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Rumänien vor den Europawahlen

Meldung vom 04.06.2009

Noch scheint das rasante Wachstum im jüngsten Mitgliedstaat Rumänien ungebrochen. Bei der Europawahl wird man sehen, ob das Vertrauen zur EU auch die Zeiten der Krise übersteht. Wer vor ein paar Jahren einmal durch Rumänien gereist ist und im Frühjahr 2009 wenige Wochen vor den Europawahlen nun wieder das Land besucht, staunt: Dort, wo sich vor den Toren der Städte Felder erstreckten, laden heute Einkaufzentren mit riesigen Parkplätzen und Fast-Food-Drive-Ins zu einem Besuch ein. Neue Eigenheimsiedlungen sind hochgezogen worden.

Immer seltener sieht man die alten 1300er Dacias, sondern neue Logans, VWs, Renaults und Toyotas prägen das Straßenbild. Eine neue Asphaltdecke sorgt für eine gute Fahrt auf den einst mit Schlaglöchern übersäten Fernstraßen. Eigentlich erhält man hier den Eindruck, das Land befände sich im Aufschwung. Nichts spricht davon, dass das Land vor nicht einmal zwei Monaten durch Kredite des Internationalen Währungsfonds (IWF), der Weltbank und der Europäischen Union vor dem Staatsbankrott gerettet werden musste.

Die rumänische Währung hat seit August 2008 zeitweise über 17 Prozent an Wert gegenüber der europäischen Leitwährung verloren und konnte sich erst nach den IWF-Zusagen einigermaßen, aber auf niedrigem Niveau, wieder festigen.

Bei den Europawahlen am 7. Juni beeinflusst daher auch die Finanz- und die Wirtschaftskrise die Kampagnen. Die dem Präsidenten Traian Basescu nahstehende Regierungspartei PD-L (Liberaldemokratische Partei) etwa hat sich ein Sprichwort zum Motto gemacht, das im übertragenen Sinne „in guten wie in schlechten Zeiten“ bedeutet. Die nationalliberale PNL, die bis 2008 die größte Fraktion in der Regierung in Bukarest bildete und derzeit in der Opposition ist, geht mit dem Slogan „Geld für Rumänen. Europäisches Geld“ auf Wählerfang.

„Nach außen scheint es so, als sei hier ein Boom im Gange“, bemerkt die 21-jährige Wirtschafts-Studentin Iulia Lucescu. „Und in den vergangenen drei, vier Jahren war das auch teilweise so, auch wenn vieles davon nur Investitionen auf Pump waren. Nun wollen wir es nicht wahrhaben, dass es schon wieder vorbei sein soll.“ Iulia hat sich mit drei Freunden auf einer Bank an der Piata Universitatii vor dem Nationaltheater in Bukarest niedergelassen. Für einen Platz in einem der Cafés im Zentrum der Hauptstadt reicht das Geld nicht. Man spart sich das Geld für die Getränke, diskutiert und nimmt dann die letzte U-Bahn nach Hause. Wer, wie viele Studenten, nur über ein mageres Gehalt oder Stipendium in Lei verfügt, muss noch sparsamer sein als im letzten Jahr um diese Zeit.

Rumäniens Bevölkerung hatte laut Meinungsumfragen die stärkste pro-europäische Einstellung von allen der zehn EU-Mitgliedstaaten des ehemaligen Ostblocks, die seit 2004 der EU beigetreten waren. Bulgarien und Rumänien schlossen sich als letzte 2007 an. Trotz der dominierenden orthodoxen Religion gibt sich das Land unter anderem wegen seiner romanischen Sprache und Kultur als eher westlich orientiert.

Das Staatsoberhaupt Basescu selbst gilt laut einer im Mai veröffentlichten Umfrage des Nationalen Instituts für Meinungsforschung immer noch als der beliebteste Politiker des Landes. Tatsächlich beruht Basescus hohe Zustimmung im Volk auf seiner eher antipolitischen, populistischen Stimmungsmache. Bei den Präsidentschaftswahlen im November hofft er auf eine zweite Amtszeit. Seine Kandidatur will er jedoch von den Ergebnissen seiner Partei, der PD-L, bei den Europawahlen abhängig machen.

Seine vergleichsweise hohe Popularität deutet an, dass in der Bevölkerung viele ähnlich denken wie ihr Präsident: „Die meisten Leute hier sind frustriert von der Politik“, erklärt der Wirtschaftsstudent Christian Cojocaru. Bei Wahlen müssten sich die Rumänen „zwischen schlechten und noch schlechteren Kandidaten entscheiden“, die Listen bevölkerten „nur Leute mit Geld und Beziehungen“. An der extrem niedrigen Wahlbeteiligung bei den Parlamentswahlen 2008 kann man laut Experten eine solche Politik-Frustration und -Verdrossenheit ablesen.

Kaum jemand in Rumänien würde sich zwei Jahre nach dem Beitritt gegen die Mitgliedschaft in der EU aussprechen. Das liegt nicht nur an den zahlreichen von Brüssel mitfinanzierten Infrastrukturprojekten und an der etwa einen Milliarde Euro an Subventionen für die Landwirtschaft. Doch viele der Regeln, die schon jetzt oder bald auch hier gelten sollen, kann man diesem Land nicht einfach aufzwingen. So verdienen viele Kleinbauern ihr Geld mit nicht sonderlich hygienisch selbst hergestelltem und vermarktetem Käse von Schaf und Rind. Brüssel wird diese Praxis wahrscheinlich irgendwann verbieten. Doch der Käse ist in Gegenden wie etwa Siebenbürgen (Transsilvanien), wo die Hirtenkultur Jahrhunderte alt ist, nicht nur lebensnotwendige Einnahmequelle, sondern Teil der Kultur. Der durch ein paar Tücher gefilterte Schafskäse ist sehr bekömmlich und unglaublich fettreich. Einer Euronorm hält er aber nicht stand – so wie immer noch vieles in diesem Land.




Quelle: Gebende Hände-Redaktion; nach einer Information von: „Bundestag“, bundestag.de