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Syrien: Getestet an Wehrlosen – Ohne Iris-Scan kein Essen für Flüchtlinge

Meldung vom 12.04.2018

Tausende syrische Flüchtlinge drängen sich im Azraq-Flüchtlingscamp, das mitten in der jordanischen Wüste liegt. Doch in dem Camp gibt es eine Innovation – die Geflüchteten aus Syrien werden hier per Iris-Scan registriert und müssen mittels Iris-Scan ihre Einkäufe verrichten. Der UNHCR und das World Food Programme (WFP) der UN arbeiten hier zusammen mit dem britischen Unternehmen IrisGuard.

Inzwischen werden in fast allen Camps Jordaniens Geflüchtete per Iris-Scan registriert und sind fortan immer eindeutig identifizierbar. Weigern können sie sich nicht. Auf diesem Wege werden die Flüchtlinge zu Versuchskaninchen und die EyeHood-Technik wird marktreif gemacht.

Imad Malhas führt den schwarzen Scanner wie ein Fernglas an die Augen. „Please look into the mirror“, meldet sich eine weibliche Computerstimme. Bitte schauen Sie in den Spiegel. Ein schwarz-weißes Abbild seines linken Auges erscheint auf dem Bildschirm. Malhas ist der Gründer von IrisGuard mit Sitz in Milton Keynes, einer trostlosen Planstadt 30 Minuten nördlich von London. Zwei Sekunden verstreichen, bis sich der Computer wieder meldet: „Identification completed“. Der EyeHood hat Malhas’ Iris erfasst und ihn damit identifiziert.

Der Unternehmer inhaliert zufrieden den Rauch seiner E-Zigarette. Dass sein Produkt mal Fehlergebnisse liefert, ist nahezu ausgeschlossen, denn die Iris ist bei jedem Menschen einzigartig. Ist die Regenbogenhaut einer Person durch EyeHood erfasst, kann das System die Identität eines Menschen beliebig oft kontrollieren. Tausende Kilometer entfernt gehört das bereits zur täglichen Routine. In Amman passieren täglich 3.000 bis 5.000 Menschen den Scan von EyeHood – Geflüchtete. So läuft es in vielen Camps des Mittleren Ostens ab, auch in Irbid, Mafrak, Asrak, Zaatari und in den mobilen Zentren außerhalb der jordanischen Städte.

Mit dem System werden Menschen als Flüchtlinge erfasst oder sie lassen ihren Status als Hilfsbedürftige aktualisieren. Wer sich dem Procedere nicht anpasst, bekommt vom Betreiber der Flüchtlingscamps, dem Hochkommissar der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (UNHCR), keine Nahrung, kein Obdach. Kritiker sind sich einig, dass so Kriegsflüchtlinge für die Erprobung biometrischer Erkennungssysteme herhalten müssen, bis diese marktreif sind.

Seit 2013 arbeitet das UNHCR mit IrisGuard zusammen. 2,4 Millionen meist syrische Flüchtlinge in Jordanien und Nachbarländern wurden damit an mehr als 300 Registrierungsstationen gescannt. Schnell und effizient, meint Malhas zufrieden.

Der Unternehmer überzeugte das UNHCR mit dem Argument, es gebe keine bessere Strategie, um Hilfsleistungen für Flüchtlinge zu koordinieren. In der Vergangenheit wurden, um eindeutig festzustellen, dass es sich bei einem Menschen um einen registrierten Flüchtling handelt, häufig Fingerabdrücke erstellt. Aber der menschliche Fingerabdruck ist erst nach dem 13. Lebensjahr ausgereift. „Die Iris eines Menschen verändert sich vom dritten Lebensjahr an bis zum Tod nicht mehr“, betont Malhas. Weltweit sind 65 Millionen Menschen Flüchtlinge und viele davon sind Kinder. Die Hälfte aller in Jordanien ankommenden Flüchtlinge ist unter 18 Jahre alt, das UNHCR schickt Kinder ab drei Jahren durch den Scan. Malhas erklärt: „Wer einmal gescannt wurde, kann noch mit 100 Jahren anhand seiner biometrischen Merkmale einwandfrei identifiziert werden.“

Dieser Pluspunkt gegenüber dem Fingerabdruck ist aber nicht die einzige Ursache, wegen der die UN in Malhas Projekt eingestiegen ist. Malhas führt oft das Wort „Würde“ im Mund. EyeHood, so will er Regierungen und NGOs überzeugen, gebe den vertriebenen Menschen ein Stück ihrer Würde zurück. „Armen Menschen ist es oft unangenehm, über Stunden in einer Schlange anstehen zu müssen. Sie sparen durch diese Technologie viel Zeit.“

Doch Geld ist sicher das wichtigere Argument. Denn EyeHood soll vor allem dem Betrug vorbeugen, der die Betreiber der Flüchtlingscamps teuer zu stehen kommt. Ein gescannter Flüchtling, der an einem Tag eine Decke vom UNHCR erhält, kann sich nicht am nächsten Tag als jemand anderes ausgeben, um eine zweite zu ergattern. Auch die mehrfache Beantragung von Hilfsgeld, zum Beispiel durch doppelte Registrierung in Jordanien und dem Libanon, sei nun ausgeschlossen, sagt Malhas.

