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Uganda: Wenn die Uni stillsteht – Studenten als „Wutbürger“

Meldung vom 10.01.2017

Der Lehrbetrieb an der Universität in Ugandas Hauptstadt Kampala ist den Studenten heilig. Das hat auch einen Grund: Das Studium an der bekannten Makarere Universität ist für Einheimische extrem kostspielig – und schnell ist die Stimmung auf dem Siedepunkt, wenn die Lehre ausfällt. Auch Austauschstudenten aus Deutschland sind von den Problemen der Uni nicht ausgenommen.

Die Straße im Studentenviertel Kikoni in Kampala ist ein einziges Flammenmeer. Trockene Äste und Plastikplanen brennen, das Militär bemüht sich, das Feuer mit Wasserwerfern einzudämmen. Eine Horde junger Menschen läuft brüllend über den Asphalt. „Makerere oyeeee“ ertönt ihr Schlachtruf. Die wütenden Studenten der Makerere Universität Kampala sind in rote Westen gekleidet, zum Zeichen des Protests. Sie versuchen, Kommilitonen zur Teilnahme zu bewegen, die den Aufstand vom Straßenrand aus beobachten. Viele lassen sich mitreißen, andere gehen auf Rückzug und bringen sich in Sicherheit.

Es sind nicht die ersten Krawalle an Ugandas größter und bekanntester Universität. Aber diesmal sind es besonders gewalttätige. An normalen Tagen ist diese Straße von friedlichem sozialen Umgang geprägt: Man passiert auf dem Weg zur Vorlesung Stände, an denen Mais, Teigtaschen und bunte Handykarten angeboten werden. Vor den Unterrichtssälen harren in dunklen Ecken große Kopiergeräte, an denen Studenten für ein paar Cent Bücher und Seminarpapiere kopieren können.

Doch es ist kein normaler Tag an der „Mak“, wie die Studierenden aus ganz Afrika ihre Uni bezeichnen. An diesem Tag im November haben die Händler ihre Waren schnell wieder eingesammelt, denn die jungen Leute sind außer sich. Sie marschieren mit Trillerpfeifen, Tröten und Trommeln über den Campus und durch ihr Viertel, viele fuchteln mit Knüppeln oder langen Holzstangen umher. „Dumba ziiii!“ hallt es weithin in ihrer Landessprache Luganda. Der Ausruf gilt besonders den näher rückenden Soldaten und Polizisten – ein Ausruf des Ärgers, für den es keine passende Übersetzung gibt.

Die Studenten wollen durchsetzen, dass die Dozenten der Uni ihr vollständiges Gehalt erhalten. Seit acht Monaten werden die Hochschullehrer mit weniger abgefunden, als ihnen Präsident Yoweri Museveni vor seiner Wiederwahl versprochen hat. Deswegen haben sie einen Streik begonnen und unterrichten nicht mehr. Über Wochen zieht sich das nun schon hin. „Wir zahlen hohe Studiengebühren, um an der berühmten Mak studieren zu können, und erwarten dafür, unterrichtet zu werden“, beschwert sich Studentenvertreter Roy Ssembogga aufgebracht.

Umgerechnet etwa 300 bis 400 Euro muss jeder Student für das Semester entrichten, viel Geld für eine ugandische Familie. Warum die Prestige-Uni trotz der Gebühren von mehr als 30.000 eingeschriebenen Studenten unter finanziellen Schwierigkeiten leidet, kann niemand beantworten.

„Immer wieder wurde uns das fehlende Geld versprochen, immer wieder wurde das Versprechen gebrochen“, kritisiert Florence Mutonyi D'ujanga, Professorin an der Makerere Universität. Die lautstarke Solidarisierung ihrer Studenten soll die Bildungsministerin Janet Museveni dazu zwingen, sich dem Problem endlich zu stellen. Sie ist die Ehefrau des Präsidenten, der seit mehr als 30 Jahren an der Macht ist.

Ihrem Ministerium ist noch keine Strategie eingefallen, es harrt auf die Erkenntnisse eines Untersuchungskomitees. „Den Dozenten einfach ihr Geld zu geben, ist keine langfristige Lösung. Das wurde bei jedem Streik so gemacht, half aber nur kurz, bis zum nächsten Streik. Die Vorschläge des Komitees werden uns helfen, das Problem ein für alle Mal zu lösen“, meint der Sprecher der Ministerin.

Mit solchen Aussagen lassen sich die Studenten nicht abspeisen. An diesem Novembertag kocht ihre gesamte Wut über. Mit ihren Knüppeln bearbeiten sie Strommasten, Hauswände und Verkaufsstände. Viele Läden brechen ein. Nachdem schon im August ein mehrwöchiger Streik von Verwaltungsangestellten die Uni zum Stillstand gebracht hatte, ist die Hemmschwelle zur Gewalt niedriger geworden. Studenten werfen Steine und Tränengasbomben, die mit ohrenbetäubendem Knall detonieren. Polizisten in Schutzanzügen setzen den Demonstranten nach und prügeln einige, die sich wehren, in ein Polizeiauto.

