redaktion; nach einer Information von: „Radio Vatikan“, radiovatikana.org