Mexiko: Regierung horcht Oppositionelle aus

Meldung vom 04.07.2017

Ein großer Überwachungsskandal bringt derzeit die mexikanische Regierung in Verruf: Ein falscher Klick und schon kann man durch die Spionagesoftware Pegasus alles auf dem Handy mitlesen. In Mexiko kam sie gegen Oppositionspolitiker, Journalisten und Aktivisten zum Einsatz.

Die angeprangerten Zustände in Mexiko haben weitaus größere Ausmaße als bisher vermutet. Neben Journalisten, Menschenrechtlern und Wissenschaftlern sind auch drei führende Oppositionspolitiker mit der Spionagesoftware Pegasus überwacht worden. Das legt ein Bericht des Forschungsinstituts Citizen Lab dar. Ricardo Anaya Cortés, Roberto Gil Zuarth und Fernando Rodríguez Doval gehören zur konservativen Partido Acción Nacional. Zuarth hatte zum Zeitpunkt des Angriffes sogar das Amt des Senatspräsidenten inne. Im Juni und Juli 2016 erhielten alle drei mehrere Textnachrichten mit der Aufforderung, auf den enthaltenen Link zu klicken.

Die Nachrichten waren an sie persönlich adressiert und machten die Betroffenen etwa auf einen vermeintlichen Medienbericht aufmerksam, in dem ihr Name vorkommen würde. Bei Öffnung des Links wurde jedoch kein Artikel sichtbar. Stattdessen richtete sich die Spähsoftware Pegasus unbemerkt im Hintergrund ein, berichtet Citizen Lab. Das Programm kann Anrufe aufzeichnen, Passwörter abgreifen und an Dritte vermitteln, Audioaufnahmen erstellen und alle Nachrichten mitlesen. Auch Standortdaten und E-Mails werden ausgespäht.

Die Politiker hatten laut Medienberichten bei Citizen Lab angefragt, die verdächtigen Textnachrichten zu prüfen, nachdem die Forscher kürzlich über einen ähnlichen Angriff berichtet hatten. Vor einer Woche entlarvte Citizen Lab einen umfassenden Spähangriff auf mehr als ein Dutzend mexikanische Menschenrechtsaktivisten, kritische Journalisten und Wissenschaftler. Bei ihnen wurde ebenfalls die Spionagesoftware Pegasus angewandt – bei insgesamt 76 Abhörversuchen.

Wer der Drahtzieher der Angriffe ist, ist bislang unklar. Doch der Kreis der Verdächtigen ist überschaubar. Citizen Lab zufolge stammt Pegasus von der israelischen Firma NSO. Das IT-Unternehmen bietet die Software laut eigenen Angaben nur staatlichen Institutionen zur Bekämpfung von Terrorismus und Kriminalität an. Einer seiner Abnehmer ist Mexiko: Mindestens drei verschiedene Bundesbehörden haben seit 2011 für achtzig Millionen Dollar Überwachungssoftware bestellt, meldete die New York Times.

Die Betroffenen prangerten die mexikanische Regierung an, für die Angriffe verantwortlich zu sein und haben Anklage erhoben. Doch die Regierung gibt vor, die Anschuldigungen träfen nicht zu. Die Programme seien ausschließlich zur Bekämpfung von Terrorismus und Drogenkriminalität in Gebrauch. Um aufzudecken, wer hinter den Angriffen steckt, verlangen Journalisten und Aktivisten jetzt eine unabhängige Untersuchungskommission.

In Mexiko haben es Medienschaffende besonders schwer. Im letzten Jahr wurden dort laut New York Times mehr Journalisten ermordet als jemals zuvor in diesem Jahrtausend. Auf der Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen befindet sich Mexiko weit abgeschlagen auf Platz 147. Erstmals konnten die Forscher von Citizen Lab die Spähsoftware Pegasus im Sommer 2016 bei einem Angriff auf einen Menschenrechtsaktivisten in den Vereinigten Arabischen Emiraten ausmachen.


Quelle: „Netzpolitik“, www.netzpolitik.org