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Somalia: Streit ums Meer

Meldung vom 23.09.2016

Die afrikanischen Länder werden sich immer bewusster, dass ihnen auch Meere als territoriales Hoheitsgebiet zustehen. Das führt jedoch auch zu Konflikten. Seit Jahren diskutieren Kenia und Somalia darüber, wo ihre Seegrenze im Indischen Ozean verläuft. Jetzt soll die Sache an den Internationalen Gerichtshof in Den Haag übergeben werden. Doch damit ist nur eine der beiden Parteien einverstanden.

Ein schmales Dreieck vor der afrikanischen Küste im Indischen Ozean, etwa 100.000 Quadratkilometer groß – das ist der Zankapfel zwischen den Nachbarländern Kenia und Somalia. Beide beanspruchen das Terrain für sich, denn dort wurde wertvolles Gas und Öl gefunden. Welches der beiden Länder recht hat, ist noch nicht endgültig entschieden. „Die Lage der Grenze ist eine Grauzone“, erklärt Timothy Walter, der am Institut für Sicherheitsstudien (ISS) in Südafrika maritime Grenzkonflikte in Afrika in Augenschein nimmt.

Für Kenia besteht dagegen keinerlei Zweifel am Grenzverlauf: in einer horizontalen Linie, parallel zum Breitengrad. Dem Land würde so der größere Anteil am begehrten Meeresdreieck zustehen. Tatsächlich hat es sogar bereits Abbaulizenzen für die Rohstoffe dort an die meistbietenden internationalen Firmen veräußert.

Dagegen protestiert Somalia. Der Staat verlangt, die Grenze müsse in südöstlicher Richtung als Verlängerung der Landgrenze verlaufen. 2009 hatten beide Länder sich darauf verständigt, dass die zuständige Kommission der Vereinten Nationen bei weiteren Verhandlungen den Vermittler spielen soll, um die Grenze endgültig zu bestimmen. Und dass beide Seiten weiter gemeinsam eine Kompromisslösung anstreben – also wenn möglich darauf verzichten, den Fall vor ein Gericht zu zerren.

Das scheint nicht funktioniert zu haben – zumindest was den Standpunkt Somalias angeht. 2014 hat der Staat die Klage beim Internationalen Gerichtshof in Den Haag vorgebracht. Der Weg zu diesem Gerichtshof – einem Organ der Vereinten Nationen – ist eine der verschiedenen Optionen, Grenzkonflikte in Seegebieten zu schlichten, wenn zum Beispiel bilaterale oder regionale Verhandlungen nicht mehr weiter führen.

Genau das sei passiert, beschwert sich die somalische Regierung in ihrer Klage: „Die Parteien haben sich zahlreiche Male getroffen, um sich darüber auszutauschen, wie der Disput beigelegt werden kann. Keines dieser Treffen hat einen Fortschritt in Richtung einer Einigung gebracht.“ Somalia wurde lange als gescheiterter Staat ohne funktionierende Regierung wahrgenommen. Es galt quasi als rechtsfreier Raum. Das Land konnte werden seine Grenzen noch seine Meeres-Hoheitsgebiete absichern. Erst seit 2012 hat das Land wieder einen gewählten Präsidenten – und scheint nun so stabil, dass es seine Hoheitsrechte auch im Indischen Ozean verteidigen will.

Somalia möchte Folgendes erreichen: Der Internationale Gerichtshof soll die Grenze so festlegen, wie es die Seerechtskonvention der Vereinten Nationen und internationales Seerecht vorgegeben haben. Demnach soll im Zweifelsfall eine vorläufige Grenze in einer von beiden Küsten gleichweit entfernten Linie gezogen werden, wenn keine besonderen Umstände dagegen sprechen. Ein Testlauf soll dann offenbaren, ob diese Grenze beiden Staaten gleichermaßen gerecht wird, oder ob sie einen begünstigt oder übervorteilt.

