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Indien: Für immer entstellt – Säureangriffe auf Frauen nehmen zu

Meldung vom 11.11.2015

In Indien werden immer mehr Frauen Opfer von Säureangriffen. Die Attentate nehmen trotz hoher Strafandrohung zu. Die Täter gehen kaltblütig vor und zielen genau auf Gesicht und Augen. Die gefährlichen Chemikalien sind überall erhältlich und zudem billig.

Die Männer lauerten der 30-jährigen Ärztin am Morgen auf, als sie sich auf den Weg zur Arbeit machte. Während der eine das Motorrad fuhr, fixierte der andere ihren Kopf und schleuderte ihr die Säure ins Gesicht. Mit einem Säureangriff kann der Täter sicherstellen, dass sich niemals wieder ein Mann für die Frau interessieren wird. Die ätzende Chemikalie entstellte ihr halbes Gesicht und ließ ihr rechtes Auge erblinden. Vergeblich schrie die junge Frau um Hilfe, doch Passanten rannten einfach an ihr vorbei – und das mitten in Indiens Hauptstadt Delhi. Ein Kollege hatte die beiden Jugendlichen für diesen Job bezahlt, weil die Ärztin ihm eine Abfuhr erteilt hatte.

Die Ärztin teilt dieses Schicksal mit vielen anderen Frauen. Während im benachbarten Bangladesch die Zahl der Säureattacken im vergangenen Jahrzehnt eingedämmt werden konnte, schnellte die Zahl dieser Art Gewaltverbrechen in Indien zuletzt rasant in die Höhe. Die Täter verwenden meist Schwefel- oder Salpetersäure, manchmal auch Salzsäure.

Nur wenige Rupien muss man auf den Tisch legen, um das Gesicht eines Menschen zu zerstören. Die Chemikalien sind etwa in Moped- oder Juwelierläden frei zugänglich. Es gibt keine Kontrollen. Eine Flasche von 750 Millilitern ist für umgerechnet nicht einmal 70 Cent erhältlich.

In Asien ist diese Art von Gewalttaten am meisten verbreitet. Erstmals wurde 1967 in Bangladesch eine Säureattacke registriert, 1982 schließlich auch in Indien. Ziel sind meist Frauen, seltener Männer. Die Motive sind immer die gleichen: Oft sind es abgewiesene Verehrer, die grausam Vergeltung üben, indem sie die Frau so entstellen, dass ihnen jede Grundlage für ein normales Leben genommen ist. Andere Beweggründe sind häusliche Gewalt, Eifersucht, aber auch Konflikte um Mitgift oder Landbesitz.

Die Opfer sind für immer stigmatisiert. Laut Selbsthilfeorganisationen attackieren die Täter fast immer Gesicht und Augen. Die Opfer müssen nicht nur mit schmerzhaften Vernarbungen weiterleben, sie werden zudem auch noch sozial gebrandmarkt und ausgegrenzt. Viele wagen es kaum noch, das Haus zu verlassen, weil sie verhöhnt und beschimpft werden. „Säuregewalttaten sind ein entsetzliches Verbrechen. Es gibt keinen Weg zurück mehr für die Opfer“, meint die frühere Richterin Leila Seth.

Bangladesch ist inzwischen tätig geworden. Das Land hat bewiesen, dass sich Säureattacken zumindest reduzieren lassen. Zwischen 1999 und 2013 kamen in dem Land offiziell 3.512 Säureangriffe vor, das Jahr 2002 war dabei der traurige Höhepunkt mit fast 500 Opfern. Die Regierung unternahm nicht nur eine Aufklärungskampagne, sie erhöhte auch das Strafmaß und kontrollierte den Handel mit Säure: Seitdem müssen die Attentäter mit der Höchststrafe, also dem Tod, rechnen. Und Händler können die Chemikalien nur noch mit einer speziellen Lizenz verkaufen. Die Maßnahmen waren erfolgreich: Die Zahl der Angriffe mit den ätzenden Chemikalien gingen zurück – auf zuletzt 69 im Jahr 2013.

In Indien sind derlei Attacken hingegen weiterhin auf dem Vormarsch. Auch Delhi gab 2013 neue Gesetze heraus – seitdem müssen Täter mit mindestens zehn Jahren Haft rechnen, in besonders schlimmen Fällen sogar lebenslänglich. Doch dies bewirkte keine Einsicht: 2014 kam es laut Innenministerium zu 310 Säureattacken, davon allein 27 im Stadtstaat Delhi und 186 im Bundesstaat Uttar Pradesh, dessen Bewohner für ihre Gewalttaten bekannt sind. Es hapert allerdings mit der Umsetzung von Indiens Gesetzen. Aktivisten melden, dass Säure immer noch leicht und billig aufzutreiben ist. Selbst in der Hauptstadt Delhi lassen sich die gefährlichen Chemikalien weiter ohne Papiere oder lästige Fragen in vielen kleinen Läden erwerben.

Die Zentralregierung kündigt daher an, den Handel mit Säure nun online erfassen zu wollen, um das Geschäft besser überblicken zu können. Die Regierung gibt den Opfern 300.000 Rupien Schmerzensgeld, umgerechnet 4.200 Euro, und sorgt für kostenfreie medizinische Behandlung. Innenminister Rajnath Singh appellierte zudem an die Bundesstaaten, gegen Täter schärfer vorzugehen. Viele Täter kommen gar nicht erst vor Gericht, die lasche Handhabung dieser Fälle hat somit keine abschreckende Wirkung.




Quelle: Gebende Hände-Redaktion; nach einer Information von: „Der Standard“, derStandard.at

Schlagwörter: Indien, Säureangriffe, Frauen, entstellt, Gesicht, Rache, Männer, Frauenrechte, Strafen, Haftstrafe, lebenslänglich, Todesstrafe, Justiz, Neu Delhi, Stigma, Gesellschaft, Attentat, Chemikalien, Bangladesch