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Äthiopien: „Unsere Welt verwandelt sich in eine Wüste“

Meldung vom 28.04.2016

Weite Teile Afrikas kämpfen mit den Folgen einer verheerenden Dürre. Am Horn von Afrika und im Süden leiden bis zu 50 Millionen Menschen. In Äthiopien sind jetzt akut fast 20 Millionen Menschen auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen.

Zentraläthiopien zeichnet sich aus durch eine gewaltige, weite Hochebene, durchzogen von zahlreichen Schluchten und Tälern. Dazwischen erheben sich dreitausend Meter hohe, kupferfarbene Berge. In der Mittagszeit ähnelt die Landschaft einem Glutofen. Die Wasserlöcher sind versiegt. Die letzte Ernte ist verdorrt. Das Vieh besteht nur noch aus Haut und Knochen. Viele Tiere sind verendet. Aber weil das Vieh überall mager sei, könne man es auch nicht gegen andere Lebensmittel umtauschen, sagt die Bäuerin Etainu Maru. „Unsere Welt verwandelt sich in eine Wüste.“

Mit einem grünen Zahnputzbecher holt sich eine Frau in der Morgensonne braune Brühe aus einem Erdloch. Der gelbe Zwanzig-Liter-Kanister neben ihr ist erst zur Hälfte voll. Drei Stunden Arbeit stecken in diesem geringen Ertrag. Trotzdem ein glücklicher Tag für die 27-jährige Kai Damitj. Manchmal findet sie überhaupt kein Wasser. Das Leben hier war immer schon hart, aber noch nie war es so schwer wie heute. Normalerweise benötige ihre sechsköpfige Familie fünf Kanister Wasser pro Tag. Mittlerweile stünden nur noch zwei Kanister pro Woche zur Verfügung. Das macht vierzig Liter für sechs Personen zum Trinken, Händewaschen und Kochen. Die junge Äthiopierin berichtet von ihrem Leid ruhig und freundlich. Wieso sich aufregen über Umstände, die man nicht ändern kann. Extrem hart sei, dass nicht mehr genug Wasser zum Kochen vorhanden sei. Schmerzhaft, dem eigenen Kind zu verbieten, Wasser zu trinken, wenn es unter Durst leide.

Im Bergdorf Auaai vergnügen sich Kinder am Boden mit rostigen Deckeln von Fanta-Flaschen. Auf einem Ziegenfell hat sich ein grauhaariger, runzliger Mann niedergelassen. Er ist der Dorfälteste. Er ist gekleidet in eine fleckige, braune Kutte, gelbe Badesandalen und schämt sich vor dem Gast. Er war als Offizier der äthiopischen Armee tätig. „Heute bin ich ein dreckiger alter Mann, der übel riecht. Vergleichen Sie Ihre und meine Haut. Meine ist staubig und schmutzig, Ihre dagegen ist gepflegt und sauber.“ Er trage im Alter von 61 Jahren kaputte Plastiksandalen, sei sich bewusst, dass es auf der Welt Menschen gebe, die jeden Tag unter die Dusche gingen, aber er habe sich seit acht Monaten nicht mehr reinigen können. So lange gab es hier keinen Niederschlag mehr. Vor zwei Monaten hat Kasse Zuadegbreal seinen Spiegel entsorgt, weil er seinen Anblick nicht mehr aushält. Alle harren auf die nächste Regenzeit, die in drei bis vier Monaten erwartet wird.

Auf der Suche nach Wasser laufen die Männer von Auaai, das sich auf 2.200 Metern Höhe befindet, frühmorgens mit dem Vieh ins Tal. Sechs Stunden Fußmarsch legen sie zurück, bis sie zu den Flussläufen gelangen. Das Flussbett in den tiefen Schluchten hat sich in eine ausgetrocknete Steinwüste verwandelt. Stumme Männer heben Löcher aus und gelangen in zwei bis drei Metern Tiefe an Restmengen von Wasser. Im Schatten der Felswände scharren einige magere Kühe, Ziegen, Esel im Staub. Auch Kinder warten geduldig, bis sie an der Reihe sind, um einige Becher Wasser herunterstürzen zu dürfen, bevor sie mit einem Pfiff aufgefordert werden, weiterzugehen.

