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Kenia: Kenia setzt aufs Kamel

Meldung vom 20.06.2017

Die Dürre hält den Norden Kenias in ihrem Griff. Einige Viehzüchter haben sich daher vermehrt auf die Kamelzucht umgestellt. Die Tiere können mit weitaus weniger Wasser als Rinder auskommen und die Milch enthält mehr Nährwerte. Gleichzeitig werden dadurch Stammeskonflikte um Weideflächen entschärft.

So ganz wohl fühlt sich Peter Ekua noch nicht, wenn er jetzt den Haufen blökender Kamele betrachtet. Ein wenig hilflos fuchtelt der 32-Jährige vom Stamm der Samburu mit seinem deutschen G3-Sturmgewehr in der Luft herum. Der Boden hier im Norden Kenias ist rissig und hart vor Trockenheit, Ekuas Kamelherde von 18 Tieren kann sich oft nur an stacheligen Akazien gütlich tun.

Rinder bildeten in der Region bislang die gesamte Existenzgrundlage einer Familie. Der Besitz vieler Rinder kam auch einem Statussymbol gleich. Doch bei dem Klimawandel und den damit verbundenen Dürreperioden können die Kühe nicht mehr überleben – das Geschäft mit den Kamelen hingegen ist auf dem Vormarsch. Ekua hat sein Gewehr immer in Reichweite, um sich gegen Feinde zur Wehr zu setzen. Gewalt ist im Norden Kenias an der Tagesordnung. Waffen sind im ganzen Land zuhauf erhältlich. Sie werden aus den Krisengebieten der Nachbarländer eingeführt, etwa aus dem Südsudan oder aus Somalia.

Seit Menschengedenken verwickeln sich Rinderzüchter aus Kenias unwirtlichem Norden in bittere und blutige Fehden um ihr Vieh. Und wenn es wie derzeit eine verheerende Dürre gibt, dann gerät die Situation außer Kontrolle. Immer wieder verschlägt es bewaffnete Angreifer nach Isiolo rund 200 Kilometer nördlich der Hauptstadt Nairobi, um Rinder zu rauben. Erst im April 2017 ist es deswegen zu einem heftigen Schussgefecht in der Nähe gekommen, hundert Rinder wurden entwendet, zehn Menschen getötet. „Aber wer stiehlt schon ein Kamel?“, meint Ekua. „Die Kämpfer der Nachbarstämme lachen uns höchstens aus, wenn sie uns sehen.“

Der Konflikt wird von der Welt weitgehend ignoriert – es sei denn, die überwiegend weißen Farmer kommen zu Schaden, die zum Beispiel im nahen Bezirk Laikipia luxuriöse Safari-Lodges unterhalten. Etliche der Anwesen wurden von Samburu-, Pokot- oder Massaikriegern geplündert und gebrandschatzt.

Die Nomaden passen ihre Gewohnheiten nun langsam dem Klimawandel an. Die Stämme, die auf die Zucht von Kamelen setzen, genießen derzeit einigermaßen friedliche Zeiten, denn Kamele benötigen kaum Wasser. Immer häufiger kann man daher jetzt die Holzglocken der Kamele hören, die im Umland von Isiolo durch die trockene Landschaft ziehen und sich über die Sträucher und dorniges Gestrüpp hermachen.

Seit sechs Jahren bemühen sich Forscher, die Verbreitung der Kamele in Kenia zu fördern. „Jetzt könnte uns der Durchbruch gelungen sein“, so Ikiror, der aus Nairobi die Verbreitung der Tiere koordiniert. Die Zahlen der UN-Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation (FAO) untermauern seine These: Gab es im Jahr 2000 rund 700.000 Kamele in Kenia, stieg deren Zahl im Jahr 2014 schon auf über 2,9 Millionen. Mittlerweile geht man von über drei Millionen aus.

