Ghana: Stagnation – Man wäre gerne ein glitzerndes Dubai

Meldung vom 24.11.2017

Ghana war lange Zeit eines der afrikanischen Länder, die als Musterbeispiel für Fortschritt und Entwicklung galten. Doch die positive Entwicklung kam zum Erliegen. Eine aktuelle Studie der Mo-Ibrahim-Stiftung deutet sogar auf einen Verfall in zunehmendem Tempo hin.

Wo sich noch vor wenigen Jahren die Minibusse in nicht endenden Staus drängten, flitzen sie heute ungehindert über die Brücken. Den Kwame Nkrumah Circle, ein Kreisverkehr inmitten von Accra, betrachtete man lange Zeit als blechernes Mahnmal der desolaten Infrastrukturzustände in Ghana. Doch seit Ende 2016 ergießt sich der Verkehr in drei Ebenen über das ehemalige Nadelöhr. Kurz vor der Präsidentschaftswahl weihte der damalige Präsident John Mahama die, wie er sagte, „längste, höchste Straßenbrücke über Westafrika“ ein – das war sein Vorzeigeprojekt. Das Geld reichte auch noch für einen bunt beleuchteten Springbrunnen, der direkt daneben gebaut wurde. Halb im Spott, halb ehrfürchtig, haben die Bewohner von Accra die Kreuzung seitdem „Dubai“ getauft, wie die glitzernde Hauptstadt des gleichnamigen Emirats.

Die Verkehrsinnovation entspannte die Lage in der Hauptstadt erheblich, doch für seinen Auftraggeber John Mahama zahlte sie sich nicht aus. Der Bau einer Kreuzung sei keine ausreichende Errungenschaft für acht Jahre Regierungsarbeit, kritisierte der oppositionelle Vize-Kandidat Muhamadu Bawumia. Im Dezember 2016 konnte Herausforderer Nana Akufo-Addo die Präsidentschaftswahl bereits im ersten Wahlgang mit deutlicher Mehrheit für sich entscheiden. Die neue Brücken-Kreuzung, weiterhin benannt nach dem Staatsgründer Kwame Nkrumah, dient den Menschen als Wahrzeichen für die Entwicklung in Ghana: es gibt zwar Veränderung, aber nur punktuell und langsam.

Doch manche sehen die Entwicklung auch negativer: Das westafrikanische Land wird immer schlechter regiert. Das stellt zumindest der Ibrahim-Index für Afrikanische Regierungsführung fest, der am Montag (20.11.) von der Mo-Ibrahim-Stiftung veröffentlicht wurde. Zwar rangiert Ghana unter den afrikanischen Ländern noch immer auf Platz 8 von 54, doch die Studie offenbart einen zunehmenden Verfall. Der Gesamtwert, der auf einer Skala von 0 bis 100 die Qualität der Regierungsführung ausdrückt, ging von 2007 bis 2016 um 1,5 auf 65,0 Punkte zurück. In den vergangenen fünf Jahren belief sich der Verfall sogar auf durchschnittlich 0,7 Punkte pro Jahr.

Für den Index werden 100 Einzelindikatoren berücksichtigt, die aus 36 verschiedenen Quellen stammen und bis ins Jahr 2000 zurückreichen. Die vorbildlichste Staatsführung können derzeit Mauritius, die Seychellen und Botswana vorweisen. Die Letzten sind Eritrea, Südsudan und Somalia. Aus dem Index soll hervorgehen, welche Auswirkungen das Regierungshandeln auf die Menschen hat, meint die Geschäftsführerin der Mo-Ibrahim-Stiftung, Nathalie Delapalme: „Es geht nicht nur um Wahlen, Menschenrechte, politisches Engagement und Gesetze. Es geht darum, wie die Menschen die Leistungen wahrnehmen, die jede Regierung im 21. Jahrhundert ihren Bürgern gegenüber erbringen sollte.“

Deswegen werden die Punkte persönliche Sicherheit genauso evaluiert wie funktionierende Gesundheits- und Bildungssysteme. In all diesen Bereichen hat Ghana laut Index Rückschritte gemacht. Trotz der neuen Kwame-Nkrumah-Kreuzung schneidet auch die Infrastruktur schlechter ab als vor zehn Jahren. Abgesehen von Hauptstraßen und Prestige-Projekten gibt es in Ghana zahlreiche Straßen, auf denen die Schlaglöcher teilweise eine größere Fläche einnehmen als der verbliebene Teer. Vor allem Städter beschwerten sich in den vergangenen Jahren immer wieder über Stromausfälle, weil die Versorgung wegen zu geringer Kraftwerkskapazitäten für bis zu 24 Stunden am Stück heruntergefahren werden musste. „Dumsor“, das in Akan-Sprachen so viel bedeutet wie „an-aus“, wurde zu einem neuen Begriff, mit dem zahlreiche Späße gemacht wurden. Auch die Wasserversorgung in Teilen der Hauptstadt wurde immer wieder für etliche Tage gekappt.

Acht der vergangenen zehn Jahre wurde Ghana vom inzwischen abgelösten National Democratic Congress (NDC) geführt. Die Partei John Mahamas hat traditionell vor allem in den ländlichen Gebieten im Osten und Norden des Landes Zuspruch. Die ländliche Entwicklung hat bei dieser Partei oberste Priorität. Inzwischen ist die National Patriotic Party (NPP) von Präsident Nana Akufo-Addo in Ghana an die Macht gekommen. Im Wahlkampf punktete sie besonders mit Zusagen wie kostenloser Sekundarbildung nach der Grundschule.

Doch auch andere Themen wirken sich belastend aus: „Ghanas Schuldenstand ist stark angestiegen“, sagt der britisch-sudanesische Milliardär Mo Ibrahim, der die nach ihm benannte Stiftung gegründet hat. Dies liege an der Entdeckung von Gasvorkommen vor der Küste. Noch vor ihrer Erschließung hatte die Regierung den Profit, den sie damit machen wollte, verplant. „Manchmal kann die Entdeckung von Rohstoffen ein Problem schaffen, denn die Menschen tendieren dazu, Geld auszugeben, bevor sie es überhaupt haben.“

Der neue Präsident Akufo-Addo bemüht sich derweil, einen neuen Kurs einzuschlagen. In ihrem ersten Jahr habe sich die neue Regierung vorrangig die Stärkung der wirtschaftlichen Stabilität und die Zahlungsausstände zur Aufgabe gemacht, sagt Nkrumah. Außerdem strebe man danach, das Wirtschaftswachstum von 3,6 Prozent im Vorjahr auf 6,3 Prozent zu steigern.

Inwieweit die Bemühungen der Regierung sich in der Wirklichkeit abbilden werden, wird sich frühestens im Ibrahim-Index 2018 zeigen. Der NPP-Regierung stehen noch drei Jahre für die Trendwende zur Verfügung. Sollte sie scheitern, steht Nana Akufo-Addo das gleiche Los wie John Mahama bevor – die Abwahl nach nur einer Amtszeit.

Trotzdem gibt es gute Gründe, warum Ghana, das bereits vier friedliche Machtwechsel in Folge vorweisen kann, im Ibrahim-Index für Afrikanische Regierungsführung noch immer auf Platz 8 von 54 steht. „Ghana ist nach wie vor eine der bedeutendsten Demokratien in Afrika“, sagt Mo Ibrahim. „Die demokratischen Machtwechsel, die wir erlebt haben, waren wirklich bemerkenswert und darauf sind wir sehr stolz.“


Quelle:  „Deutsche Welle“, dw-world.de