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Uganda: Immer neue Flüchtlinge aus dem Kongo kommen über den Albertsee

Meldung vom 27.04.2018

Uganda nimmt so viele Flüchtlinge auf wie kein anderes Land in Afrika – derzeit beherbergt das Land 1,4 Millionen. Seit Jahresbeginn gesellen sich nun tausende Kongolesen dazu – sie haben Reißaus genommen vor den mordenden Milizen in ihrer Heimat. Man vermutet, dass Kongos Regierung die Konflikte anstachelt.

Die Oberfläche des riesigen Sees ist glatt wie ein Spiegel, leise plätschern Wellen ans Ufer. Der Albertsee, mitten im Herzen Afrikas, befindet sich an der Grenze zwischen der Demokratischen Republik Kongo und Uganda. Sein Umfang ist zehn Mal so groß wie der des Bodensees.

Eigentlich steht diese Region im Westen Ugandas unter Naturschutz. Antilopen, Kühe und Büffel lassen sich hier zum Grasen und Trinken am Ufer blicken. Vereinzelt ankern hier Fischer mit ihren Booten. Doch seit Weihnachten vergangenen Jahres ist in dieser sonst so verlassenen Gegend ein Kommen und Gehen. Über 55.000 Kongolesen haben sich seit Beginn des Jahres nach Uganda abgesetzt.

Die Flucht kann man nur unter Lebensrisiko unternehmen. Auf dem See gibt es oft hohen Wellengang, die meisten Flüchtlinge können nicht schwimmen. Trotzdem kommen täglich neue Boote an der Anlegestelle Sebaguru an. Ugandas Regierung hat gemeinsam mit dem UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR am Strand eine Auffang-Station eröffnet, um die Ankommenden zu betreuen. Mit im Team ist Daniel Tam vom UNHCR. Er schaut weit über die Wasseroberfläche des Sees. Manchmal kann man auf der anderen Seite Rauchsäulen erkennen – wenn die Dörfer dort in Brand gesetzt wurden. Dann weiß Tam, dass bald wieder Flüchtlingsboote zu erwarten sind.

„Sebaguru ist die Hauptanlegestelle, an welcher die Flüchtlinge vom Kongo täglich ankommen. Sie fliehen vor den Kämpfen, die auf der anderen Seite stattfinden. Die meisten sind traumatisiert von dem, was sie gesehen oder erlebt haben. Wir haben immer wieder Boote, die kentern. Die letzte Katastrophe passierte vergangene Woche. Eine Familie hat sich in ein großes Boot gerettet und auch 27 ihrer Kühe aufgeladen. Das Boot war total überladen und kenterte. Die Kühe sind alle ertrunken, aber wir konnten alle Menschen retten“, berichtet Daniel Tam.

Über sechs Stunden dauert die Überfahrt nach Uganda. Die meisten Flüchtlinge sind völlig ausgehungert und erschöpft, wenn sie aus den Booten steigen, tragen mühsam die Bündel mit ihren wenigen Besitztümern an Land: Kochgeschirr, Kleidung, einen Sack Maismehl oder eine Matratze. Meist konnten sie nicht mehr retten. Am Strand hat das Flüchtlingshilfswerk Zelte aufgebaut, Löcher für Latrinen gegraben. Helfer händigen Energiekekse und Wasser an hunderte von Menschen aus.

„Wir sind hier ziemlich gut organisiert. Wir haben Partnerorganisationen wie das Welternährungsprogramm, die hier Lebensmittel verteilen oder die medizinische Versorgung bereitstellen. Jeder weiß Bescheid, was er genau zu tun hat. Das funktioniert gut. Denn oft kommen große Boote an, mit bis zu 200 Menschen. Aber auch kleine mit 20 Menschen an Bord. Da müssen wir schnell reagieren, denn die Menschen leiden. Allein heute haben wir hier 582 Neuankömmlinge registriert“, erklärt Tam.

