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Global: „Komplizierter barocker Tanz“ – Mühsame Verhandlungen auf der Klimakonferenz

 
Meldung vom 14.11.2017

Die Weltklimakonferenz in Bonn kann man mit einem gigantischen Elternabend vergleichen. Verhandlungen schleppen sich quälend langsam voran, einige Teilnehmer gehen auf die Nerven, und manchmal muss jemand auf den Tisch hauen und ein Machtwort sprechen. Unter dem Strich kein Vergnügen – aber eine Notwendigkeit.

Ein Satz hört man in diesen Tagen in Bonn immer wieder. In der Formulierung leicht abgewandelt, aber vom Inhalt her immer gleich, kursiert er im Zug und in der U-Bahn, ja sogar von den Wachleuten der Weltklimakonferenz selbst hört man ihn. Er lautet im rheinischen Jargon: „Is dat auch wirklisch irjend wofür joot hier?“ (Ist das auch wirklich irgendwofür gut hier?).

Manchmal stellt sich der Bürger schon die Frage, ob das alles in dem Umfang sein muss: Eine jährliche Klimakonferenz mit 25.000 Teilnehmern. Nur eine Minderheit davon beteiligt sich aktiv an den Verhandlungen, die anderen fungieren bloß als Beobachter. Ihr Reich ist eine Zeltstadt, die auf den ersten Blick Ähnlichkeit mit einer aufwendig hergerichteten Tourismus-Messe für Öko-Reisen hat. Russland setzt sich mit Bären und Tigern in Szene, Fidschi verweist auf seine Traumstrände. Und draußen in den Rheinwiesen haben sich die Novembernebel eingenistet. Wo geht's hier zur Buchung?

In den Sälen des World Conference Center haben sich die Delegierten versammelt. Machen sie Fortschritte? Auf diese Frage weiß der Oxfam-Klimaexperte Jan Kowalzig – ein Konferenz-Veteran – die aufschlussreiche Antwort: „Die Verhandlungen sind zwar zäh, aber im Großen und Ganzen nicht zäher, als man es erwarten würde.“

Der Vergleich mit einem riesigen Elternabend in der Schule liegt nahe. Erstmal gibt es eine große Begrüßung – man hat sich lange nicht gesehen. Dann wird mit einer gewissen Verzögerung die erste Verhandlungsrunde begonnen. Es gibt noch Einwände zur Tagesordnung. Es wird ein Ausschuss einberufen. Ein paar Typen nerven – das ist auf der Klimakonferenz zum Beispiel die Türkei, die zwar einerseits als wichtiges Industrieland auftreten will, aber andererseits auch gern wie ein Entwicklungsland Zuschüsse einkassieren möchte. Da muss dann schon mal eine Respektsperson ein Machtwort sprechen – in Bonn tut das hin und wieder Staatssekretär Jochen Flasbarth, ein weißhaariger Mann aus Duisburg-Rheinhausen, der seit Jahrzehnten im Umwelt- und Klimaschutz unterwegs ist.

Quälend langsam bewegt man sich voran. Irgendwann werden „Non Papers“ – „Nicht-Papiere“ in Umlauf gebracht. Gemeint sind inoffizielle Textentwürfe. Das wird schon als Erfolg verbucht. „Als Beobachterin dieser und letzter Konferenzen frage ich mich immer wieder: Warum dauert das alles so lange?“ Mit diesem Stoßseufzer weiß sich die Energie-Referentin vom katholischen Entwicklungshilfswerk Misereor, Kathrin Schroeder, wohl in guter Gesellschaft. Sie muss angesichts der Verhandlungen an einen „komplizierten barocken Tanz“ denken. In Regierungsdelegationen dagegen weiß man es besser: Gerade zu großer Druck habe sich in der Vergangenheit stets als hinderlich erwiesen. Es gibt dann immer welche, die blockieren.

Eines muss man sich verdeutlichen: In den Klimaverhandlungen versuchen fast alle Länder der Welt, sich auf ein allgemein gültiges Regelwerk zu verständigen. Wie genau soll zum Beispiel der CO²-Ausstoß gemessen und angegeben werden? Damit nicht betrogen werden kann, müssen dafür einheitliche Standards definiert werden. Ein solcher Regelkatalog für ausnahmslos alle Länder wurde bislang noch niemals erarbeitet – auf keinem Feld der zwischenstaatlichen Zusammenarbeit. Die derzeit laufenden Verhandlungen könnten somit eine Weltpremiere hervorbringen.

Dass sich überhaupt alle an den Verhandlungstisch setzen – auch Länder, deren Beziehungen zueinander äußerst angespannt sind – grenzt an ein Wunder. Möglich wurde es nur, weil irgendwann auch der letzte eingesehen hat: Wenn wir nichts unternehmen, gehen wir alle gemeinsam unter. Die einzigen, die ihren Ausstieg planen, sind bekanntlich die USA. Ihre Delegation zeigt sich in Bonn bisher recht kleinlaut. Erklärungen wurden von Protestaktionen hunderter Umweltaktivisten unterbrochen.

Die Konferenzteilnehmer bewegen sich tagsüber fast ausschließlich auf einem streng bewachten Terrain. Das hat Raumschiff-Charakter. Aber abends schwärmen viele doch in die reale Welt aus, gehen einkaufen, besuchen Restaurants. Der Oxfam-Experte Kowalzig zum Beispiel übernachtet bei Freunden und wird dort regelmäßig von einer über 80 Jahre alten Nachbarin befragt. „Sie liest jeden Tag genau die Zeitung und ist bestens informiert“, meint er. „Aber sie hat natürlich ihre eigene Meinung dazu.“






Quelle: „General Anzeiger“, www.general-anzeiger-bonn.de

Schlagwörter: Globale Projekte, COP, Klimakonferenz, Bonn, Verhandlungen, Klimawandel, Klima, Wetter, Umwelt, Umweltaktivisten, Regelwerk, CO2, Weltklimakonferenz