Indien: Morde an Journalisten bleiben folgenlos

Meldung vom 20.05.2016

Indien gehört zu einem der Länder, in denen es die Medien sehr schwer haben. Journalisten leben gefährlich. Innerhalb von vier Monaten sind zwei Journalisten aufgrund ihrer Arbeit ermordet worden. Zahlreiche weitere sind in Haft und werden schikaniert. „Indien wird immer mehr zu einem gefährlichen Land für Journalistinnen und Journalisten“, sagte V. P. Abhirr, Kampagnenkoordinator bei Amnesty International in Indien.

Am 13. Mai wurde Rajdeo Ranjan, der Leiter des Büros der Zeitung Hindustan in Siwan im Bundesstaat Bihar, von Unbekannten mit Schüssen niedergestreckt. Der Tatort befand sich weniger als einen halben Kilometer von der Polizeistation von Siwan entfernt. Rajdeo Ranjan hatte vor allem Berichte über die lokale Politik und Kriminalität veröffentlicht und kürzlich die Verbindungen zwischen Kriminellen und Politikerinnen und Politikern offengelegt. Im Fokus stand unter anderem ein ehemaliges Parlamentsmitglied, das derzeit eine lebenslange Haftstrafe wegen Mordes abbüßen muss. Kolleginnen, Kollegen und Familienmitglieder von Rajdeo Ranjan bezeugten öffentlich, dass er von politischen Führungspersönlichkeiten wegen seiner Artikel unter Druck gesetzt wurde.

Die indischen Behörden müssen diejenigen, die den Mord an Rajdeo Ranjan angezettelt haben, strafrechtlich verfolgen.
Es muss darüber hinaus generell dafür gesorgt werden, dass Journalistinnen und Journalisten mehr Schutz erhalten, ungehindert ihre Arbeit verrichten können und dass ihr Recht auf freie Meinungsäußerung verteidigt wird.

Saurabh Kumar, Polizeichef im Bezirk Siwan, behauptete gegenüber der indischen Amnesty-Sektion: „Die Ermittlungen laufen. Wir haben bislang vier Personen festgenommen, mehr kann ich zu den Ermittlungen nicht sagen. Diejenigen, die für den Mord an Rajdeo Ranjan verantwortlich sind, wer immer sie auch sind, werden festgenommen werden.“

„Es kommt nur äußerst selten zu Verurteilungen wegen Angriffen auf Journalistinnen und Journalisten“, sagte dagegen V. P. Abhirr. „Die Regierung von Bihar muss deutlich zeigen, dass es keine Straffreiheit für Menschen gibt, die Journalistinnen und Journalisten töten. Journalistische Arbeit ist kein Verbrechen und diejenigen, die Medienschaffende angreifen, dürfen damit nicht davonkommen.“

Im Februar 2016 hatten Unbekannte auf Motorrädern das Feuer auf Karun Mishra, einen Journalisten der Zeitung Jansandesh Times, eröffnet. Der Journalist erlag seinen Verwundungen. Das Attentat ereignete sich in Sultanpur im Bundesstaat Uttar Pradesh. Angaben der Polizei zufolge hatte das Opfer über illegalen Bergbau recherchiert.

Im Bundesstaat Chhattisgarh sind seit Juli 2015 vier Journalisten – Santosh Yadav, Somaru Nag, Prabhat Singh und Deepak Jaiswal – aufgrund politisch motivierter Anklagen inhaftiert worden. Alle vier arbeiteten in der Region um Bastar. Eine weitere Journalistin, Malini Subramaniam, war im Februar 2016 dermaßen unter Druck gesetzt worden, dass sie Bastar verlassen musste. Ihr Haus wurde Ziel von Übergriffen und von Seiten der Polizei wurde ihr Vermieter bedrängt.

„Jeder Journalist hat das Recht, über brisante Themen zu berichten und der Regierung unbequeme Fragen zu stellen. Die Regierungen der Bundesstaaten müssen das in der Verfassung festgeschriebene Recht auf freie Meinungsäußerung respektieren und alle Journalistinnen und Journalisten freilassen, die allein aufgrund ihrer Arbeit festgenommen wurden“, verlangt V. P. Abhirr. Laut der Organisation Reporter ohne Grenzen wurden 2015 fünf Journalisten in Indien wegen ihrer Arbeit getötet. Zwei von ihnen hatten illegale Bergbauaktivitäten offengelegt.


Quelle: „Amnesty International“, www.amnesty.de