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Uganda: Millionen junge Ugander verfallen den Sportwetten

Meldung vom 18.04.2018

Die trügerische Hoffnung auf schnelles Geld verführt junge Männer in Uganda. Glücksspiele und Sportwetten waren in dem Land bis Anfang der 2000er Jahre relativ unbekannt. Inzwischen hat das Wettfieber das ganze Land ergriffen. Vor allem junge Männer sind der Spielsucht verfallen.

Gotfried Remo fokussiert angespannt die Wettquoten, die für die heutigen Spiele der Bundesliga gezahlt werden. Dann denkt er nach. „Bayern ist in dieser Saison eigentlich eine Bank, aber sie dürften sich für das Champions-League-Spiel schonen“, meint der 25-jährige Ugander. „Für Dortmund geht es um Prestige! Ich tippe auf Unentschieden, damit könnte ich meinen Einsatz fast verfünffachen.“

Ein Dutzend junger Männer steht in dem schmucklosen Raum einer Wetthalle in Mukono, an einer großen Wand hängen Listen mit anstehenden Fußballspielen aus der ganzen Welt. Die Männer kritzeln sich ihre Tipps auf ein Stück Papier, das sie anschließend einer Angestellten hinter einem Schalter übergeben. Remo setzt 10.000 Schilling, etwas über zwei Euro, und erhält eine Kassenquittung zurück, auf der seine sieben Tipps festgehalten sind.

Wenn gerade ein Spitzenspiel ausgestrahlt wird, sind die Hallen brechend voll. Lautstark äußern sich Zuschauer und Zocker zum Spielverlauf, beschimpfen die Angreifer bei nicht genutzten Torchancen und jubeln bei Toren. Betrunkene sind nicht dabei, sie werden am Eingang von bewaffneten Wachleuten aufgehalten. Alle Besucher werden auch auf Waffen hin kontrolliert. So soll auch Raubüberfällen vorgebeugt werden. Wenn jemand für Unruhe sorgt, fliegt er raus.

Remo zählt zu den Millionen von Ugandern, die jeden Tag die Wettbüros konsultieren. Glücksspiele und Sportwetten waren den Menschen in Ostafrika bis Anfang der 2000er fremd, inzwischen steckt das Wettfieber fast die gesamte Bevölkerung an. Die Glücksspiel-Industrie ist im Aufwärts-Trend wie sonst nur die Mobilfunkbranche. Allein in der Hauptstadt Kampala haben mehr als 1.000 offizielle Wetthallen und Kasinos eröffnet, die von 40 Glücksspielunternehmen betrieben werden. Auch illegale Hinterhofspelunken, die ohne staatliche Lizenz arbeiten, schießen wie Pilze aus dem Boden.

Laut einer Schätzung des Forschungszentrums für Wirtschaftspolitik (EPRC) zockt inzwischen jeder zweite junge Mann in Uganda zwischen 18 und 30 Jahren. Vor allem die Ärmsten haben sich auf das Glücksspiel eingelassen, sie lassen durchschnittlich fast 20 Prozent des Einkommens in den Wettbüros.

„Die Leute wollen unbedingt aus der Armut herauskommen, haben aber keine Arbeit und keine Perspektiven“, erklärt Paul Lakuma, einer der Autoren des EPRC-Reports. „Das Glücksspiel ist ihr einziger Ausweg.“ Auch wenn Uganda in den vergangenen fünf Jahren große wirtschaftliche Fortschritte gemacht hat, muss immer noch jeder Dritte von weniger als zwei Dollar am Tag überleben. Den meisten Anklang finden Sport- und hier wiederum unangefochten Fußballwetten.

Bei den großen Unternehmen wie Top Bet, Sports Betting Africa oder Forte Bet kann man jeden Tag bei hunderten Spielen aus der ganzen Welt Wetten abschließen, von Nordkorea bis Algerien, von Indien bis Paraguay. Besonders attraktiv sind die europäischen Ligen, die Bundesliga, die spanische Primera División und die italienische Serie A. Die Top-Begegnungen der britischen Premier League werden sogar live gezeigt – und bannen mehr Zuschauer vor den TV-Geräten als die Spiele der eigenen Nationalmannschaft.