Unter den Neuankömmlingen sind sehr viele Kinder, Frauen und Alte. Auch Christine Baguma hat es geschafft. Die 25-Jährige kauert mit ihren drei Kleinkindern auf einer Bastmatte im Schutz eines Zeltes. Das Baby nuckelt an der Brust. Die anderen Kinder kauen Energiekekse, starren apathisch in die Luft. Sie machen einen traumatisierten Eindruck. Und auch der Mutter sieht man den Schock an. Sie fasst die Angriffe auf ihr Dorf an jenem Morgen in Worte.

„Wir kommen aus dem Dorf Joo, auf der gegenüberliegenden Seite des Sees. Es war noch früh am Morgen. Da kamen Männer mit Macheten aus dem Wald. Sie haben angefangen zu morden, den Menschen die Gliedmaßen abzuschneiden. Dann haben sie unsere Hütten angezündet. Wir konnten gar nichts mitnehmen. Ich habe mir einfach nur die Kinder geschnappt und bin gerannt. Zum Glück haben wir die Fischerboote. So konnten wir hierher fliehen. Ich bin mir sicher, die Männer waren von der Miliz der Lendu.“

Ein Reisebus kommt hinter dem Zaun zum Stehen. Mit ihm sollen die Flüchtlinge ins Flüchtlingslager Kyangwali weiter im Süden des Landes transportiert werden. Beim Einsteigen bildet sich ein Gedränge. Dann holpert der große Reisebus davon. Über unwegsame Straßen zur nächsten Etappe auf dem Weg der Flucht.

Seit über 15 Jahren haben sich Kongolesen in der gewaltigen Siedlung Kyangwali auf ugandischer Seite der Grenze niedergelassen. Die meisten sind nach dem letzten Konflikt in der kongolesischen Provinz Ituri in Uganda geblieben, sie trauen der Sache nicht. Im vergangenen Kongokrieg von 1998 bis 2003 hatten sich dort die blutigsten Massaker abgespielt. Milizen der Ethnien der Hema und der Lendu verstrickten sich in Gefechte um Landrechte und Ressourcen. Erst durch eine internationale Militärintervention konnten die gegenseitigen Racheaktionen 2003 letztlich unterbunden werden. Danach hielt sich der Frieden an der Grenzregion entlang des Albertsees relativ lange. Doch jetzt stehen die Dörfer wieder in Flammen.

In Kyangwali werden seit Beginn dieses Jahres über 55.000 Neuankömmlinge verzeichnet. Das Lager platzt aus allen Nähten. Der Reisebus, in dem auch Christine Baguma mit ihren drei Kindern sitzt, stoppt vor dem Eingangstor des gewaltigen Lagers. Alle müssen aussteigen. Über Lautsprecher übermittelt man den Flüchtlingen die Regeln im Lager.

Zunächst müssen sich alle die Hände waschen. Dann werden die Füße und Schuhe desinfiziert. Das Rote Kreuz will so ansteckenden Krankheiten vorbeugen. Über 30 Flüchtlinge sind in Kyangwali in den vergangenen Wochen an Cholera gestorben, bis zu tausend haben sich angesteckt. Die Flüchtlinge aus dem Kongo hätten die gefährliche Seuche mitgebracht, sagt Brian Atuyonza vom Roten Kreuz Uganda.

„Der Choleraausbruch wurde eingedämmt, doch wir vom Roten Kreuz mussten sehr viele Maßnahmen treffen. Wir müssen dafür Sorge tragen, dass wirklich jeder, der von außen in das Lager kommt, sich die Hände wäscht und sich desinfizieren lässt.“

Heute sind auch viele junge Männer unter den Hilfesuchenden. Das ist ungewöhnlich, denn meist werden sie von Milizen zwangsrekrutiert oder verteidigen ihre Dörfer als Bürgerwehren. Einer von ihnen ist Ate-Joel Piddu. Er ist 35 Jahre alt, treibt in seinem Heimatdorf Handel und arbeitet zusätzlich in der Pfarrei. Er gehört dem Stamm der Hema an, wie die meisten Flüchtlinge.

