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Äthiopien: Chinesisch-afrikanisches Wirtschaftswunder

Meldung vom 23.06.2017

Äthiopien ist ein Land der Kontraste. Derzeit weist die Wirtschaft ein sprunghaftes Wachstum auf. Das Land hat das Potenzial, Kenia als größte Wirtschaftsmacht in der Region auszustechen. Doch noch hat ein Großteil der Menschen keinerlei Anteil an diesem Entwicklungsschub – Armut und Hunger prägen ihr Dasein. Und viele Herausforderungen sind bisher ungelöst.

Äthiopiens Regierung hatte allen Grund, an diesem Tag hochgestimmt zu sein: Am Dienstag (20.06.2017) weihte sie in Hawassa, etwa 250 Kilometer von der Hauptstadt Addis Abeba entfernt, einen riesigen Industriepark ein. Mit chinesischer Unterstützung wurden moderne Hallen errichtet, in denen hochwertige Leder- und Textilprodukte für den europäischen und den amerikanischen Markt angefertigt werden sollen. Die Pläne sehen vor, dass der Park schon in kurzer Zeit jährlich eine Milliarde US-Dollar generieren soll. Mehr als 60.000 neue Arbeitsplätze bringt der Park zusätzlich mit sich.

Die Anlage in Hawassa ist einer von 16 vorgesehenen Industrieparks, die künftig das Land zu einem attraktiven Produktionsstandort machen sollen. Der Ehrgeiz der Regierung ist groß: 2015 wurde die erste vollelektrische Straßenbahn südlich der Sahara in der Hauptstadt in Betrieb genommen. Bis 2020 soll ein 5.000 Kilometer langes Schienennetz entstehen, das Äthiopien mit den Nachbarländern und dem Hafen in Dschibuti verbindet. Im nächsten Jahrzehnt sollen fast alle Haushalte an das Stromnetz angeschlossen werden. Die Energie dafür soll der mächtigste Staudamm Afrikas am blauen Nil zur Verfügung stellen. Das Großprojekt soll sogar noch ausreichend Strom für den Export generieren.

Mit einem Bruttoinlandsprodukt von 800 US-Dollar pro Kopf zählt Äthiopien zu den ärmsten Ländern der Welt. Fast 6 Millionen Menschen brauchen dringend Nahrungsmittelhilfe. Aber mit der Wirtschaft geht es stark bergauf: Lange Jahre verbuchte das Land ein Wachstum zwischen 8 und 10 Prozent pro Jahr. Dadurch schnellt auch das Bruttoinlandsprodukt in die Höhe. Manche Beobachter rechnen damit, dass Äthiopien den Nachbar Kenia als wichtigste Wirtschaftsmacht der Region überholen könnte. 2014 nannte das Beratungsunternehmen Deloitte & Touch die Vorgänge in Äthiopien sogar ein „Wirtschaftswunder“.

Aber kann man dieser Aufwärtsbewegung trauen angesichts der politischen Spannungen, die das Land seit Oktober 2016 im Ausnahmezustand halten? Nach Krawallen hatte ihn die Regierung ausgerufen, Oppositionsproteste gewaltsam niedergeschlagen und zahlreiche Oppositionelle hinter Gitter gebracht. Seit den letzten Wahlen ist die Opposition im Parlament nicht mehr vorhanden. Auch die Internetnutzung wurde reglementiert. „Der verhängte Ausnahmezustand brachte wirtschaftlich einen Dämpfer und die Tourismusbranche hat sich davon noch nicht erholt“, gibt der äthiopische Unternehmensberater Estifanos Samuel zu. Die Regierung habe aber verstanden, das Vertrauen der Investoren weiterhin aufrecht zu erhalten. Samuel glaubt daran, dass Äthiopiens Erfolg von Dauer ist: „Äthiopien überrollt Kenia, weil die Regierung Großinvestitionen tätigt und Waren vor Ort produziert werden.“

Er rechnet vor: „Die Handelsbilanzen beider Länder sind bei den Exporten mit 4,5 Milliarden Euro identisch. Aber Kenia hat nur die Hälfte der Einwohner und importiert fertige Textilien. Äthiopien importiert zu 30 Prozent Teile oder Anlagen zur Produktion.“ Zwar habe Kenia seine Märkte weiter geöffnet, aber Äthiopien hole das gerade nach. Zudem kämpfe Kenia mit Korruption und den Attentaten der Terrorgruppierung Al-Schabaab.

Die Deutsche Außenhandelskammer in Kenia sieht Äthiopiens Aufschwung etwas nüchterner. „Wir sind vorsichtig optimistisch“, meint Direktorin Maren Diale-Schellschmidt. Die Wachstumsraten seien beachtlich. Aber dabei müsse man auch andere Aspekte berücksichtigen: „Äthiopien kommt von einem niedrigen Standard, und da sind die Wachstumsraten schneller höher. Ich glaube nicht, dass Äthiopien Kenia im Vergleich zum Bruttoinlandsprodukt überholt hat.“

Auch geht der Wohlstand noch an vielen vorbei: „Von der Infrastruktur profitiert jeder, aber die Wirtschaftsmacht liegt in den Händen einer gewissen Minderheit“, gibt Diale-Schellschmidt zu bedenken. „Es entsteht trotzdem ein Mittelstand und es gibt mehr Jobs für qualifizierte Mitarbeiter.“

Doch viele Probleme müssen noch angepackt werden. Eine wuchernde Bürokratie lähmt das Vorwärtskommen des Staates, Steuern und Abgaben sind hoch. Ausländische Devisen seien selten, was den Einkauf von wichtigen Technologien verhindere, kritisiert Diale-Schellschmidt. „Äthiopien ist kein wirklich freier Staat“, meint Diale-Schellschmidt. „Nachhaltigkeit wird es in Äthiopien geben, aber es ist ein langer Weg.“

Aktuell hat der äthiopische Ministerpräsident Hailemariam Dessalegn in Addis Abeba den chinesischen Außenminister Wang Yi empfangen. Wang teilte mit, die chinesisch-äthiopischen Beziehungen hätten sich in den vergangenen Jahren unter der gemeinsamen Leitung von Spitzenpolitikern beider Staaten umfassend und schnell entwickelt. Das Land Äthiopien sei vor allem Vorreiter für die chinesisch-afrikanische Kooperation geworden und entwickle sich zu einem guten Vorbild mit deutlichem Erfolg als Produktionsstandort. Äthiopien habe sich zudem als ein treuer Partner bei der Seidenstraßen-Initiative erwiesen. Beide Staaten hätten es erfolgreich verstanden, ihre Entwicklungsstrategie zur gegenseitig nutzbringenden Zusammenarbeit zu verknüpfen.




Quelle:  „Deutsche Welle“, dw-world.de

Schlagwörter: Äthiopien, Wirtschaftswunder, Wirtschaftswachstum, Entwicklung, Industrialisierung, Produktionsstandort, China, Investoren, Ausnahmezustand, Armut, Hunger, Industriepark, Infrastruktur, Infrastrukturprojekte, Verkehr, Außenminister, Wang Yi, Hailemariam Dessalegn, Addis Abeba, Besuch