Die Dürre hat den Hunger auch nach Kenia zurückgebracht. Etwa jedes fünfte Kind im Bezirk Isiolo weist Symptome der Unterernährung auf. Kamelmilch aber gilt als besonders nahrhaft, hat beispielsweise wesentlich mehr Vitamin C als Kuhmilch zu bieten, dafür kaum Zucker und wird deshalb von Kamelfan Ikiror als ein „wahres Wundermittel“ gepriesen. Auch in Nairobis Cafés findet man verstärkt „Camelchinos“ und andere Kaffeegetränke mit Kamelmilch auf der Getränkekarte.

Zudem ist die Genügsamkeit der Kamele nicht nur ein Klischee. Schon im 19. Jahrhundert sagt der deutsche Zoologe Alfred Brehm begeistert: „Bei saftiger Pflanzennahrung kann das Kamel wochenlang das Wasser entbehren, falls es nicht beladen und besonders angestrengt wird und sich nach Belieben seine Pflanzen aussuchen kann.“ Im Norden Kenias haben inzwischen auch Hunderttausende Menschen nicht mehr ausreichenden Zugang zu sauberem Trinkwasser. „Während der letzten Trockenheit sind unzählige Rinder in Kenia verendet, doch die Kamele haben überlebt und gaben immer Milch – das spricht sich langsam herum“, erklärt Ikiror.

Die Tiere sind für Kameltreiber Ekua wohl noch gewöhnungsbedürftig, aber auch für ihn ist der Vorteil gegenüber den Kühen klar erkennbar: „Kühe saufen Wasser wie die Löcher“, gibt er lachend zu. Auch der britische Kamelexperte Piers Simpkin, der früher für die FAO tätig war und sich dann in Kenia für eine Kamelmilchproduktion engagiert hat, stimmt zu: „Während in einer schweren Dürre bis zu 80 Prozent der Rinderherden eingehen können, sterben bloß zehn bis sechzehn Prozent der Kamele.“ Die Kamele versprechen guten Profit: Ihre Milch wird nach Nairobi gebracht und dort hauptsächlich an Somalier verkauft. Ein anderer Teil wird zu Joghurt verarbeitet und bleibt in der Region.

„Anfangs waren die Leute misstrauisch, Kühe sind ihnen heilig und sie bezahlen bei der Heirat immer noch mit Rindern für ihre Frauen“, berichtet Ibrahim. „Aber mittlerweile haben sie die Tiere akzeptiert.“ Das gleiche widerfährt auch Anab Kassim. Seit einem Jahr hütet die 37-jährige Mutter von sechs Kindern gemeinsam mit ihrer Familie vier Kamele. „Drei Liter geben sie am Tag“, betont die Frau mit dem traditionellen bunten Halsschmuck der Samburu, „selbst in der größten Trockenheit“. Für eine Milchkuh mit Kalb in der Region muss man derzeit etwa 20.000 Schilling (180 Euro) bezahlen, aber ein Kamel gibt es nicht unter der dreifachen Summe. Die Anschaffung lohnt sich trotzdem.

Jeden Tag macht sich Kassim nun morgens auf und bringt die gelben Milcheimer zur Kooperative im Zentrum Isiolos. Kamele produzieren weniger Milch als Kühe, aber der Preis ist höher. 100 Schilling erhält sie pro Liter Kamelmilch, umgerechnet rund 89 Cent. „Das ist fast doppelt so viel wie für einen Liter Kuhmilch“, berechnet sie. „Und die Kuhkrieger lassen uns jetzt auch in Ruhe.“




Quelle: Gebende Hände-Redaktion; nach einer Information von: „n-tv“, n-tv.de

Schlagwörter: Kenia, Kamele, Kamelzucht, Dürre, Klimawandel, Vieh, Viehzucht, Rinder, Nomaden, Gefechte, Weideland, Wasser, Kuhmilch, Kamelmilch, Hunger, Unterernährung, Herden, Fehden