Uganda: Wo Kinder zu Menschenopfern werden

Meldung vom 17.01.2017

In Uganda werden immer noch Menschenopfer gefordert. Besonders Kinder werden schnell zum Angriffsziel. Die Kleinen werden ermordet, weil ihre Körperteile für magische Rituale benötigt werden. Die Körperteile werden für viel Geld an Kunden sogenannter Heiler verkauft – angeblich soll damit Gesundheit oder Reichtum herbeigeführt werden. Die meisten Kinder bezahlen diese grausamen Übergriffe mit dem Leben.

Die siebenjährige Milly und ihr Bruder Taiba (15) kehrten eines Tages nicht mehr nach Hause zurück. Zwei Tage nach ihrem Verschwinden im Oktober 2016 wurden ihre Leichen in einem Sumpf unweit ihres Elternhauses entdeckt. Ihre Zungen waren herausgeschnitten, berichtet Shelin Kasozi von der christlichen Kinderhilfsorganisation KCM in Uganda. Sie seien vermutlich von skrupellosen Medizinmännern getötet worden, die in ihren Ritualen mit menschlichen Körperteilen hantierten.

Die große Mehrheit der Bevölkerung des ostafrikanischen Landes gehört dem christlichen Glauben oder der muslimischen Minderheit an. Trotzdem sei es für etwa 80 Prozent der Ugander nicht ungewöhnlich, traditionelle Heiler zu konsultieren, schätzt der Anthropologe Epajjar Ojulu von der Uganda Christian University in Mukono. Die Heiler verwenden Kräuter und Wurzeln, es können aber auch Hühner, Ziegen oder Schafe als Opfer dargebracht werden.

Die Hexendoktoren singen oder bemühen sich, mit Glocken und Rasseln mit den Geistern der Vorfahren in Kontakt zu treten, erklärt Ssemjija Batale, der selbst Heiler ist. „Der Geist verordnet die Medizin, die der Patient nehmen soll, oder schreibt vor, was er tun muss, um an Geld zu kommen.“ Die Menschen wenden sich an Heiler, um von Krankheiten befreit zu werden, um Reichtum und Macht zu erringen, oder um einen Ausweg aus der Armut zu erbitten. In drastischen Fällen sagen die Medizinmänner Hilfe durch Menschenopfer zu.

„Körperteile von Menschen gelten als wirksamster Bestandteil in der Magie“, erläutert Ojulu. Manche Hexendoktoren attackieren ihre Opfer selbst, andere schicken ihre Kunden zu Mittelsmännern, die dann die gewünschten Körperteile auftreiben, wie Kenner der Szene berichten. Der Preis sei Verhandlungssache, könne sich aber umgerechnet auf mehrere Tausend Euro belaufen.

Eine Zunge solle etwa Feinde unschädlich machen, Genitalien wird zugeschrieben, Impotenz oder Unfruchtbarkeit aufzuheben, sagt Ojulu. Auch Gliedmaßen, Augen, Zähne, Finger oder Herzen würden zum Kauf angeboten, heißt es in einem Bericht der Kinderrechtsorganisation KidsRights. Laut Polizei werden auch Erwachsene für rituelle Zwecke umgebracht. Kinder sind aber KidsRights zufolge leichter zu überwältigen. Außerdem würde ihnen Reinheit zugeschrieben, sagt Ojulu.

Die Mehrheit der geschätzt drei Millionen Heiler in Uganda ist gegen diese Praxis: „Menschenopfer sind nicht Teil unserer Kultur“, meint der Heiler Swaiby Lugayizi. Trotzdem wächst die Zahl der Fälle. Laut Polizei wurden 2014 in Uganda 13 Kinder für solche Zwecke ermordet. Allein von Mai bis November 2016 sind laut KCM 19 Kindermorde zu beklagen. Hilfsorganisationen gehen zudem von einer hohen Dunkelziffer aus.

Die Gründe für den Anstieg sind nicht so leicht zu fassen. Die stärkere Sehnsucht nach Wohlstand könnte ein Faktor sein, glauben Experten. Außerdem würde solchen Verbrechen kaum nachgegangen. Andererseits könnten Aufklärungskampagnen bewirkt haben, dass mehr Fälle zur Anzeige gebracht wurden. Meldungen über Kinderopfer hört man auch aus anderen afrikanischen Staaten wie Botswana, Südafrika, Simbabwe, Nigeria oder Tansania.

Die ugandische Polizei rief 2009 eine Spezialeinheit zur Bekämpfung von Menschenopfern ins Leben. Doch diese verfügt weder über ausreichend finanzielle noch über personelle Mittel, kritisiert KidsRights. Seit 2012 konnten insgesamt nur drei Täter ins Gefängnis geworfen werden.

Es gibt aber auch einige Kinder, die diese Verbrechen überleben – KCM nimmt sich solcher Opfer an: „Diese Kinder sind gewöhnlich in einem furchtbaren Zustand. Sie schreien in Alpträumen und leiden unter Halluzinationen“, erklärt Kasozi, die im Dorf Kyampisi nordöstlich von Kampala für die Kinder sorgt. Seit 2006 wurden dort Dutzende therapeutisch betreut.

Robert ist eines von acht Kindern, die derzeit in der Einrichtung untergekommen sind. Der heute Achtjährige wurde 2013 im Haus seiner Großmutter ohnmächtig in einer Blutlache entdeckt. „Wir glauben, dass Roberts Angreifer ihm viel Blut abgenommen haben“, berichtet Kasozi. Sie ist sich auch sicher, dass er zu Boden geschleudert wurde und dabei eine Wirbelsäulenverletzung erlitt, die eine Lähmung zur Folge hatte.

Die zehnjährige Hope, der im Alter von 18 Monaten ein Teil ihrer Zunge entfernt wurde, musste nach ihrer Verstümmelung acht Monate im gefesselten Zustand aushalten. Seitdem kann sie nicht mehr laufen. Außerdem nahm wohl ihr Gehirn Schaden und sie kann sich nur noch durch vage Geräusche verständigen, sagt Kasozi: „Die Therapeuten versuchen, ihr Vertrauen in andere Menschen wieder aufzubauen.“


Quelle: „Tiroler Tageszeitung“, www.tt.com