Oberhalb der Schlucht mitten im steinigen Nirgendwo behauptet sich eine einsame Lehmhütte mit Blechdach gegen die Naturwidrigkeiten. Es ist das lokale Schulhaus. Im Innern singen Kinder ein Lied von Kühen, die abends von satten Wiesen zurückkehren, gemolken werden, und darüber, wie die Mutter ihnen Milch zur Schlafstatt bringt. Im dunklen Raum mit der zerbrochenen Wandtafel erteilt der Lehrer Solomon Zegete normalerweise neunzig Schülern Unterricht. Seit dem Ausbruch der Dürre sitzen nur noch dreißig Kinder vor ihm. Weil die Eltern den ganzen Tag mit der Suche nach Wasser beschäftigt sind, müssten die Kinder auf das Vieh und die jüngeren Geschwister aufpassen, berichtet der Lehrer. Einige müssen nachts, wenn die Temperaturen sinken, mithelfen, nach Wasser zu graben. Am Tag sind sie dann zu müde, um noch dem Unterricht zu folgen. Ein normaler Stundenplan sei schon lange nicht mehr möglich. Viele Schulen in Äthiopien teilen den Kindern pro Tag eine Mahlzeit aus. In dieser abgelegenen Gegend fehlt ein solches Schulspeisungsprogramm. In der Mittagspause müssen sich die Kinder mit einem Bonbon und einem Lachen zur Aufmunterung zufrieden geben, das Einzige, was er ihnen geben könne. Solomon Zegete hat die Hoffnung nicht aufgegeben, dass die Regierung seine Schule baldmöglichst mit Wasser und Nahrung unterstützt.

Den lokalen Administrator der Regierung kann man im Nachbardorf antreffen. Die dringlichsten Nöte seien der akute Wassermangel, mangelndes Futter für die Tiere und kaum Nahrung für die Menschen. Die lokale Regierung bemühe sich, wenn immer möglich, Wasser und Nahrung in die Dörfer zu transportieren. Allein in den Bezirken Tigray und Amhara kommen 525.000 Menschen ohne Nahrungsmittelhilfe nicht mehr aus. Aber nur drei Viertel von ihnen erhalten wirklich die benötigte Hilfe.

Die Regierung gebe ihr Äußerstes, sagt Addisu Sisay. Tatsächlich kann man im Hochland überall Esel-Karawanen wahrnehmen, welche die Dörfer mit Getreide versorgen. Über elf Millionen Menschen müssen zurzeit in Äthiopien wegen der Dürre mit Nahrungsmittelhilfe und Wasser erreicht werden. Dazu kommen acht Millionen Äthiopier, die dauernd von Nahrungsmittelhilfe abhängig sind. Im fernen Addis Abeba bat Ministerpräsident Hailemariam Desalegn kürzlich offiziell um Hilfe. Ein Schritt, der ihn wohl viel gekostet hat. Die autoritäre Regierung möchte die Dürre am liebsten verschweigen, weil sie ein negatives Bild nach außen abgibt. Daher hindert sie Journalisten an der Berichterstattung über die akute Krise. Die Medienleute haben Schwierigkeiten, an ein Visum zu kommen. Fotografieren wird oft verboten. Man fürchtet offenbar, die Elendsbilder aus den Dürregebieten könnten das Ansehen der aufstrebenden Wirtschaftsnation ankratzen.




Quelle: Gebende Hände-Redaktion; nach einer Information von: „Neue Zürcher Zeitung, NZZ Online“, nzz.ch

Schlagwörter: Äthiopien, Dürre, Wassermangel, Elend, Hunger, Regierung, Regen, Ernteausfall, Wasser, Vieh, Tigray, Amhara, Nahrungsmittelhilfe, Medien