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Nicaragua: Chinas Gespensterprojekt

 
Meldung vom 24.04.2017

In Nicaragua wie auch gesamt Lateinamerika geschieht eine schleichende zweite Kolonialisierung. Der neue Kolonialherr ist China. Chinesische Investoren zwängen sich mit Macht in den Hinterhof der USA. Der geplante Bau des Nicaraguakanals soll den Weg bahnen für ihre strategischen Handelsinteressen in Amerika – und das um jeden Preis. Die Fischer und Kleinbauern am Nicaraguasee sind in großer Sorge um ihre Existenz, Umweltschützer bangen um das sensible Ökosystem.

Sogar das Tanzen geht nicht an „Comandante Daniels“ Augen vorbei. Die Ferien haben begonnen am Nicaraguasee. Die lokalen Organisatoren haben einen übergewichtigen Moderator im hautengen T-Shirt angeworben, über die Lautsprecher am noch fast leeren Strand Teenager für einen Tanzwettbewerb zu begeistern. Ein paar junge Mädchen lassen sich darauf ein. Wer sich vor einem überlebensgroßen Plakat des Präsidentenpaares Daniel Ortega, genannt Comandante, und seiner Frau Rosario Murillo besonders gut auf der Tanzfläche behaupten kann, erhält ein weißes T-Shirt mit der Aufschrift „Nicaragua Sommer 2017“.

Sorglos geht es zu in Puerto San Jorge. Von hier aus stechen die Ausflugsfähren mit Namen wie „Che Guevara“ zur See, ihr Ziel ist die nahe gelegene Insel mit dem Vulkan Concepción. Die Besatzung muss all ihre Kräfte einsetzen, um einen wackeligen Lkw über die Ladefläche auf den Kahn zu manövrieren, ein paar Touristen stehen am Rand und nehmen das kleine Spektakel mit ihren Handys auf. Auch hier darf der Comandante nicht fehlen. Am Ortseingang von San Jorge und am Durchfahrtstor zum Fährhafen – kein Winkel in Nicaragua, in der Ortega seinen Untertanen nicht lächelnd und aufmunternd von überlebensgroßen Plakaten zuwinkt. Man hat sich an seine Omnipräsenz gewöhnt – er ist Teil jeder Familie, des allgemeinen Dorf- und Stadtlebens.

Christlich, solidarisch und sozialistisch lautet das Motto des einflussreichsten Politikerpaares Mittelamerikas. Zehntausende Male muss man sich das auf Plakaten im ganzen Land vor Augen führen. Man wird überall damit konfrontiert – auf Parkbänken, auf Verkehrsinseln und an Ortseingängen. Ortega und Murillo sind nicht nur allgegenwärtig in der Bevölkerung, sondern auch die wichtigsten Kollaborateure für die chinesischen Investoren, die das Land ausgesucht haben, um ein lukratives Bauprojekt zu verwirklichen. Verläuft alles nach Plan des chinesischen Unternehmens HK Nicaragua Development (HKND-Group), dann sollen in Zukunft nicht nur in die Jahre gekommene Touristenfähren über den Nicaraguasee dümpeln, sondern auch die neuesten Modelle von Supertankern und Frachtern.

Die Pläne des „grande Canal“, wie der Kanal offiziell heißt, sind von riesigem Ausmaß: 278 Kilometer lang und zwischen 230 und 280 Meter breit soll die neue Wasserstraße nach der Vorstellung der Bauherren ausfallen. Sie ist das größte Versprechen der Ortega-Diktatur an das Volk. Das 50-Milliarden-Projekt soll der armen Region Wohlstand und Arbeitsplätze bescheren. Der gerade erst erweiterte Panama-Kanal dient als Vorbild, in Nicaragua soll aber alles übertroffen werden.

„Wir haben die Absicht, im Hafen von Brito mit den Arbeiten im ersten Halbjahr 2017 zu beginnen“, lautete es in der aktuellsten Stellungnahme der HKND-Group zu Jahresbeginn. Hinter der Unternehmensgruppe verbirgt sich der chinesische Milliardär Wang Jing. Bislang jedoch treten die Investoren aus Hongkong wenig christlich, sozialistisch und noch weniger solidarisch auf, denn registriert ist das Firmenkonstrukt, das zur Finanzierung des Kanals ins Leben gerufen wurde, im Steuerparadies Cayman Islands.

Zur Strategie der Geldgeber und des Präsidentenpaares gehört es zudem offensichtlich, die Bevölkerung in Nicaragua möglichst wenig über ihre Pläne zu informieren. Murillo, die nach den letzten Wahlen von der Regierungssprecherin zur Vizepräsidenten avancieren konnte, machte jüngst nur vage Andeutungen über die weitere Finanzierung des Mega-Projekts. „Die Republik Taiwan bietet der Republik Nicaragua technische und finanzielle Zusammenarbeit beim Bau eines Hafens an der Karibikküste an“, ließ Murillo vor wenigen Tagen wissen. Diese Aussage wiederum lässt aufmerken. Mit einem chinesischen Investor zu kooperieren, der in Übereinstimmung mit der Regierung in Peking handelt und gleichzeitig mit Chinas politischem Intimfeind Taiwan beim gleichen Projekt zusammenzuarbeiten, ist politisch gesehen eine tickende Zeitbombe. Der Nicaraguakanal soll eine Plattform für die strategischen Handelsinteressen Chinas in der Region schaffen, da der Panamakanal dem amerikanischen Einflussbereich zugeordnet wird. Eine eigene Handelsroute würde China vom Nadelöhr in Panama unabhängig machen.