Doch das Spielfieber hat unselige Folgen: Viele Schüler und Studenten schwänzen die Schule, um tagelang in den Zockerbuden herumzulungern. „Einige meiner Freunde haben die Schule abgebrochen, um mehr Zeit für das Glücksspiel zu haben“, erzählt Tony Mujjumba, ein 21-jähriger Student der Agrartechnologie an der Berufsschule in Nakawa. „Manche haben ihr Schulgeld verspielt und mussten dann die Schule verlassen.“

Er selbst hat vor vier Jahren mit den Wetten begonnen. Seitdem schlägt er fast jeden Tag nach dem Unterricht mit seinen Kumpeln die Zeit in den Wettbüros von Kalerwe tot. Sie verfolgen die Spiele, die per Satellit übertragen werden – und harren der Resultate aus den Spielen, bei denen sie gewettet haben.

Mujjumba ist sich bewusst, dass fast immer die Bank gewinnt, und dennoch kann er nicht aufhören: „Ich möchte meinen eigenen Eisladen eröffnen“, meint er, „dafür brauche ich Startkapital. Ich glaube an mein Glück.“ Einmal hat er 100.000 Schilling gewonnen, etwa 22 Euro. Ein Wochenlohn. Seine Eltern haben keine Ahnung von seiner Sucht.

Selbst auf dem Land gelangt das Wettfieber in die hintersten Winkel Ugandas: Immer mehr Fußballspiele werden auf immer mehr Sportkanälen ausgestrahlt. Auch die Jugend hier möchte zu der modernen Konsumgesellschaft gehören – und Wetthallen locken mit der Aussicht auf schnelles Geld. „Die jungen Männer wollen weder den Boden bestellen noch Kühe hüten“, betont Wissenschaftler Lakuma, „das Glücksspiel zerstört die Gesellschaft.“ Wenn das Geld verloren ist, veräußern die Leute den Hausrat. „Jeden Tag kommen Zocker zu uns, die alles verloren haben“, berichtet Jacky Habassa, Leiterin der Organisation Family Life Network, die Familien in Not unterstützt. „Sie schlagen ihre Ehefrauen, wenn die sie zu Hause halten wollen. Ihre Kinder hungern.“

Es gibt keine verlässlichen Angaben, wie viele junge Männer schon spielsüchtig sind, beweiskräftige Statistiken wurden noch nicht erstellt. Nach Schätzungen sind bis zu zehn Prozent betroffen. Und keiner in Uganda kann eine Suchtbehandlung in Anspruch nehmen, weil es einfach noch keine gibt. Manche Kirchenvertreter und Oppositionspolitiker setzen sich dafür ein, dass das Glücksspiel wieder untersagt wird. „Das Wetten ist keine gute Sache für Uganda“, kritisiert der Politiker Yona Kanyomozi. „Die Wetthäuser gehören ausländischen Konzernen, die das Geld dann außer Landes bringen.“

Der Regierung sind die Schwierigkeiten nicht unbekannt, sie ist aber auf die Einnahmen aus dem Glücksspiel aus. Im aktuellen Finanzjahr streicht der Staat knapp sechs Millionen Euro Einnahmen aus Lizenzgebühren und Steuern ein. Deshalb will die Regierung lieber mehr Kontrolle ausüben und hat im vergangenen Jahr die Auflagen für Glücksspielbetreiber strenger reglementiert. Personen unter 25 Jahren sind inzwischen in Wettlokalen nicht mehr erlaubt. Auch dürfen sich die Spielstätten nicht mehr in der Nähe von Schulen, Kirchen und Regierungsgebäuden befinden und dürfen nur bis 22 Uhr geöffnet haben.

Doch die Beschlüsse sind erst einmal nur schriftlich festgehalten, umgesetzt werden sie derzeit noch nicht. Vor den Wettbüros kontrolliert niemand Ausweise. Der Nationale Ausschuss für Lotterien, der das Glücksspiel überprüfen soll, verfügt gerade einmal über ein halbes Dutzend Mitarbeiter. „Bei Verstößen bestechen die Spielhallenbesitzer die Polizei“, weiß Gotfried Remo. „So lässt sich in Uganda jedes Problem sofort lösen.“




Quelle: Gebende Hände-Redaktion; nach einer Information von: „Stern“, stern.de

Schlagwörter: Uganda, Sportwetten, Wettbüros, Glücksspiel, Lotterien, Spielsucht, Sucht, junge Männer, Glücksspiel-Industrie, Armut, Gewinn, Zockerbuden, Jugend, Spielhallen, Fußball, Fußballspiele