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Mexiko: Heillose Zustände im Bildungssektor – Lehrer-Stellen werden vererbt und verkauft

 
Meldung vom 23.06.2016

In Mexiko herrschen völlig chaotische Zustände im Bildungssektor. Deswegen will die Regierung mit neuen Bildungsreformen durchgreifen. Doch die Lehrer setzen sich erbittert zur Wehr. Fast täglich geraten auf Mexikos Straßen derzeit streikende Lehrer und Polizisten aneinander. Bei den Krawallen starben sechs Menschen. Tatsächlich geht es um eine solche Selbstverständlichkeit wie die Tatsache, dass Lehrer sich zukünftig auf Stellen bewerben müssen.

Es ist ein absurd anmutender Konflikt, der in diesen Tagen Mexiko erschüttert und in dem sich die Regierung von Präsident Enrique Peña Nieto und die vor allem im Süden des Landes starke linke Lehrergewerkschaft CNTE mit äußerster Gewaltbereitschaft gegenüber stehen.

Die Regierung wirft Gewerkschaftsführer ins Gefängnis und entlässt Tausende Lehrer. Und die Coordinadora Nacional de Trabajadores de la Enseñanza (CNTE) versetzt Streikbrecher in Furcht und Schrecken, brennt Wahlbüros ab, verschleppt Polizisten, errichtet Straßenblockaden, besetzt Flughäfen und verwickelt sich in blutige Gefechte mit Sicherheitskräften. Am Sonntag (20.06.2016) kamen dabei im Bundesstaat Oaxaca mindestens sechs Menschen ums Leben, rund hundert erlitten Verletzungen.

Bei dem Konflikt, in den beide Seiten sich so unnachgiebig verstrickt haben, geht es eigentlich um eine Selbstverständlichkeit: Eine Bildungsreform, mit der Mexikos Kinder von einer besseren Schulbildung profitieren sollen. Aber die Reform entzieht (zu Recht) den mächtigen Gewerkschaften ihre Privilegien und Pfründe. Dagegen stemmt sich die CNTE, die in ganz Mexiko 200.000 Mitglieder hat, mit aller Kraft.

Das größte spanischsprachige Land der Welt liegt in den Pisa-Umfragen regelmäßig dramatisch weit hinten. In den Kernfächern Mathematik, Naturwissenschaften und Lesekompetenz rangieren die mexikanischen Schüler weit unter dem Durchschnitt der 34 Staaten der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). 55 Prozent der mexikanischen Jungen und Mädchen konnten beim Pisa-Test 2012 noch nicht einmal das Mindestniveau in Mathematik unter Beweis stellen, 41 Prozent fielen bei Lese- und Leseverstehen-Tests durch, und in Naturwissenschaften versagten 47 Prozent.

Unter anderem deshalb setzte die Regierung eine Reform des Bildungssektors durch, die auch bei weiten Teilen der Opposition auf Zustimmung traf. Zu den Neuerungen zählt beispielsweise, dass Lehrerstellen nun nach Qualitätskriterien und im Rahmen von Bewerbungsverfahren besetzt werden.

Was wie eine Banalität klingt, ist im von Vetternwirtschaft und Korruption durchsetzten mexikanischen Bildungssystem die Ausnahme. Lehrerstellen werden vor allem vererbt, verkauft, verschachert und sie dienen als Druckmittel oder sogar Belohnung. „Es klingt unglaublich, aber so ist es über viele Jahre gewesen“, erklärt Marco Fernández, Bildungsexperte und Professor an der Universität Tec de Monterrey. „Diese Form von Korruption und Perversion hat unser Bildungssystem zersetzt.“

Die Kontrolle über die Vergabeverfahren hatten die Gewerkschaften, die in Mexiko nicht wie in anderen Ländern in erster Linie Interessensvertretungen sind, sondern eine Eigendynamik entwickelt haben, die längst aus den Fugen geraten ist. Im Schatten der ewigen Regierungspartei PRI, die von 1929 bis 2001 an der Macht war und nun seit 2012 wieder an der Spitze steht, dienten sie vor allem als Stimmenanwerber für Wahlen – und wurden dafür mit Vergünstigungen, Posten und Privilegien für die Bosse „geschmiert“. Dazu gehört auch die Befugnis, selbst Arbeitsplätze zu vergeben. Im besonders wichtigen Erdölsektor wird diese Maßnahme immer noch alltäglich angewendet, zum Beispiel beim Staatskonzern Petróleos Mexicanos.

Dass Lehrerstellen besser nach Qualitätskriterien besetzt werden sollten, haben die meisten Mexikaner mittlerweile akzeptiert. Die Bildungsreform findet in der Gesellschaft Beifall. Die Gewerkschaft CNTE aber sieht sie als Kriegserklärung. In den vergangenen Monaten hat sie Tausende Lehrer vor allem in den Staaten Oaxaca, Chiapas und Guerrero zu Streiks aufgerufen. Mitte Mai kündigte die Regierung an, 4.000 Lehrern wegen der Teilnahme an einem illegalen Streik des Amtes zu entheben. Die Situation geriet außer Kontrolle, die Proteste endeten in Gewalt.

Internationale Empörung löste Anfang Juni 2016 der Fall von sechs Lehrerinnen und Lehrern aus, die im südöstlichen Bundesstaat Chiapas öffentlich erniedrigt wurden. Da sie sich weigerten, an dem Streit teilzunehmen, rasierten ihnen Unbekannte die Haare ab. Anschließend wurden sie gezwungen, barfuß durch die Straßen laufen, um den Hals trugen sie Schilder, auf denen „Verräter“ stand.

Die Regierung inhaftierte daraufhin zwei CNTE-Führer. Der Streikführer Rubén Núñez wird der Veruntreuung, Unterschlagung und Korruption bezichtigt. Er soll sich persönlich bereichert haben, indem er Schmiergelder für staatliche Aufträge eingestrichen haben soll, die an private Unternehmen vergeben wurden. Ob der Vorwurf berechtigt ist oder nur als Vorwand dient, den Kopf der Protestbewegung unschädlich zu machen, kann man in Mexiko nie so genau wissen.

Unhinterfragbar ist für Bildungsexperte Marco Fernández nur eines: Die Reform ist dringend notwendig. „Nationale und internationale Tests zeigen, dass wir schwere Qualitätsmängel in der Ausbildung unserer Kinder haben“, betont er. „Und die Probleme sind vor allem Resultat von Korruption, administrativem Chaos und davon, dass das Bildungssystem von Teilen der Gewerkschaften gekapert ist.“


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 Mexiko: Zahlreiche Tote bei Lehrer-Protesten




Quelle: Gebende Hände-Redaktion; nach einer Information von: „Spiegel Online“, spiegel.de

Schlagwörter: Mexiko, Lehrer, Streiks, Stellen, Bildung, Bildungssektor, Bildungsreform, Pisa, Kinder, Vergabeverfahren, Demonstrationen, Gewerkschaft, Korruption, Vetternwirtschaft, CNTE, Krawalle, Festnahmen, Regierung, Enrique Peña Nieto, Vergünstigungen, Privilegien, Schmiergelder