Indien: Insektenalarm – Der Taj Mahal wird grün

Meldung vom 21.06.2016

Einst ein strahlendweißes Wahrzeichen: Indiens ganzer Stolz, der Taj Mahal, ist in Gefahr. Millionen von Insekten befallen die weißen Mauern und veruneinigen sie mit grünen Exkrementen. Der Grund dafür ist ein sterbender Fluss.

Normalerweise interessiert das Thema der verseuchten Flüsse in Indien nur die, die direkt am Wasser wohnen. Aber nun hat es den Taj Mahal getroffen, das Nationalsymbol Indiens. Die Insekten – ihrer natürlichen Feinde im Fluss entledigt - schwirren allabendlich aus und setzen sich auf die Marmorblöcke des Mausoleums. Mit unverkennbaren Folgen.

Eine Herde Wasserbüffel trabt schnaubend durch ein schmales Rinnsal, das in den Yamunafluss mündet. Im Hintergrund zeichnet sich der Taj Mahal ab, das indische Symbol der Liebe. Es könnte ein wunderbar romantisches Bild abgeben, das sich am Rande der Stadt Agra gruppiert, es könnte. Denn das Rinnsal, das die Büffel durchqueren, ist schwarz und eine Kloake, der Fluss Yamuna dahinter sieht genauso aus. Nadim treibt seine 20 Büffel weg vom Fluss auf das Grundstück neben seiner Hütte: „Es ist alles so dreckig, so viel Müll. Es muss etwas passieren, aber es ändert sich nichts.“

Der Yamuna-Fluss ist faktisch ein totes Gewässer, Fische können hier nicht mehr überleben, seit das letzte noch halbwegs klare Wasser über Dämme und Kanäle auf Felder und in betriebliche Kühlsysteme umgeleitet wird und immer mehr Abwässer direkt in den Yamuna fließen. Afsana haust in einer kleinen Hütte direkt am Fluss, nur hundert Meter vom Ufer entfernt. Gerade vermengt sie Mörtel, um einen weiteren Raum zu errichten: „Während der Regenzeit ist es besonders furchtbar, dann kommt der ganze Dreck in unser Haus. Wir versuchen alles sauber zu halten, was können wir sonst tun.“ Afsana Mann Safruddin hockt einige Meter entfernt und ruht sich aus: „Wir haben doch nur diese zwei großen Flüsse, den Yamuna und den Ganges, wenn die dreckig sind, dann werden wir alle krank. Wir trinken doch das Wasser aus dem Fluss.“

Die Insekten kommen vom Fluss. Die Folge: der Marmor wird grün von den Ausscheidungen der kleinen Viecher. Amit Kulshreshta ist Lokaljournalist und hat vor einigen Wochen die Geschichte um den langsamen grünen Tod des Taj Mahal für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht: „Ich habe mit vielen Biologen gesprochen, sie alle sagen, es liege an der kompletten Verschmutzung des Flusses. Das ist nur noch Abwasser, seit Jahren schon. Aber diese Insekten tauchen jetzt das erste Mal auf. Ein Labor hat die Insekten untersucht und herausgefunden, dass sie den hohen Phospatgehalt im Wasser schätzen und Hitze bis 45 Grad aushalten. Das sind hier ideale Bedingungen für diese Insekten.“

Der empfindliche alte Marmor kann nur äußerst vorsichtig gereinigt werden, sonst ist der Glanz fort. Damit das Taj Mahal also seine Strahlkraft weiter behält, bemüht man sich, die in den porösen Stein eingedrungene Insektenhinterlassenschaft vorsichtig zu lösen, erklärt der Chefarchäologe Bhuvan Vikram: „Wir reinigen die Oberfläche, indem wir den Schlamm auftragen und ihn trocknen lassen. Dadurch wird der Schmutz aus dem Marmor herausgezogen.“

Ob diese Methode von Erfolg gekrönt ist, ist derzeit noch fraglich. Stellt man die Frage der Nachhaltigkeit, wird die Maßnahme noch fraglicher. Solange der Fluss, der Yamuna, der direkt hinter dem Taj Mahal fast nur noch träge steht, aber dafür umso mehr stinkt, solange der Yamuna voller Abwässer ist und damit ein ideales Biotop für alles Ungeziefer darstellt, lässt Sisyphos grüßen. Also haben Umweltschützer jetzt eine Klage eingereicht, mit der sie die Regierung bewegen wollen, den Fluss zu reinigen und wieder zum Leben zu erwecken.

Am Taj Mahal herrscht währenddessen wie jeden Tag Hochbetrieb, vier Millionen Touristen wollen das Grabmal jedes Jahr sehen, es sind zunehmend indische Urlauber, die ihr Heiligtum mit eigenen Augen sehen wollen: „Menschen aus aller Welt kommen, um das Symbol der Liebe zu sehen, wir sind sehr stolz darauf, es ist so ein wunderbarer Platz – das Wunder Indiens.“ Ja, sagen die Besucher, das sei schon schlimm mit dem verschmutzten Fluss, erst recht, wenn nun das Mausoleum in Gefahr ist: „Die Umweltverschmutzung ist ein großes Problem, wenn es so weitergeht, dann wird der Taj Mahal zerstört.“

Aber solchen Aussagen folgt immer wieder Kritik über Delhi, der Hauptstadt: Die da müssen zur Verantwortung gezogen werden, was könne man schon tun. Vielleicht dafür sorgen, dass nicht noch mehr Müll in den Fluss gelangt? Govinda Gupta ist Inhaber eines kleinen Restaurants an einem staubigen Weg. An einem der vier Tische hat sich ein japanisches Paar niedergelassen – Touristen, die immerhin für eine paar Stunden in Agra Aufenthalt haben. Die meisten ziehen sofort nach dem Taj Mahal-Besuch aus der Stadt wieder ab, klagt Govinda wie viele andere aus der Tourismusbranche – und er hat konkrete Verbesserungsvorschläge: „Wenn man den Fluss auf einer Länge von fünf Kilometern sperren und reinigen würde, dann könnten dort Boote fahren, die Touristen würden den Taj Mahal ganz neu entdecken. Viele hier könnten Geld verdienen, weil die Urlauber dann eine Woche lang in Agra bleiben würden.“

Bootstouren auf dem Yamuna mit Blick auf das Marmor-Mausoleum, das haben die Umweltschützer nicht gerade ins Programm zur Renaturierung des Yamuna aufgenommen, aber es könnte ein Weg sein, die Menschen in Agra dazu anzuspornen, den Fluss zu retten. Wenn der Fluss wieder zum Leben erwacht, bleibt der Taj Mahal weiß – und dann floriert der Tourismus, so oder ähnlich könnte das Motto lauten, das Umweltfreaks wohl ablehnen würden, aber der Zukunft kommender Generationen in Indien dienen würde.


Quelle: Gebende Hände-Redaktion; nach einer Information von: „Deutschlandfunk“, dradio.de