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Indien: Brutstätte für multiresistente Keime

Meldung vom 23.05.2017

Für die Medizin ein Alptraum: Eine Welt, in der Antibiotika nicht mehr wirken. Eine Lungenentzündung, Scharlach oder Kindbettfieber könnten dann wieder mit dem Tod enden. Doch die neue Bedrohung, verursacht durch multiresistente Keime, ist keineswegs eine apokalyptische Zukunftsvision. Schon heute sterben weltweit jährlich hunderttausende Menschen deswegen. Und die Situation verschlimmert sich.

Das Wasser des Musi bildet an einer Stelle große unnatürlich weiße Schaumkronen. Am Ufer laufen streunende Hunde umher. Der Fluss strömt durch die indische Großstadt Hyderabad, die weltweit vor allem für eins bekannt ist: Sie ist der größte Ort für die Massenproduktion von Medikamenten. Pharmahersteller aus der ganzen Welt haben ihre Produktion nach Hyderabad verlegt oder dort die Herstellung von Medikamenten in Auftrag gegeben.

Auch fast alle großen deutschen Pharmakonzerne lassen sich von dort aus mit Antibiotika und Pilzmitteln beliefern. In Deutschland selbst werden die Medikamente dann nur noch verpackt und Stichproben durchgeführt. Das genügt, um auf die Verpackung damit werben zu können, dass dieses Medikament von einem deutschen Hersteller stammt.

Im Musi vermischen sich kommunale Abwasser und Abwasser aus der Pharmaindustrie zu einer giftigen Brühe. Bauern leiten diese Abwässer auf ihre Felder. Wird so die gesamte Umgebung kontaminiert? Um dieser Frage nachzugehen, entnahm das Team, dem auch Dr. Christoph Lübbert vom Universitätsklinikum Leipzig angehörte, hier und an weiteren Stellen der unmittelbaren Umgebung Proben.

„Es ist verheerender, als angenommen“, stellt Lübbert in seiner Dokumentation fest. In allen Proben entdeckte man „Unmengen von Bakterien, die Unmengen von Resistenzgenen tragen und zwar der allerschlimmsten Sorte“. Alle Proben hätten das gleiche schlimme Resultat erbracht: „Wir finden sie im Reisfeld, im Waschbecken eines Imbissstandes, auf der Herrentoilette des Stadtparks, im Stadtpark selbst, im Oberflächenwasser eines großen Krankenhauses in Hyderabad und in extremster Form im Musi River.“

Viele Pharmafabriken verunreinigen mit ihren Abwässern die Flüsse und damit die Umwelt. Da die Industrieabwässer nicht geklärt werden und die Abwasserreinigung in Indien insgesamt zu wünschen übrig lässt, mischen sich dort Antibiotikareste mit Keimen. Die Bakterien in den Gewässern können sich rasend schnell anpassen und entwickeln innerhalb kürzester Zeit Abwehrmechanismen gegen Antibiotika. Sie werden resistent und vermehren sich in sehr hohem Tempo – ein Brutbecken für Supererreger ist geschaffen.

Über das Wasser oder die Nahrung werden Mensch und Tier von den resistenten und übertragbaren Bakterien erfasst – zumeist gelangen sie erst auf die Haut, dann aber auch in den Magen-Darm-Trakt. Gerne siedeln sie sich im Darm an. Erkrankt ein Mensch an diesen multiresistenten Keimen, sind gängige Antibiotika bei ihm nicht mehr wirksam.

Auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) schlägt Alarm und weist auf die Gefahr von antimikrobiellen Medikamenten hin. Sie sei keine Bedrohung der Zukunft mehr, sondern sei bereits in der Gegenwart angekommen. Bei der Vorstellung des ersten WHO-Reports zur Resistenzproblematik 2014 erklärte der stellvertretende Generaldirektor Keiji Fukuda, man müsse bereits von dem Beginn einer Post-Antibiotika-Ära sprechen.

Sie würde den Rückfall in eine Welt vor Alexander Flemings weltverändernder Erfindung bedeuten – der Bakteriologe wurde mit dem Nobelpreis für die Mitentdeckung von Antibiotika geehrt. Krankheiten, von denen man glaubte, man hätte sie inzwischen längst besiegt, könnten mit großer Wucht zurückkommen.

Die Forscher hegen inzwischen einen schlimmen Verdacht: Begünstigen die Pharmakonzerne, die lebenswichtige Medikamente produzieren sollen, die Entstehung der todbringenden Supererreger? Tatsache ist: Aufgrund des enormen Preisdrucks bei der Produktion von Medikamenten werden diese heutzutage kaum mehr in Europa hergestellt. Viele Krankenhäuser klagen schon über Engpässe, denn nicht immer gelingt es den Herstellern in Indien und China, sich an zeitliche Vorgaben zu halten. So kann es schon jetzt geschehen, dass ein Krankenhaus ein lebenswichtiges Antibiotikum nicht mehr vorrätig hat, weil kein Nachschub gekommen ist und in Deutschland kein Pharmakonzern das Medikament mehr herstellt. Unhaltbare Zustände!

Etwa 90 Prozent der Grundstoffe für Antibiotika weltweit stammen aus China. Von dort werden sie beispielsweise nach Indien importiert und unter mangelnden Sicherheitsstandards für den Weltmarkt weiterverarbeitet. „Wir holen uns das Problem, das wir exportiert haben, über den Import von resistenten Mikroorganismen durch Reisen, Flugverkehr von Waren und so weiter wieder zurück. Die kommen dann irgendwann bei den kranken Menschen im Krankenhaus an“, prognostiziert Christoph Lübbert. Auch Zugvögel können die Bakterien nach Europa einschleppen, lautet es in der Dokumentation.

Das Problem ist erst jetzt allmählich ins Blickfeld der Forschung gerückt, damit werden die Experten wohl noch eine ganze Zeit zu kämpfen haben. Und während noch nach Lösungen gesucht wird, arbeiten die Bakterien unerbittlich weiter an ihrer Resistenz.




Quelle: „Web.de“, www.web.de

Schlagwörter: Indien, multiresistente Keime, Antibiotika, Pharma, Medikamente, Pharmakonzerne, Hyderabad, Abwässer, Klärwerk, Abwasser-Technologie, Supererreger, Krankenhaus, Medizin, Erkrankung, China, Import, Herstellung, Weltmarkt, Bakterien, Flüsse, Felder, Weltgesundheitsorganisation, WHO, Alexander Fleming, Infektion, Zugvögel, Verbreitung, Nahrungskette