„Ich stamme aus dem Fischerdorf Joo auf der anderen Seite des Albertsees. Unser Dorf ist vor etwas mehr als einer Woche angegriffen worden. Es gab zwei Attacken in unserer Gegend. Die Angreifer sind Milizen. Es ist wie damals, von 1998 bis 2004, als bei uns Bürgerkrieg herrschte. Es ist, als würde sich das jetzt wiederholen. Es sind die Milizen der Ethnie der Lendu, die uns Hema jetzt wieder angreifen.“

Vor mehr als 15 Jahren starben in dem ethnischen Konflikt zwischen Lendu und Hema mehr als 50.000 Menschen. Damals vernichteten die beiden Gruppierungen in einer immer brutaler werdenden Spirale aus Rache und Vergeltung gegenseitig ihre Existenzgrundlage: Sie schlachteten Rinder, setzten Dörfer in Brand, vergewaltigten Frauen. Zwar wurden die Drahtzieher nach der internationalen Militärintervention 2003 festgenommen und dem internationalen Strafgerichtshof in Den Haag überantwortet. Aber seit etwa zwei Jahren eskaliert die Lage wieder. Wobei die Ursachen wohl eher in der 2.000 Kilometer entfernten Hauptstadt Kinshasa zu suchen sind.

In der Hauptstadt ist laut Angaben der UN seit Ende 2016 eine Art politisches Vakuum entstanden. Nach dem Ablauf seiner Präsidentschaft verhinderte Joseph Kabila bis heute die notwendigen Neuwahlen. Stattdessen zetteln Hintermänner in der Hauptstadt Konflikte in den Provinzen an. Und die wiederum verhelfen Präsident Kabila dazu, die Aufschiebung der Wahlen zu begründen: zuerst brachen im Süd-Kongo in Kasai im vergangenen Jahr brutale Auseinandersetzungen aus – jetzt entflammt der Konflikt wieder in Ituri im Ostkongo.

Die UN verlangt von Kongos Regierung, bald Wahlen durchzuführen. Dass diese lokalen Konflikte absichtlich angeheizt werden, um den Präsidenten weiter im Amt zu halten, das sehen auch viele Analysten so,

Ate Joel Piddu hat sich eingereiht in eine Warteschlange vor dem Auffanglager. Das Zelt am Eingang, in dem die Neuankömmlinge mit Desinfektionsmittel behandelt werden, ist ihre erste Station hier. Danach werden sie von Beamten des ugandischen Flüchtlingsministeriums registriert. Fotos und Fingerabdrücke werden erstellt. Die Flüchtlinge erhalten eine ID-Karte. Mit dieser können die Familien Lebensmittelrationen, Decken und Kochgeschirr beziehen. Sie erhalten einen Gesundheits-Check von den Ärzten, die Kinder werden systematisch geimpft. Erst dann dürfen sie in die eigentliche Siedlung Kyangwali, wo ihnen eine Hütte zugewiesen wird oder ihnen Baumaterialien ausgehändigt wird, um sich selbst eine Unterkunft zu bauen. Uganda hat noch eine der aufnahmefreundlichsten Flüchtlingspolitiken weltweit – keiner wird abgewiesen – zum Teil lassen sich die Menschen hier ganz nieder und denken nie wieder an eine Rückkehr.




Quelle: Gebende Hände-Redaktion; nach einer Information von: „Deutschlandfunk“, dradio.de

Schlagwörter: Uganda, Flüchtlinge, Kongo, Albertsee, UN, Boote, Kinshasa, Vakuum, ethnische Auseinandersetzungen, Massaker, Lendu, Hema, Flüchtlingslager, Kyangwali, Cholera, Flüchtlingspolitik, Aufnahme, Joseph Kabila