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Kenia: Skandale statt Reformen

Meldung vom 09.06.2009

Einst war John Githongo als staatlicher Korruptionsjäger tätig und war dabei sehr erfolgreich. Dann rückte er den Mächtigen so nahe, dass er ins Ausland fliehen musste. Seit seiner Rückkehr nach Kenia setzt sich Githongo nun nicht mehr im Kampf gegen die Korruption ein, sondern geht gegen den ethnisch motivierten Hass vor. Githongo hat eine Nichtregierungsorganisation ins Leben gerufen und durchquert das ganze Land, um für Toleranz zu werben.

„Dieses Land steht am Abgrund“, kritisiert der ehemalige Staatssekretär. Er bezieht sich damit auf die Nachwirkungen der blutigen Zusammenstöße nach den Wahlen im Dezember 2007. Damals waren Kenianer der Ethnie der Luo über die Kikuyus hergefallen, weil sie sich um den Sieg ihres Spitzenkandidaten Raila Odinga betrogen fühlten. Die Kikuyus, die Ethnie, der Präsident Mwai Kibaki angehört, hatten sich ebenso brutal zur Wehr gesetzt. 1.200 Tote fielen den Auseinandersetzungen zum Opfer; mehr als 300.000 Menschen mussten die Flucht ergreifen. Nach Githongos Einschätzung, die von vielen Kenianern geteilt wird, können sich diese Gemetzel jederzeit wiederholen.

Anderthalb Jahre nach den Zusammenstößen in Kenia verfügt das Land zwar über eine Regierung, einer großen Koalition mit mehr als 40 Ministern. Doch muss sich Präsident Mwai Kibaki mit seinem Widersacher Raila Odinga als Ministerpräsident auseinander setzen. Von dieser spannungsvollen Regierungssituation abgesehen, hat sich in Kenia nichts getan. Von den im Koalitionsvertrag vorgesehenen Reformen – Reform des Wahlrechtes, Übertragung von Aufgaben der Zentralregierung an die Provinzen, Reform des Boden- und Landrechts – wurde keine einzige realisiert. Stattdessen füllen sich die Parlamentarier und Minister beider Lager die Taschen aus der Staatskasse. Das ist umso unkomplizierter, als es seit der Bildung der großen Koalition keine Opposition mehr gibt.

Zudem hat sich Raila Odinga als Papiertiger erwiesen. Zwar vertritt Odinga zu allem eine Meinung, vor allem in der Außenpolitik. Wenn es allerdings um sein Land geht, tut Odinga meist nur Beschwerden darüber kund, dass ihm nicht der gebührende Respekt entgegengebracht oder ein roter Teppich untersagt werde. Gegenwärtig reist Odinga um die Welt und tritt mit klugen Vorträgen an amerikanischen Universitäten auf. Zu Hause geben 70 Prozent der Bevölkerung zu, sie seien von ihrer Regierung maßlos enttäuscht.

Als eine der ersten Amtshandlungen ordnete die Koalition die Anschaffung von 150 Mercedes-Limousinen an. Die Parlamentarier zwackten sich Monatsgehälter von mehr als 8.000 Euro ab. Keiner der großen Korruptionsskandale der Vergangenheit wurde untersucht. Stattdessen gibt es monatlich neue. Der mutmaßlich folgenreichste war der sogenannte Maisskandal im Januar: Obwohl das Land aufgrund schlechter Ernten mit Lebensmittelengpässen zu kämpfen hatte, wurde heimischer Mais lukrativ nach Sudan verkauft. Der daraufhin importierte Mais wurde zurückgehalten, bis die Preise in unermessliche Höhen gestiegen waren. Mitglieder des Landwirtschaftsministeriums hatten ihre Hände bei diesen krummen Geschäften ebenso im Spiel wie etliche Parlamentarier und der Sohn Odingas. Gleichzeitig aber erhob die Regierung Anspruch auf 380 Millionen Dollar ausländische Hilfe zur Überwindung der Lebensmittelkrise.

Dramatischer noch als die notorische Korruption aber ist der Unwille der Koalition, Klärung in die blutigen Zusammenstöße bei den Wahlen vom Dezember 2007 zu bringen. Bis zu 15 Politiker beider Lager, die heute Ministerämter bekleiden, sollen deren Ausbruch provoziert haben. Es liegt zwar ein Untersuchungsbericht über die Gräueltaten vor. Der Bericht und die Namen der Hintermänner wurden dem ehemaligen UN-Generalsekretär Kofi Annan überstellt. Der sicherte zu, die Beschuldigten vor den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag zu bringen, sollte Kenia dazu übergehen, die Angelegenheit unter den Teppich zu kehren. Aber passiert ist bisher nichts.

Annan, der im Frühjahr 2008 wochenlang den Mittelsmann zwischen beiden Seiten gespielt hatte, bis diese in eine große Koalition einwilligten, hatte davor gewarnt, dass Kenia „wie ein Christbaum“ brennen werde, sollten den ethnischen Rivalitäten nicht aktiv entgegengewirkt werden. Doch derzeit wird dieser Warnung keinerlei Beachtung geschenkt. Der politische Stillstand schürt nur die Rivalitäten. Das ganze Land brüte inzwischen in einem Zustand der Angst, sagt John Githongo. „Und die treibende Kraft in Kenia“, warnt Githongo, sei „die Wut auf die Kikuyus“. Wenn kein neuer Kurs eingeschlagen wird, könnte bei den Wahlen in dreieinhalb Jahren ein neues Blutbad entstehen.




Quelle: Gebende Hände-Redaktion; nach einer Information von: „Frankfurter Allgemeine Zeitung“, faz.net