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Äthiopien: Die große Dürre als Tabu

 
Meldung vom 01.02.2016

Schon 400.000 Kinder in Äthiopien leiden Hunger. Der Osten Äthiopiens ringt mit der größten Dürrekatastrophe seit 40 Jahren. Doch die Regierung reagiert nur verhalten auf die große Not. Sie erbittet nur zögerlich internationale Hilfe. Denn das Image als „Tigerstaat“ Afrikas könnte dadurch beschädigt werden.

Die Viehpreise dienten der Regierung als deutliches Barometer, dass sich eine Krise anbahnt. Sie fielen seit April 2015 im Osten Äthiopiens um die Hälfte. Sobald Ernte und Regen auf sich warten lassen, setzen die Bauern alles daran, ihre Rinder und Schafe zu veräußern, bevor sie verdursten. Der Fleischmarkt wird übersättigt, die Nachfrage sinkt, entsprechend verringern sich die Preise. Das Warnsystem ist ein eindeutiger Indikator und soll dabei helfen, dass einer Hungersnot wie die der Jahre 1984 und 1985 mit Hunderttausenden Toten vorgebeugt werden kann.

Mohammed Sheko ist Angst und Bange, wenn er seinen Hof in der besonders stark betroffenen Mekala-Region begutachtet. Ihm ist nur noch ein Rind geblieben, vor ein paar Monaten waren es noch 13. Von 30 Schafen besitzt er nur noch fünf. „So schlimm wie im Moment war es seit Jahrzehnten nicht“, klagt der Kleinbauer, „ich habe Angst um das Leben meiner Familie.“ Traurig zieht der Muslim einen schrumpeligen Mais-Halm aus seinem vertrockneten Feld und hält ihn anklagend in die Höhe. Zehn Kinder und zwei Ehefrauen sind von seiner Hände Arbeit abhängig.

Ohne die Notrationen der Regierung und von Hilfsorganisationen wäre der Überlebenskampf für ihn vielleicht schon beendet. Es gab seit Mitte Juli keinen Regen und in der Folge keine Ernte. In anderen Gegenden rissen heftige Regenfälle zu den falschen Jahreszeiten die Saat aus den Feldern. Die Hilfe muss deutlich intensiviert werden. Äthiopien aber verharmlost die Dürre seit Monaten, um sein Image als „Tigerstaat“ Afrikas nicht aufgeben zu müssen. Ende vergangenen Jahres sprach es lediglich von 8 Millionen Hilfsbedürftigen, als die Vereinten Nationen bereits 15 Millionen Notleidende bezifferte.

Selten waren so viele Länder in Afrika im aktuellen Ausmaß von El Niño gleichzeitig heimgesucht worden. So nennt sich ein Klimaphänomen, bei dem es zu langem Ausbleiben von Regen und großer Hitze kommt. Betroffen sind über ein Dutzend Länder. In manchen Regionen fiel mehrere Monate lang kein einziger Regentropfen. Eine Trockenperiode dieser Größenordnung kann auch das beste Krisenmanagement nicht vollends in den Griff bekommen.

Tatsächlich scheinen die meisten Regierungen unter anderem in Form von Risikoversicherungen deutlich besser vorgesorgt zu haben als bei vorangegangen derartigen Naturkatastrophen. Immerhin ist es bislang noch nicht zu einem Massensterben wie noch bei der Dürre im Jahr 2011 gekommen.

In Äthiopien ist es hinderlich, dass die Verkehrswege zum Nachbarland Dschibuti nicht ausreichend erschlossen sind. Das Land verfügt selbst nicht über einen eigenen Seezugang und ist deshalb von Dschibuti abhängig. Der Hafen in Dschibuti kann im Normalfall aber nur 500.000 Tonnen Ware im Monat abfertigen, es besteht jedoch wegen der Krise dringender Bedarf an zusätzlich zwei Millionen Tonnen. 400.000 Kinder sind allein in Äthiopien nach Angaben der Vereinten Nationen nahe am Hungertod. Die Dürre bedrohe somit ähnlich viele Kinder wie der Bürgerkrieg in Syrien.

Die Not wird umso größer, da die Regierung nur zögerlich um Unterstützung der internationalen Gemeinschaft bittet. Bilder von ausgedörrten und rissigen Feldern passen nicht in die Öffentlichkeits-Kampagnen eines Landes, das seinen beachtlichen Aufschwung mit Prestigeobjekten wie dem Bau einer Straßenbahn in der Hauptstadt Addis Abeba nach außen propagiert. Im offiziellen Sprachgebrauch ist das Wort „Dürre“ unerwünscht, vielmehr kommt in den Medien und politischen Reden nur das Wort „El Niño-Effekt“ zur Sprache.

Das weltweite Klimaphänomen ist natürlich die Hauptursache für die aktuelle Not, die Rhetorik soll aber vor allem den Gedanken verbannen, Äthiopien könne sein Volk nicht ernähren. Die Regierung betonte, dass die Dürre dem prognostizierten Wirtschaftswachstum von zehn Prozent im laufenden Fiskaljahr keinen Abbruch tun würde. Erst vor einigen Tagen wurde die Zahl der von der Dürre in Mitleidenschaft gezogenen Menschen auf 18,2 Millionen hoch gesetzt, das bedeutet beinahe jeder fünfte Bürger.

Äthiopien will bis zum Jahr 2025 auf das Niveau eines Schwellenlandes kommen. Das wäre selbst ohne die Dürre ein gewaltiger Entwicklungssprung. Die Investitionen der vergangenen Jahre wurden zu zwei Dritteln aus der Staatskasse getätigt, die aktuelle Krise dürfte das hohe Handelsbilanzdefizit von 13 Prozent noch vergrößern. Wirtschaftsexperten sehen die Wachstumsraten zudem recht skeptisch. Sie lassen sich nur von Informationen der Zentralen Statistikagentur Äthiopiens herleiten.

Trotz erkennbarer Fortschritte sind Investoren ungehalten über hinderliche Bürokratie und schlechte Qualifikationen der Arbeitnehmer. Aus den USA, die jahrelang Äthiopiens Aufschwung priesen, dürfte künftig weniger Rückenstärkung kommen. Anfang Januar musste das US-Drohnenprogramm in Arba Minch, 450 Kilometer südlich von Addis Abeba, auf Anordnung der äthiopischen Regierung seinen Dienst einstellen. Nach Angaben der Washington Post zeigte sich das Pentagon darüber „überrascht“. Die USA nutzen Äthiopien als Basis, um Drohnen-Einsätze gegen die Terrormiliz al-Schabaab in Somalia zu fliegen.

In Mekala kämpft Bauer Sheko dagegen, dass er nicht zur Schachfigur in den Händen einer Regierung wird, die nur noch das Thema Wirtschaftswunder im Fokus hat. Die Regierung verlangte von ihm, in eine fruchtbarere Gegend umzusiedeln. Sheko weigerte sich. Der Bezug zum eigenen Land spielt in seiner ethnischen Gruppe, den Benoji, eine große Rolle. „Wir sind hier geboren“, meint er, „wir werden hier sterben.“






Quelle: Gebende Hände-Redaktion; nach einer Information von: „Welt Online“, welt.de

Schlagwörter: Äthiopien, Dürre, Hunger, Ernte, Nahrung, Nahrungsmittel, Hungerkrise, Tigerstaat, Image, Imageverlust, Entwicklung, Schwellenland, Addis Abeba, Hilfe, internationale Gemeinschaft, Nahrungsmittelhilfe, Klima, Klimawandel, Drohnenprogramm, USA, Arba Minch, El Niño, Tabu