Unser Service für Sie


 [ » Newsletter ]

[ » zum Kontakt-Formular ]

[ » Material bestellen ]

[ » Geschenke bestellen ]



Videos aus unseren Projekten finden Sie auf unserem Youtube-Kanal.
[ » Gebende Hände – Youtube-Kanal ]


Äthiopien: Neuer Premierminister will Demokratie einführen – doch lässt man ihn?

Meldung vom 05.04.2018

In Äthiopien haben sich seit vielen Monaten Unruhen zusammengebraut – nun soll ein Vertreter des Oromo-Volkes Regierungschef werden. Die Regierung hofft, dass sich mit diesem Schachzug die Wogen glätten. Der neue Mann an der Spitze will Reformen – aber kann er sie durchsetzen?

Äthiopiens neuer Premierminister Abiy Ahmed hat in Aussicht gestellt, mit der schlechten Regierungsführung aufzuräumen. Kurz nach seiner Vereidigung im Parlament am Montag (02.04.2018) ließ der 41-Jährige seine Zuhörer wissen: „Politischer Pluralismus ist ein Muss, denn das ist ein Grundstein dafür, dass die Demokratie funktioniert.“ Das sind ungewohnte Ausblicke in einem Land, das nie Demokratie gekannt hat.

Abiy wurde vorige Woche vom Vorstand der Regierungsallianz EPRDF (Revolutionäre Demokratische Front der Äthiopischen Völker) zum Regierungschef bestimmt. Die Allianz besteht aus vier Parteien, die Äthiopien seit 1992 regieren. Mit der Wahl von Abiy hat sich die Lage im Land ein wenig entspannt. Seit drei Jahren gehen vor allem junge Äthiopier gegen die autoritäre Regierung auf die Straße und fordern lautstark Freiheit der Meinungsäußerung und Demokratie. Die außergewöhnliche Botschaft: Der neue Premierminister ist ein Oromo und gehört damit zur größten Bevölkerungsgruppe im Land. Und es sind die Oromo, von denen die Proteste gegen die EPRDF-Regierung ausgingen.

Reibungslos lief die Wahl von Abiy Ahmed nicht ab. Die EPRDF benötigte mehr als einen Monat, um sich zu dieser Entscheidung durchzuringen. Diese Verzögerung zeigt sehr deutlich den Konflikt zwischen Reformern und Hardlinern. Die Konservativen stammen vor allem aus der Partei TPLF, die aus einer Guerillabewegung hervorgegangen ist und von dem kleinen Tigray-Volk vertreten wird. Doch genau diese kleine Partei ist es, die politisch, innerhalb der Armee und den Sicherheitsbehörden alles unter Kontrolle hat. Hinter den Kulissen wollten sich besonders die Tigray Garantien sichern, um nicht allen Einfluss zu verlieren.

Die äthiopische Bevölkerung ist geneigt, Abiy Ahmed eine Chance zu geben. „Aber“, so warnt Chefredakteurin Tsedale Lemma von der Zeitung Addis Standard, „es geht nicht um die Person. Es geht um fundamentale Änderungen in der Regierung.“ Abiy hat sich für Reformen stark gemacht. Aber die Frage ist, wie viel Spielraum man ihm zugesteht, um das Land tatsächlich zu demokratisieren.

Wie heftig die Streitigkeiten innerhalb der EPRDF und der Regierung waren, trat in den letzten Wochen deutlich zu Tage, als politische Gefangenen erst freigelassen wurden – um später wieder hinter Gitter gebracht zu werden. Schon seit Jahren werden Oppositionsmitglieder, Journalisten und andere Kritiker festgenommen, aber seit dem Beginn von Massenprotesten 2015 sind mehr als 20.000 Menschen im Gefängnis gelandet.

Der zurückgetretene Premierminister Desalegn Hailemariam gab sich Anfang dieses Jahres einen Ruck und begnadigte hunderte politische Gefangene. Aber viele innerhalb der Regierung waren dagegen. Desalegn konnte dem Druck nicht standhalten und trat ab – seitdem sind etliche der Freigelassenen wieder ergriffen worden.

„Ich hoffe, dass Ahmed die Macht der Partei beschränken kann und es möglich macht, dass das Parlament selbstständig operieren kann. Die nächsten Wahlen 2020 müssen dafür den Beweis liefern“, twitterte Anwalt Zecharias Hailu aus den USA. Im äthiopischen Parlament konnte sich die Opposition nicht einen einzigen Sitz sichern. Äthiopien hat in seiner Geschichte eigentlich nur autoritäre Führer vorzuweisen. Das Jahrtausende alte Kaiserreich war nicht demokratisch, auch nicht die Militärjunta, die den letzten Kaiser entthronte und ermordete, und auch nicht die EPRDF.

Aber nun lassen sich die Uhren nicht mehr zurückdrehen und die Bevölkerung ist der Autokratie überdrüssig. Sie möchte selbst bei politischen Entscheidungen mitbestimmen und fordert eine bessere Verteilung des wirtschaftlichen Wachstums. Die Regierung brüstet sich seit Jahren damit, dass die Wirtschaft mit jährlich 11 Prozent wächst. Aber an einem großen Teil der ungefähr 100 Millionen Äthiopier geht dieses Wirtschaftswunder spurlos vorrüber.

Der neue Premierminister versicherte, er werde die Korruption eindämmen. Am Ende seiner Rede gedachte er der Toten, die in den letzten Jahren bei Protesten gefallen sind. „Aus tiefstem Herzen bitte ich um Entschuldigung bei den Familien, die ihre Geliebten verloren haben.“ Gleichzeitig sprach er den Männern und Frauen in Uniform seine Wertschätzung aus. Schließlich ist Abiy Ahmed erst über die militärische Schiene zu Amt und Würde gekommen, bevor er 2010 in der Politik ging und zunächst Wissenschaftsminister wurde.




Quelle: Gebende Hände-Redaktion; nach einer Information von: „Die Tageszeitung“, taz.de

Schlagwörter: Äthiopien, Premierminister, Demokratie, Amtsantritt, Regierungschef, Reformen, Abiy Ahmed, Hailemariam Desalegn, Oromo, Minderheit, Stämme, Tigray, Machtverteilung, Korruption, Proteste, Meinungsfreiheit, Verhaftungen, Opposition