Kenias Regierung hingegen besteht auf ihren bevorzugten Grenzverlauf. Seit fast 100 Jahren werde diese horizontale Linie als Grenze angesehen und verteidigt, betont sie in einer Stellungnahme. Weil sich Kenia und Somalia eigentlich einig waren, den Disput außergerichtlich zu lösen, hat Kenia gegen das Verfahren vor dem Gerichtshof bereits 2015 Widerspruch eingelegt. Von diesem Montag (19.09.2016) an will das Gericht nun beide Länder anhören – und dann entscheiden, ob ein Verfahren vonnöten ist.

Wenn es tatsächlich zu einem Prozess kommt, wird der Grenzverlauf endgültig bestimmt. Denn an die Urteile des Gerichtshofs müssen sich alle halten, Berufungsverfahren sind nicht vorgesehen. „Dann heißt es: Einer gewinnt, einer verliert“, meint ISS-Experte Walker. Ein Gerichtsverfahren bedeute für beide Staaten ein hohes Risiko.

„Die von Kenia beanspruchte Grenze würde sich dramatisch verschieben, sollte der Gerichtshof zu Gunsten Somalias entscheiden.“ Ein solcher Präzedenzfall könnte einen weiteren Konflikt um die Seegrenze mit Kenias südlichem Nachbarn Tansania auslösen. Dies wiederum könnte in einer Art Kettenreaktion auch Mozambik, Madagaskar und Südafrika dazu bringen, ihre Seegrenzen neu zu bestimmen, sagt Walker.

Natürlich ist auch ein Kompromiss nicht ausgeschlossen – theoretisch: „Die Staaten könnten sich das Gebiet und den Abbau der Rohstoffe teilen“, meint Walker. In Westafrika könne man dafür auf ein sehr erfolgreiches Beispiel zurückgreifen: Nigeria und die Inselgruppe Sao Tomé und Principé sind hier für die Ölförderung eine Partnerschaft eingegangen. Doch im Fall von Somalia und Kenia stehen die Chancen dafür schlecht: „Beide Staaten wollen keine Kompromisse eingehen, was ihre eigenen Hoheitsrechte angeht. Das kann sich natürlich noch ändern, aber im Moment sieht es nach einer Entweder-Oder-Entscheidung aus.“ Die könnte im Laufe des kommenden Jahres zustande kommen, schätzt Walker.

Insgesamt erkennen Experten wie Walker ein wachsendes Bewusstsein von Staaten über festgelegte Seegrenzen, gerade in Afrika. Walker bezeichnet das Phänomen als das „Ende der See-Blindheit“: „Historisch lag der Fokus hier häufig auf dem, was an Land geschah. Viele afrikanische Staaten haben gar keine nennenswerte Küstenwache oder Marine.“ Doch das gehört der Vergangenheit an: Rohstoffe vom Meeresgrund seien dank fortschrittlicher Technologien jetzt besser erschließbar und den Staaten werde immer deutlicher, wie wichtig sichere Küsten und gute Häfen für den Zugang zum weltweiten Handel seien – und dass sie dafür auf klar festgelegte Grenzen angewiesen sind, stellt Walker fest.

Im Westen des Kontinentes haben sich Ghana und die Côte d'Ivoire gerade in einen ähnlichen Disput verwickelt: Es geht um die Grenze im Atlantik. Die beiden Staaten harren zurzeit auf die Entscheidung des Internationalen Tribunals für Seerecht – eine Alternative zum Internationalen Gerichtshof, dem Staaten ihre Grenzstreitigkeiten vorbringen können.

Auch die ostafrikanischen Nachbarn Malawi und Tansania sind sich uneins, allerdings geht es dabei um ein Binnengewässer: Der Malawi-See grenzt an Tansania und verspricht ein reiches Ölvorkommen. Doch die Grenze aus der Kolonialzeit wurde für Tansania am Ufer des Sees gezogen. Nicht nur diese Staaten werden genau verfolgen, wie der Streit zwischen Kenia und Somalia ausgeht.




Quelle:  „Deutsche Welle“, dw-world.de

Schlagwörter: Somalia, Meer, Seerecht, Hoheitsgebiet, Grenze, Seegrenze, Konflikt, Internationaler Gerichtshof, Den Haag, Urteil, Grenzverlauf, Rohstoffe, Öl, Atlantik, Indischer Ozean, Gas, Erschließung, Abbaulizenzen