Die Professorin Florence Mutonyi D'ujanga ist betroffen über die Eskalation. „Reden ist immer besser als Gewalt! Alles kurz und klein zu schlagen, ist keine gute Art des Protests. Es ist okay, für seine Rechte zu kämpfen, aber friedlich“, sagt sie und zerrt energisch ihr schwarz-weiß gemustertes Kleid glatt.

Die internationalen Studenten sind wohl auch ihrer Ansicht, sie halten sich aus dem Straßenkampf heraus, so gut es geht. Etwa 3.000 von ihnen sind an der Mak eingeschrieben, darunter sieben Deutsche. Zu ihnen zählt Manuel Müller. „Ich wollte in Uganda neue Menschen treffen und möglichst viel über ihre Kultur lernen“, berichtet der 25-Jährige, der später für NGOs tätig sein will. In Deutschland studiert er Agrarwissenschaften in Bonn. „Die meisten Fächer hier an der Makerere sind sehr interaktiv aufgebaut“, erläutert der Austauschstudent. Im Grunde ist er von dem Studium in Ugandas Hauptstadt Kampala angetan, er findet die kleinen Kurse und die häufigen Exkursionen sehr positiv. Und eigentlich ist er auch beeindruckt davon, wie kompromisslos die Studierenden hier für ihre Bildung kämpfen.

Was er an diesem Tag aus sicherem Abstand wahrnimmt, stößt bei Müller allerdings auf Ablehnung. Eine deutsche Kommilitonin wurde in die Krawalle verwickelt und mit Glasscherben und Steinen beworfen, bevor sie in einem kleinen Laden Unterschlupf fand. Man werde leicht von den einheimischen Studenten attackiert, wenn man sich, egal welcher Herkunft, weigert, am Protest zu beteiligen, erzählt Müller. „Aber ich will Eskalationen aus dem Weg gehen, deshalb bin ich immer gut informiert, wann welche Partei welche Aktionen plant.“ Er ist froh, dass in Deutschland verbeamtete Hochschullehrer nicht so einfach in den Streik treten können. Überhaupt habe er „erst hier gelernt, ein funktionierendes Bildungssystem zu schätzen“. Obwohl ihm Uganda als Land besser gefallen hat als erwartet, ist er von der Uni enttäuscht.

Die Entwicklung der nächsten Wochen vertiefen diesen Eindruck des Austauschstudenten. Präsident Museveni ordnet an, dass die Mak nach dem Aufruhr „aus Sicherheitsgründen auf unbestimmte Zeit“ geschlossen wird. Prüfungen werden abgesagt, Studenten aus dem Ausland gebeten, in ihre Heimatländer zurückzukehren. Die sieben Deutschen lassen sich aber nicht so schnell entmutigen und ignorieren den Aufruf erst einmal. Aber sie sind besorgt um ihre Klausuren und Credit Points. Auch die Partneruniversitäten in Deutschland haben keinen Einfluss auf die akute Situation, sie werden sich allenfalls vornehmen, keine Studenten mehr nach Kampala zu entsenden.

Manuel Müller wurde nicht über seine Uni vermittelt, er hat sich selbständig um Stipendien bemüht, an einem Vorbereitungsseminar teilgenommen und mit einem Studienberater ein Learning Agreement, eine Art Studienvertrag, abgeschlossen. Er hofft, dass er bereits erbrachte Leistungen in Bonn anerkennen lassen und eventuelle Mängel in Absprache mit den dortigen Dozenten beheben kann.

Und dann geht es doch schneller als erwartet: Am 24. Dezember nimmt die Uni offiziell wieder ihren Betrieb auf, zwei Tage später sitzen die Dozenten wieder hinter ihrem Schreibtisch. Ein Konzept des Untersuchungskomitees fehlt zwar immer noch, dafür haben sie nach altbewährter Methode Lohnnachzahlungen und einen Vorschuss erhalten.

Auch im Kikoni-Viertel ist man zum Alltag zurückgekehrt. Die Studenten haben ihre roten Westen verstaut. Die Straßenstände sind wieder ausgebessert worden, ein Kinderchor schmettert traditionelle Lieder, dazu ertönt aus einem Radio ein „Baby, Baby“ von Justin Bieber.




Quelle: Gebende Hände-Redaktion; nach einer Information von: „Süddeutsche Zeitung“, sueddeutsche.de

Schlagwörter: Uganda, Studenten, Bildung, Universität, Dozenten, Streik, Gehalt, Demonstration, Krawalle, Bildungsministerium, Kampala, Makarere, Wut, Polizei, Gewalt, Yoweri Museveni, Janet Museveni, Austauschstudenten, Klausuren, Lehrbetrieb, Bildungssystem, Jugend