Kenia: Nach verpatzter Wahl steckt Kenia in einer Verfassungskrise

 
Meldung vom 26.09.2017

Kenia ist nach der richterlichen Annullierung des ersten Urnengangs in einer Verfassungskrise gelandet. Die Spannungen in dem Land, in dem die Meinungen stark auseinandergehen, nehmen weiter zu.

Kenias höchste Richter haben den Mut bewiesen, als erstes afrikanisches Gericht eine fragwürdige Wahl für ungültig zu erklären. Doch hat ihr Urteil einen der wenigen stabilen Staaten Ostafrikas in eine Verfassungskrise mit noch nicht einschätzbaren Konsequenzen abgleiten lassen.

Drei Wochen nach der Entscheidung des Höchsten Gerichtshofs in Nairobi wird immer klarer, dass der von der Verfassung vorgeschriebene Zeitplan für die Wiederholung der Wahlen nicht durchführbar ist, was die Unruhen in dem tief gespaltenen Land wieder auflodern lässt.

Die Opposition kündigte jüngst einen Boykott der Neuwahlen an, falls die kompromittierte Wahlkommission nicht ausgetauscht wird. Das wiederum lehnt Präsident Uhuru Kenyatta ab, auch würde durch eine personelle Neubesetzung der Termin für die Wahlwiederholung am 17. Oktober nicht mehr einzuhalten sein. Kenyatta beschuldigte die Richter jetzt, einen „Staatsstreich“ angezettelt zu haben: Ihr Urteil drohe alles zu zerstören, was das Land seit der Unabhängigkeit vor 55 Jahren aufgebaut habe.

Tags zuvor hatten die Richter des „Supreme Courts“ eine detaillierte Erläuterung für ihr historisches Urteil nachgeliefert, in der die Wahlkommission sehr schlecht wegkam. Diese habe schon alleine dadurch gegen die Verfassung verstoßen, dass sie Kenyatta als Wahlsieger ausgerufen habe, ohne dass alle Stimmen geprüft worden seien. Mit ihrer Weigerung, vom Gericht benannten Experten Zugang zum elektronischen Wahlsystem zu gestatten, habe die Kommission auch den Verdacht der Opposition bestärkt, dass Hacker sich Zugang zu dem System verschafft hätten und die Wahlergebnisse womöglich verfälscht worden seien. Jedes „vernünftige“ Gericht müsse solche Verstöße als verfassungswidrig einstufen, verteidigte sich der Oberste Richter David Maraga.

Den Angaben der Wahlkommission zufolge verbuchte Kenyatta im ersten Wahlgang am 8. August 54 Prozent der Stimmen für sich und stand überraschend deutlich als Sieger über seinen Herausforderer Raila Odinga (45 Prozent) da. Bald kam aber zu Tage, dass gut ein Fünftel der abgegebenen Stimmen nicht sachgerecht erfasst wurden und nicht nachprüfbar waren: Die auf Papier notierten Ergebnisse einzelner Wahlbezirke wurden nicht an die Zentrale gesandt oder trafen erst nach der Bekanntgabe des angeblichen Wahlsiegers ein.

Trotzdem er nun in Verruf geraten ist, weigert sich Kommissionspräsident Wafuli Chebukati, zurückzutreten. Stattdessen hat er inzwischen sechs seiner Topmanager entlassen. Dem National Super Alliance (Nasa) genannten Oppositionsbündnis unter Raila Odinga reicht das nicht: Es verlangt ein Strafverfahren gegen einzelne Mitglieder der Kommission sowie einen kompletten personellen Austausch.

In diesem Fall wäre der Plan, Neuwahlen in der von der Verfassung gesetzten Frist bis Ende Oktober abzuhalten, gescheitert. Auch gab die für das elektronische Wahlsystem verantwortliche französische Firma OT-Morpho an, sie benötige für die Neukonfiguration des Systems mindestens einen Monat Zeit. Der Druck neuer Stimmzettel nimmt womöglich noch mehr Zeit in Anspruch. Schon jetzt muss sich Kenyatta einer Legitimationskrise stellen: Die Opposition boykottierte die Parlamentseröffnung, weil sie die Wahl der Abgeordneten nicht anerkennen kann.

Unterdessen brodelt es in dem fast 50 Millionen Einwohner zählenden Land weiter. Vor dem Höchsten Gerichtshof finden immer wieder Demonstrationen von Anhängern der Regierung oder der Opposition statt: Letztere trieb die Polizei am Mittwoch (20.09.2017) unter dem Einsatz von Schlagstöcken und Tränengas auseinander. Richter Magara appellierte an die Polizei, die Justizbeamten besser zu schützen. Sie würden derzeit massiv bedroht. Zwei Politiker wurden bereits wegen „Hassreden“ festgenommen. Einer von ihnen, ein Mitglied des Regierungsbündnisses Jubilee, hatte seine Gefolgschaft aufgerufen, Anhänger des Oppositionschefs Raila Odinga zu „jagen“.




Quelle: Gebende Hände-Redaktion; nach einer Information von: „Frankfurter Rundschau“, FR-online.de