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Indien: Gegen den Femizid – Ein Staat will Schwangerschaften überwachen

Meldung vom 05.02.2016

In Indien werden jährlich Tausende weibliche Föten abgetrieben oder weibliche Säuglinge nach der Geburt getötet. Jetzt schlägt Indiens Frauenministerin vor, die Schwangerschaften überwachen zu lassen. Doch der Vorschlag trifft auf viel Gegenwehr. Die Opposition kritisiert, dass durch eine solche Maßnahme erst recht illegale Abtreibungen vorgenommen werden.

Seit mehr als 20 Jahren dürfen indische Ärzte die werdenden Eltern nicht über das Geschlecht ihres ungeborenen Kindes informieren. Trotzdem werden immer mehr Babys abgetrieben, nur weil sie das „falsche“ Geschlecht haben. Nun will Indiens Frauenministerin Maneka Gandhi eine radikale Politikwende anstoßen. Demnach könnte das Geschlecht künftig verpflichtend bestimmt werden, um zu überprüfen, ob weibliche Föten tatsächlich geboren werden.

Der Vorstoß löste eine wütende Debatte aus. Seit langem bemüht sich Indien, dem „weiblichen Fetozid“ (wie das massenhafte Abtreiben von Mädchen in Anlehnung an einen „Genozid“ bezeichnet wird) etwas entgegenzusetzen. Bereits seit 1994 sind vorgeburtliche Geschlechtstests sowie gezielte Abtreibungen aufgrund des Geschlechts untersagt. Ärzte und Eltern müssen mit bis zu fünf Jahren Haft dafür rechnen.

Doch die Wirkung dieser Strafandrohung war schwach. 1961 wurden in Indien noch 976 Mädchen auf 1.000 Jungen im Alter bis sechs Jahre registriert. In 2011 waren es laut Statistik nur noch 918 Mädchen. So wird vielerorts mit illegalen Tests geworben. Auch Mediziner lassen sich oftmals nicht daran hindern, gegen ein wenig Bestechungsgeld Hinweise auf das Geschlecht zu erteilen.

Die Folgen sind tragisch. Laut einer Studie des britischen Fachblatts The Lancet wurden in den vergangenen drei Jahrzehnten in Indien bis zu zwölf Millionen Mädchen gezielt abgetrieben oder nach der Geburt einfach liegengelassen, so dass sie starben. Das Ungleichgewicht zwischen den Geschlechtern nehme „Notstands-Proportionen“ an und trage zu Gewalt gegen Frauen bei, ermahnten die Vereinten Nationen bereits 2014.

Nun schlug Gandhi, eine frühere Schwägerin von Oppositionschefin Sonia Gandhi, ein radikal neues Konzept vor: Statt das Geschlecht geheim zu halten, soll es verpflichtend bestimmt werden. „Wenn eine Frau schwanger wird, wird dies registriert und bis zum Ende beobachtet, ob sie das Kind zur Welt bringt oder nicht.“ Auch würde sie die bisher vor allem bei Ärmeren verbreiteten Hausgeburten abschaffen, weil damit das Risiko bestehe, dass man unerwünschte Mädchen sterben lasse. Vielmehr soll die Entwicklung der Neugeborenen für ein Jahr beobachtet werden.

Die Ministerin verdeutlichte, dass diese Maßnahme noch nicht spruchreif ist, sondern erst einmal eine Idee, die zur Debatte stünde. „Wir diskutieren noch das Für und Wider“, erklärte sie. Ihr Vorstoß stieß sofort auf wütenden Einspruch. Die oppositionelle Kongresspartei beurteilte ihn als „haarsträubend“. Damit könne der Druck auf Frauen noch wachsen, Mädchen abzutreiben.

Außerdem ist die praktische Umsetzung einer solchen Maßnahme fraglich: Wer soll die Schwangerschaft in dem unermesslich großen Land mit seinen 1,2 Milliarden Einwohnern bis zur Geburt und danach überwachen? Einige Gebiete haben weder einen Arzt noch Krankenstationen, viele Hospitäler sind schon heute restlos überfüllt. Andere Kritiker gaben zu bedenken, dass damit das Recht von Frauen auf Abtreibung untergraben werde. Als Folge müsse man mit einem Anstieg illegaler Abtreibungen rechnen, die als „Fehlgeburten“ ausgegeben würden. So seien Frauen wieder gezwungen, die Dienste von „Kurpfuschern“ und „Engelmacherinnen“ in Anspruch zu nehmen.

Dabei stimmen Regierung und Opposition überein, dass die massenhafte Abtreibung von Mädchen beendet werden muss. Premierminister Narendra Modi erklärte, dass das Missverhältnis von Männern und Frauen die Entwicklung Indiens beeinträchtige. Doch die Bevorzugung von Jungen ist seit Jahrhunderten in der Tradition der Gesellschaft verhaftet. Mädchen werden eher als Last angesehen. Da ihr Wert in den Augen der indischen Gesellschaft geringer ist, müssen Eltern bei der Heirat von Töchtern hohe Mitgiftsummen entrichten und sie stürzen sich dabei oft in Schulden, um den höheren Wert des Bräutigams abzugelten.

Der sich bemerkbar machende Frauenmangel führt zusehends zu sozialen Spannungen. In manchen Regionen schaffen es die jungen Männer nicht mehr, eine Braut zu finden. Brüder teilen sich Ehefrauen. Andere bezahlen viel Geld für Bräute aus weit entfernten, verarmten Regionen. Viele dieser Frauen kennen weder die Sprache noch Kultur Indiens und werden wie Sklavinnen gehalten. Soziologen machen zudem darauf aufmerksam, dass Gesellschaften mit einem hohen Männerüberschuss zu mehr Gewalt tendieren.




Quelle: Gebende Hände-Redaktion; nach einer Information von: „Der Tagesspiegel“, tagesspiegel.de

Schlagwörter: Indien, Frauen, Mädchen, Abtreibung, Femizid, Fetozid, Föten, Geschlechter, Gender, Missverhältnis, Überwachung, Geburt, Frauenministerin, Maneka Gandhi, Schwangerschaft, Frauenrechte, Ungleichgewicht, Gewalt, soziale Spannungen, Narendra Modi