Indien: Die neue Steuerreform – Modis zweiter Coup in Sachen Finanzen

Meldung vom 06.11.2017

Seit dem ersten Juli dieses Jahres muss Indien mit einem weiteren großen Einschnitt in Sachen Finanzpolitik zurechtkommen. Der unermüdliche Premier Narendra Modi hat dem Land die größte Steuerreform seiner Geschichte aufs Auge gedrückt. Schon jetzt stellt sich heraus: sie war gut gemeint, doch desaströs geplant und umgesetzt. Aber auch dieser zweite große Lapsus von Modi wird wohl Indiens Aufstieg zur wirtschaftlichen Großmacht höchstens ein wenig verlangsamen. Doch es handelt sich um einen Wohlstand, an dem die Armen nicht teilhaben.

Doch zunächst kämpfen die Inder mit dem Chaos. Dass die indischen Behörden anbieten, die Steuererklärung online auszufüllen, bringt wenig Erleichterung, da das System zum monatlichen Stichtag der Abgabe hin regelmäßig überlastet zusammenbricht.

Zur Erinnerung: Im November letzten Jahres hatte Narendra Modi über Nacht alle großen Bargeldnoten für ungültig erklärt. Doch Modis Hauptbegründung für den wenig durchdachten Rupien-Coup – dem Schwarzgeld Einhalt zu gebieten – wurde durch die Fakten lächerlich gemacht: 99 Prozent der Geldscheine wurden umgetauscht. Damit wurden frühere Daten aus dem Finanzministerium bestätigt, die darlegen, dass das Bargeld nur etwa 4 bis 7 Prozent des gesamten Schwarzgeldes ausmacht.

Obwohl die Regierung gegensteuerte und große Mengen an Geld in die Märkte pumpte, schrumpfte das Wirtschaftswachstum von über 7 % vor der „demonetization“ auf aktuell 5,7 Prozent. Betroffen waren vorwiegend die Farmer und die kleinen und mittelgroßen Unternehmer: Sie mussten Umsatzeinbußen von bis zu 80 Prozent verkraften.

Und nun wird das Land mit einer Steuerreform konfrontiert: „Ich muss jetzt zehnmal mehr Zeit für die Steuererklärung aufwenden als vorher“, erklärte ein kleiner Textilhändler in Delhi – und ein Händler an der Howrah-Brücke in Kolkata kritisierte, dass er jetzt einen Steuerberater bezahlen muss. Noch größeres Kopfzerbrechen bereitet den kleinen und mittleren Händlern die Aussicht, dass sich die Steuerbehörden eine viel längere Bearbeitungszeit herausnehmen als vorher. Da die Unternehmer die Umsatzsteuer im Voraus entrichten müssen, müssen sie teilweise Monate auf die Rückerstattung warten. Auch dass die indischen Behörden anbieten, die Steuererklärung online auszufüllen, hat keinen Nutzen, da das System zum monatlichen Stichtag der Abgabe hin regelmäßig überlastet kollabiert.

Nun versucht Modi mit Hilfe ihm höriger Medien beim einfachen Teil der Bevölkerung für seine Umsatzsteuer GST (Goods and Service Tax) zu werben. Doch selbst sein Slogan „Ein Land, eine Steuer“ ist trügerisch. Man hat es nicht nur mit einem Wust von verschiedenen Steuersätzen (5%, 12%, 18% und 28%) zu tun, sondern auch mit einer Reihe von Ausnahmen (Gold 3%) und Doppelbesteuerungen. Viele kleine Händler sind völlig verwirrt und haben keine Ahnung, welche Steuersätze für ihren Geschäftsbereich gelten.

So ist es kein Wunder, dass die Wachstumsraten im industriellen Sektor, in der Landwirtschaft und im privaten Verbrauch seit dem letzten Jahr auf Talfahrt sind. Dazu hat Modi auch das Versprechen, Arbeitsplätze zu schaffen, nicht wahr gemacht.


Quelle: „Telepolis“, www.heise.de