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Kenia: Kleinbauern klagen – EU fordert Gemüse wie gemalt

Meldung vom 21.01.2016

Die grünen Bohnen, die für den EU-Markt bestimmt sind, müssen kerzengerade sein. Ein Anspruch, der von Kenias Kleinbauern kaum zu erfüllen ist. Das Gemüse für den Import muss aussehen wie gemalt. Und überhaupt sind die bürokratischen Grundsätze für den Handel mit der EU kompliziert. Kenias Kleinbauern bitten dringend um mehr Unterstützung, damit sie den Anforderungen für den Handel mit Europa gerecht werden können.

Jecinta Ngina betreibt Landwirtschaft für den Export nach Europa – das erzielt mehr Profit als Obst und Gemüse für den kenianischen Markt. Aber der höhere Umsatz hat seine Tücken. Farmer, die in die EU ausführen wollen, müssen strenge Zielvorgaben beachten.

„Die drehen sich in erster Linie um gute Anbaumethoden, Lebensmittelsicherheit, Umweltschutz und soziale Standards. Die Farmer müssen beweisen, dass sie nachhaltig produzieren“, sagt Francis Wario vom Verband der Frischwarenexporteure Kenias. Das beginnt schon beim Saatgut. Jecinta Ngina zerteilt eine übrig gebliebene Bohne auf einem abgeernteten Feld: „Sehen Sie, die hat schon Samen gebildet. Die wird automatisch aussortiert. Wenn man die erntet, kann man nichts mit ihr anfangen.“

Die Samenkörner eignen sich auch nicht für die Aufzucht neuer Pflanzen – für Exportbohnen sind die Farmer gezwungen, nur spezielles Saatgut zu nutzen. Und das müssen sie jedes Mal neu einkaufen – etwa alle zwei Monate. Francis Wario erklärt: „Es ist teuer, diese Standards einzuhalten. Und manchmal haben die Farmer nicht das nötige Kapital, um alle Voraussetzungen zu erfüllen. Das ist immer ein Problem.“

Das betrifft besonders den Einsatz von Pestiziden. Jecinta Ngina hat eigens Trainingskurse des Exporteurverbandes absolviert, um die anspruchsvollen Standards für den ausländischen Gemüsemarkt zu lernen. Aber selbst das ist noch unzureichend: „Die Unternehmen, an die wir verkaufen, geben uns eine Liste mit zugelassenen Chemikalien. Die wird ständig überarbeitet. Und wir werden informiert, was wir benutzen können und was nicht.“

Jecinta Ngina muss genau Buch führen, welche Chemikalien er einsetzt, wann und aus welchem Grund und das bei den regelmäßigen Kontrollen auch nachweisen. Außerdem werden ihre Bohnen strengen Labortest unterzogen – man prüft sie auf Chemikalien-Rückstände und auf Ungezieferbefall.

Motten, Raupen und anderes Ungeziefer können den Handel aber auch ganz schnell beeinträchtigen, wenn man die Vorsichtsmaßnahmen zu hoch ansetzt. Afrikanische Schädlinge können im kalten Norden der EU kaum überleben, im warmen Sizilien dagegen schon. „Sobald eine Ware in der EU ankommt, kann sie überall verkauft werden. Einigen Ländern, in denen unsere Schädlinge nicht überleben können, ist das egal, sie wollen unsere Produkte haben. Aber die anderen sagen, dass wir sie gefährden. Die EU muss einen Mittelweg finden. Und das macht die Vorschriften für uns strenger. Vorher konnten wir frei in diese Länder exportieren.“

Die EU muss Vorschriften als wissenschaftlich begründet darlegen – die WTO (Welthandelsorganisation) agiert als Vermittler bei Konflikten. Viele afrikanische Länder kritisieren, dass ihre reichen Handelspartner die Schutzvorschriften mit Absicht so hoch ansetzen, um unüberwindbare Hürden für die afrikanische Konkurrenz zu schaffen und sie somit von ihren Märkten fernzuhalten.

Dass die EU nur Gemüse nimmt, das wie gemalt aussehen muss, ist für die Farmer ebenfalls schwer umsetzbar, sagt Francis Wario: „Diese Standards machen den Marktzugang problematisch. In die EU kann man zum Beispiel nur eine Bohne verkaufen, die kerzengerade ist. Die bekommt man aber nur, wenn nie ein Insekt daran gefressen hat, nicht mal, wenn sie noch ganz klein war. Sonst wächst sie krumm. Das erhöht das Risiko, dass zu viel gespritzt wird.“ Dann weisen die Bohnen Rückstände auf, und sie müssen vernichtet werden. Wird zu wenig gespritzt, kann man sie ebenfalls nicht zum Verkauf anbieten. Den Schaden tragen in beiden Fällen die Farmer.

Jecinta Ngina marschiert über eins ihrer Felder und begutachtet die Bohnen an den kniehohen Pflanzen. Sie sind grün, saftig und kerzengerade, entsprechen also genau dem europäischen Ideal. Die werden gerade eingefahren, sie sind reif, meint sie. Hinter ihr macht sich gutes halbes Dutzend Arbeiterinnen an den Pflanzen zu schaffen und pflückt. Jetzt, im Winter, wenn in Europa alles brach liegt, ist die beste Zeit für den Export. Aber der Gewinn kommt nicht den Bauern zugute, sondern den Exportfirmen, beschwert sich die Farmerin: „Sie kommen mit einem fertigen Vertrag und fertigen Preisen und du unterschreibst oder lässt es. Das ist sehr hart und ich finde sehr unfair, wenn die Preise steigen. Man hat einfach nichts davon. Der Preis ist vielleicht auf 60 Shilling pro Kilo festgelegt. Dann steigt er auf 150 oder 200 Schilling, also auf das Dreifache. Aber du hast ja einen Vertrag unterschrieben. Das war’s.“

Jecinta Ngina gehört noch zu den besser gestellten Landwirten: Mit sechs Hektar Land reiht sie sich unter die Großen unter den Kleinbauern ein. Ihre Erträge decken die Kosten für Saatgut und Pestizide, für Zertifikate und Untersuchungen und was die Regeln sonst noch so verlangen. Esther Kimani verteidigt die Standards aber auch für Kenia: „Weil sie unserem Land geholfen haben, am Welthandel teilzunehmen. Kenia exportiert eine Menge Agrarprodukte, weil wir die nötige Infrastruktur aufgebaut haben, um die Regeln einzuhalten. Anders als viele andere Länder.“

Die meisten anderen Länder verlangen von der Welthandelsorganisation seit Jahren, dass die Standards so angepasst werden, dass ihre Farmer, Milchbauern und Fischer wenigstens eine Chance haben, ihnen zu entsprechen. Notfalls sollen die reichen Industriestaaten Unterstützung leisten. Francis Wario meint: „Wir wollen nicht, dass die Anforderungen gesenkt werden, weil auch wir die Lebensmittelsicherheit nicht untergraben sehen wollen. Aber wir wünschen uns, dass die EU mehr in Technologien und Infrastruktur investiert, damit unsere Produzenten die Anforderungen erfüllen können.“




Quelle: Gebende Hände-Redaktion; nach einer Information von: „Deutschlandradio“, dradio.de

Schlagwörter: Kenia, Landwirtschaft, Export, EU, Gemüse, Bauern, Farmer, Standards, Chemikalien, Pestizide, Ungeziefer, Marktzugang, Kleinbauern, Anbau, Saat, Ernte, Saatgut, Europa, Handel