Inzwischen werden die Geräte nicht nur zur Registrierung von Flüchtlingen eingesetzt. IrisGuard hat seine Produktpalette erweitert. Flüchtlinge können mit einem Wimpernschlag nun auch Geld transferieren und Lebensmittel bezahlen. Das System heißt EyePay. Die Hälfte aller UNHCR-Hilfe besteht heute aus Bargeldauszahlungen. Die Betroffenen bekommen das Geld direkt im Camp oder am Bankautomaten – per Iris-Scan. Vor zehn Jahren hat das WFP sogenannte Cash Based Transfers ins Leben gerufen. Dabei erhalten die Menschen Geld, um selbst einzukaufen, anstatt dass sie um Essensrationen anstehen müssen. Das minimiere Logistikkosten, schaffe Anreize für die lokale Wirtschaft und gebe Geflüchteten mehr Würde. Im Azraq Camp wird ein großer Supermarkt betrieben, in dem traumatisierte Kriegsflüchtlinge ein wenig Normalität spüren dürfen. Im Schnitt wird jeder Familie zwischen 10 und 20 jordanischen Dinar (12-25 Euro) pro Monat zugeteilt, die sie eigenständig ausgeben kann. An der Kasse müssen die Menschen für ihre Pakete Reis und Bohnen einfach nur ihre Iris scannen lassen.

Die Autorisierung beim Geldabheben vollzieht sich über einen Abgleich mit der Datenbank des UNHCR. Wenn Millionen von Menschen ihre Iris digital scannen lassen, kann man entsprechend viele Daten sammeln. Das WFP kann dadurch speichern, welche Produkte Flüchtlinge in den Supermärkten am häufigsten erstehen und sie entsprechend nachbestellen. Zudem kann es die Preise kontrollieren. Das WFP geht sogar so weit, anhand der Daten zu kontrollieren, ob sich die Flüchtlinge ausgewogen ernähren. Verweigern können sie die Überwachung ihrer Konsumgewohnheiten nicht. IrisGuard hat den UN-Organisationen seine Technik zwar kostenlos angeboten. Aber das Unternehmen von Malhas verdient daran, wenn ein Flüchtling per Iris-Scan Geld abhebt oder im Supermarkt einkauft – es erhebt jedes Mal eine Transaktionsgebühr von einem Prozent.

Die meisten Flüchtlinge in Jordanien haben keine Ahnung, wie viel sie mit dem Iris-Scan von sich offenbaren. Sie setzen in den Camps eine Unterschrift unter ein Dokument, dessen Inhalt sie möglicherweise gar nicht verstehen. Die Datenschutzrichtlinie des UNHCR ist nebulös formuliert. Das Flüchtlingshilfswerk behält sich vor, Daten an Dritte weiterzugeben, kann man da lesen. Malhas vertritt eine eigene Meinung zum Datenschutz und informationeller Selbstbestimmung. „Wenn Flüchtlinge vor Krieg fliehen, sind sie Bürger eines Landes namens UNHCR, bis sie in ihr Land zurückkehren oder umgesiedelt werden. Hat dieses Land UNHCR solange kein Recht, die Daten seiner Bürger zu besitzen?“, gibt er zu bedenken.

„Das Problem ist, dass die Menschen keine Wahl haben“, kritisiert Marek Tuszynski. Er hat die auf Datensicherheit spezialisierte NGO Tactical Tech mitbegründet und reagiert besorgt auf die biometrischen Massenregistrierungen. „Um Lebensmittel zu bekommen, müssen sie ihre Iris scannen lassen. Und sind sie einmal im System, kommen sie nicht mehr raus. Das bedeutet, ein dreijähriges Kind kann, solange es Hilfe bezieht, überwacht werden. Das kann theoretisch also das gesamte Leben dauern“, betont er.

Dass Datenschützer Zweifel an der Rechtschaffenheit von IrisGuard hegen, liegt auch an der Firmenstruktur des Unternehmens. Malhas war lange im Bereich der nationalen Sicherheit tätig. Den Vorläufer von EyeHood brachte er 2001 erstmals in den Vereinigten Arabischen Emiraten zum Einsatz. Malhas musste damals daran mitarbeiten, dass illegale Einwanderer erfasst und dann wieder abgeschoben werden konnten. Die Grenzposten der Emirate waren quasi das erste Testlabor für den EyeHood. „Wir haben einen elektronischen Zaun um das ganze Land errichtet. Das sind Leute, die das Gesetz gebrochen haben, das hat nichts mit Big Brother oder Massenüberwachung zu tun“, behauptet Malhas.

Hinter den Kulissen von IrisGuard spinnen auch weitere bekannte Persönlichkeiten ihr Netz: So befindet sich im Aufsichtsrat Richard Dearlove, der bis 2004 Direktor des britischen Auslandsgeheimdienstes MI6 war. Ebenfalls Mitglied im Aufsichtsrat ist Frances Townsend, die von 2004 bis 2008 als Beraterin für Innere Sicherheit und Terrorbekämpfung (Homeland Security) des damaligen US-Präsidenten George W. Bush fungierte. IrisGuard hat sich auf den Kaiman-Inseln niedergelassen, die vor allem als Steuer-Oase gelten. Malhas behauptet, es sei dadurch einfacher, Investoren anzuziehen, als unter jordanischem oder britischem Recht. Seit Mitte November lässt die Investmentbank Goldman Sachs Gelder an IrisGuard fließen, um ein Netzwerk aus Banken zu schaffen, die EyePay anbieten.

Malhas will seine Scanner zu Allround-Produkten ausbauen. Prototypen für das Homebanking über private Laptops seien bereits fertig für die Produktion, sagt er. Passwörter gehörten dann der Vergangenheit an. Kreditkarten, da ist er sicher, könnten durch die Iris ersetzt werden. Getestet an Millionen Wehrlosen.




Quelle: Gebende Hände-Redaktion; nach einer Information von: „Die Zeit Online“, zeit.de

Schlagwörter: Syrien, Flüchtlinge, Registrierung, Jordanien, Iris, Iris-Scan, IrisGuard, Daten, Datenschutz, Würde, Flüchtlingslager, Datenmissbrauch, EyePay, EyeHood, Lebensmittel, Test, UN, UNHCR, World Food Programme