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Global: Zynisch – Flüchtlinge vergeben Sternchen für Camps auf Google Maps

Meldung vom 11.01.2018

Das Smartphone ist das wichtigste Überlebensmittel in unserer heutigen Welt: Es gibt den Weg an, es übersetzt, es hilft beim Ticketbuchen, damit findet man Bewertungen von Restaurants, Hotels und Clubs. Früher musste man sich mit Karten und Büchern herumschlagen, heute genügt ein einziges kleines elektronisches Gerät – und das Leben lässt sich besser kontrollieren.

Auch für viele Flüchtlinge ist das Smartphone das Kostbarste, was sie besitzen. Es dient gleichzeitig dazu, den Kontakt zur Familie zu halten und sichere Routen zu finden, und es ist ein Speicher für wichtige Dokumente. Zudem kann man Informationen zu politischen Entwicklungen abrufen.

So ist es klar, dass auch Geflüchtete sich vermehrt dieser Funktionen bedienen, die viele eher in dem Bereich Lifestyle nutzen. Zum Beispiel werden auf Google Maps Flüchtlingslager auf aller Welt mit Bewertungen und Sternchen versehen. Das ist möglich, weil Google Maps die Notcamps als Unternehmen einstuft und Nutzern so die Gelegenheit gibt, dazu Bewertungen abzugeben.

Die größten Flüchtlingscamps der Welt befinden sich aber nicht in Europa – sondern in Afrika und dem Nahen Osten. Allein Kenia betreibt immer noch die vier größten Camps der Welt, mit je mehr als 85.000 Einwohnern. Dort versuchen vor allem Flüchtlinge aus dem benachbarten Somalia unterzukommen.

Das fünftgrößte Flüchtlingscamp, Zaatari, ist in Jordanien. Hier haben knapp 79.000 Flüchtlinge Obdach gesucht, vor allem aus dem benachbarten Syrien. Deutlich kleiner sind die Camps in Europa, Camp Moria auf der Insel Lesbos war für 2.000 Flüchtlinge geplant. Momentan drängen sich hier aber rund 6.000 Menschen.

Seit Neuestem bewerten Flüchtlinge ihre Camps – in Europa schneiden sie mit am schlechtesten ab. Es sind insgesamt bisher nicht viele Berichte, bei vielen Camps geben nur wenige Dutzend Flüchtlinge ihren Kommentar ab.

Ein Barometer für die Stimmung in den Camps ist es dennoch: „Sie helfen Flüchtlingen, sich besser zu organisieren“, meint Mazen, „auch wenn viele nicht mitmachen“. Mazen ist im irakischen Camp Dumiz untergekommen, er ist einer von knapp 42.000 Flüchtlingen dort. Er verließ Nordsyrien, als sein Heimatgebiet von der Terrormiliz Islamischer Staat besetzt wurde. Jetzt hilft er in einer Nichtregierungsorganisation, um anderen Flüchtlingen in Dumiz den Weg in ihr neues Leben zu ebnen.

„Wir haben hier viele Probleme“, bemängelt Mazen. Hilfslieferungen kommen unregelmäßig, vor dem Winter fürchten sich viele. Nachts kann die Temperatur unter null Grad fallen, viele hausen nur in klammen Zelten. Auf Google darüber zu schreiben, die Probleme kenntlich zu machen, helfe den Flüchtlingen – „und wenn es für sie darum geht, all den Frust mal aufzuschreiben“.

Mal zynisch, mal bitter – das ist die vorherrschende Stimmung in den Kommentaren auf Google. Omar Rashad schreibt über Moria: „Sehr mieser Ort. Ich habe mein Leben gegeben, um hier zu leben.“

Mazen stuft die Kommentare als authentisch ein. Für eine realistische Bewertung sind sie aber nicht aussagekräftig genug. Das liegt besonders daran, dass es einerseits nur wenige sind und andererseits viele Flüchtlinge ihre Sterne ironisch verteilen. Da wird dann Lesbos wegen seines „Meerblicks“ gelobt – obwohl die Flüchtlinge nur in dürftigen Zelten am Strand vegetieren und in dem Lager viel Gewalt vorherrscht.

„Vieles davon ist Quatsch“, gibt Ahmad zu, der eigentlich anders heißt. Er ist ebenfalls aus Syrien geflohen – über die Balkanroute schaffte er es Ende 2015 nach Österreich. Ahmad bestätigt zwar wie Mazen, dass die Google-Bewertungen tatsächlich eingespeist würden, glaubt aber nicht, dass sie von Flüchtlingen stammen, die wirklich noch in Camps über die Runden kommen müssen. Er glaubt, dass die Autoren eher Flüchtlinge sind, die längst an ihrem Ziel angekommen oder weitergezogen sind.

„Die meisten Kommentare auf Google sind zynisch“, meint Ahmad. Entsprechend könne es gut sein, dass Flüchtlinge erst einen Kommentar verfassen, wenn sie wirklich in Sicherheit sind. Die Sterne bilden laut Ahmad demnach nicht die ganze Wahrheit ab. Es sei prekärer, als im Netz dargestellt.

Was er meint, dokumentiert ein mutmaßlicher Bewohner von Moria. Der Nutzer hat das griechische Lager mit 5 von 5 Sternen gekürt. Und dazu geschrieben: „10/10 Empfehlungen, bleibt in diesem wunderschönen Hotel!“ So spiegelt Google Maps nur einen Splitter der Wirklichkeit wider. Wenn sich Flüchtlinge wirklich untereinander benachrichtigen und informieren wollen, machen sie das vor allem in geschlossenen Gruppen auf Facebook.




Quelle: „bento“, www.bento.de

Schlagwörter: Globale Projekte, Flüchtlinge, Flüchtlingslager, Google Maps, Kommentare, Bewertungen, Sterne, Smartphone, Handy, Flürchtlingsrouten, Internet