Die Pressestelle der HKND-Group jedoch reagiert kaltblütig auf die Unruhen im Land. Niemand geht auf Anfragen ein, die Telefonleitungen sind nicht besetzt, E-Mails bleiben wiederholt unbeantwortet. Eine offizielle Telefonnummer für Anfragen besorgter Bürger oder interessierter Journalisten wurde nie eingerichtet. Lokale Medien erklärten zuletzt, dass die Investoren ihre Präsenz im Land stark beschnitten hätten. Der Vertrag mit einer Kommunikationsagentur, die sich um die Presse hätte kümmern sollen, kam nicht zustande.

„Gespensterprojekt“ – so lautet der inoffizielle Name des Nicaraguakanals. Kritiker bezweifeln, dass das Bauprojekt, das viel zu groß sei für das kleine Land, jemals zu Ende geführt wird. Umweltschützer warnen erst recht vor dem Kanal. „Der Nicaraguasee ist eines der größten Trinkwasserreservoirs Lateinamerikas. Ihn zu beschützen ist eine der wichtigsten Aufgaben der Umweltschutzbewegungen des Landes“, meint Rosario Sáenz Ruiz von der Stiftung Fundenic, die zu den Kanalkritikern gehört.

Für heute haben Kleinbauern und Umweltschützer daher zur insgesamt sechsten Demonstration gegen den Kanal aufgerufen. „Wir hoffen auf eine große Beteiligung, aber die Menschen haben Angst, sich dem Projekt zu widersetzen“, erklärt Sáenz Ruiz. Sie weiß von Einschüchterungsversuchen sowie von zugedrehten Geldhähnen für die Umweltbewegungen.

Dabei könnte das Projekt den Menschen vor Ort auch zu einem guten Einkommen verhelfen. Entlang der Strecke sind riesige Häfen und Hotels vorgesehen, Zehntausende neue Arbeitsplätze sollen geschaffen werden. Doch die Kehrseite der Medaille: Der Knebelvertrag für 50 Jahre erlaubt den Investoren de facto einen Allmachtsstatus einzunehmen. Auf einem mehrere Kilometer breiten Korridor können die Betreiber faktisch nach eigenem Gutdünken über die Umsiedlungen von Dörfern und die Enteignung von Kleinbauern bestimmen.

Genau hier, weit weg von den Schaltzentralen der Macht in Hongkong und Managua, regt sich jedoch die Gegenwehr von Kleinbauern und Umweltschützern. „Es gibt viele, die sagen, dass auch das Präsidentenpaar davon wirtschaftlich profitieren könnte“, kritisiert Sáenz. Die lokale Zeitung La Prensa weiß von millionenschweren Beteiligungen des Präsidentenpaares an Unternehmen und Holdings. Im sozialistischen Nicaragua kann man offenbar prima kapitalistische Geschäfte abschließen.

Die Wasserstraße ist nur ein Beispiel für einen großen strategischen Plan chinesischer Investoren im „Hinterhof der USA“ eigene Machtansprüche auszuweiten. Während die Vereinigten Staaten in den vergangenen Jahren in Lateinamerika kontinuierlich Boden verloren haben in Bezug auf Politik und Wirtschaft, spinnt China still, heimlich und kontinuierlich sein Netz in dieser Region.

In Ecuador beispielsweise sperrte Präsident Rafael Correa den Amazonas-Regenwald einfach ab, und ließ chinesische Unternehmen dort walten, trotz heftiger Proteste der indigenen Bevölkerung. Die Chinesen bohrten nach Öl. Niemand konnte sich ein Bild davon machen, was in den ökologisch sensiblen Gebieten genau passiert und ob den Menschen dort geschadet wurde. In Paraguay, wo sich chinesische Investoren ganze Landstriche für eine landwirtschaftliche Massenproduktion unter den Nagel gerissen haben, kommt es zu ganz ähnlichen Szenarien. Und auch in Nicaragua wird die Bevölkerung im Ungewissen darüber gehalten, was genau die Chinesen mit dem Nicaraguasee vorhaben.

Stattdessen bricht Gewalt aus, wenn Gegner des Nicaraguakanals auf die Straße gehen. „Die ersten Protestmärsche wurden mit harter Polizeigewalt beantwortet“, berichtet Sáenz Ruiz. Inzwischen sind die „Campesinos“, die angesichts bevorstehender Zwangsenteignung in großer Sorge sind, und die Umweltschützer ziemlich auf sich selbst gestellt. Die katholische Kirche hätte sich anfangs noch für sie stark gemacht, sagt Sáenz Ruiz. Begeistert hätten sie die Umweltenzyklika von Papst Franziskus aufgenommen. „Wir waren glücklich, als dieses Schreiben veröffentlicht wurde, hat es uns doch inhaltlich bestätigt.“ Doch inzwischen hat auch die Ortskirche klein beigegeben. Sie hat sich bis auf wenige Ausnahmen mit dem Ortega-Clan arrangiert. „Wir sind auf uns allein gestellt“, betont Sáenz Ruiz. Allein im Reich des allgegenwärtigen Comandante Ortega.






Quelle: Gebende Hände-Redaktion; nach einer Information von: „Welt Online“, welt.de

Schlagwörter: Nicaragua, Kanal, Daniel Ortega, China, Investoren, Umwelt, Umweltschützer, Zwangsenteignung, Kolonialherren, Kolonialisierung, USA, Einfluss, Panama Kanal, Nicaraguakanal, Nicaraguasee