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Mexiko: „Die Korruption steckt im System“ – Wahlen am 1. Juli

Meldung vom 14.05.2018

Mexiko ist im Wahlkampffieber. Derzeit liegt der linke Kandidat López Obrador vorne bei den Umfragen für die Präsidentenwahl. Er zieht seinen Vorteil aus der Korruption im Land – doch auch seine Vergangenheit ist nicht makellos.

In Mexiko gilt ein Gebäude geradezu als Wahrzeichen der Korruption, gemeint ist die „Casa Blanca“. Die Villa in einem noblen Viertel in Mexiko-Stadt konnte man vor zwei Jahren sogar kurzzeitig in der Suchmaschine Google Maps finden. Angélica Rivera, die Frau von Präsident Enrique Peña Nieto, hatte das Wertobjekt im Wert von rund sieben Millionen Dollar von einem Unternehmer und Vertrauten von Peña Nieto gekauft.

Dem Bauunternehmen des Mannes fielen Staatsaufträge zu, als Peña Nieto Gouverneur des Bundesstaates México war. Ob die Villa als Gegenleistung dafür gedacht war? Als der Fall ins Licht der Öffentlichkeit geriet, wurde der Kauf der Villa jedenfalls rückgängig gemacht. Zwei Jahre später entschuldigte sich Peña Nieto öffentlich für „den Fehler“ – das war alles, es gab keine Konsequenzen.

Es blieb nicht der einzige dubiose Vorfall in der sechsjährigen Amtszeit von Peña Nieto, die in diesem Jahr ausläuft. Mehreren Gouverneuren seiner Partei der Institutionellen Revolution (PRI) wurde in den vergangenen Jahren Korruption nachgewiesen. Vor einigen Monaten wurde bekannt, dass zwischen 2013 und 2014 über Verträge zwischen staatlichen Universitäten und Scheinfirmen 192 Millionen Dollar veruntreut wurden. Mindestens zwei Minister und ein Gouverneur der PRI sollen an den Machenschaften beteiligt gewesen sein. Und auch die Spuren der Schmiergelder, die der brasilianische Baukonzern Odebrecht in Mexiko aushändigte, verwiesen auf die oberste Regierungsebene.

Es ist daher keine Überraschung, dass drei Viertel der Mexikaner ihren Präsidenten für korrupt halten. Doch die Wahrnehmung bleibt nicht nur bei der Regierung stehen. Die Mexikaner definieren Korruption als eines der drei größten Probleme des Landes – zusammen mit Gewalt und Armut. Die angestaute Frustration der Bevölkerung hat die Politik unter Druck gesetzt. In einer fast historischen Abstimmung hat das Abgeordnetenhaus vor kurzem in eine seit langem verlangte Verfassungsänderung eingewilligt, um die Immunität der Staatsbediensteten – von den Parlamentariern über die Richter bis hin zum Präsidenten – aufzuheben.

Derzeit sind die Amtsträger noch von Strafverfolgung ausgenommen. Die Immunität sollte einst den Schutz der Meinungsfreiheit gewährleisten; sie ließ leider aber auch die Korruption wuchern. Die Abgeordneten haben die Verfassungsänderung einstimmig angenommen. Am 1. Juli sind Wahlen in Mexiko, und die Bestechlichkeit ist im Wahlkampf fast zum Motto geworden. Jede Partei will sich im Kampf gegen die Korruption überbieten.

Politische Beobachter würdigen zwar den Beschluss der Abgeordneten. Doch sie stimmen darin überein, dass allein die Aufhebung der Immunität das Problem nicht behebt. „Die Korruption steckt im System“, meint María Amparo Casar, die Leiterin der Organisation Mexicanos contra la Corrupción y la Impunidad (MCCI). Die Nichtregierungsorganisation hat sich die Korruptionsbekämpfung zum Ziel gemacht, wobei sie auch investigativen Journalismus bewahren will. Zwei Dutzend Skandale konnte MCCI in den vergangenen zwei Jahren enthüllen – allen Drohungen und Schikanen zum Trotz.

Laut Amparo kommen in Mexiko jährlich vier Millionen Fälle von Korruption vor. Bei den meisten handle es sich um kleine Delikte, etwa wenn Bürger Geld dafür entrichteten, damit der Müll abtransportiert werde, oder für andere eigentlich kostenlose Dienstleistungen. Die großen Beträge werden über Staatsaufträge abgewickelt. Mehr als die Hälfte aller öffentlichen Aufträge werden in Mexiko ohne Ausschreibung vergeben – und anschließend überteuert. Der Schaden, den die Korruption jährlich zur Folge hat, wird auf mindestens zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts beziffert: rund zwanzig Milliarden Dollar.

„Mexiko hat gute Gesetze, doch sie werden nicht umgesetzt“, kritisiert Amparo. So wird ein großer Teil der Skandale nie zur Anzeige gebracht. Und falls doch, quält sich der Fall durch einen langen Prozess in der Justiz, die ebenfalls käuflich ist. Das Ergebnis: Bestechlichkeit wird in Mexiko so gut wie nie geahndet. Deshalb profitiert man davon. „Ein Teufelskreis“, klagt Amparo. „Die Straflosigkeit ist die Wurzel des Problems.“

Mittlerweile greift die Korruption systematisch um sich. Ursache dafür ist vor allem die hegemoniale Stellung der PRI. Die Partei konnte mehr als siebzig Jahre lang praktisch allein herrschen. Die Justiz ist unter der PRI zu einem Werkzeug verkommen, mit dem man Freunde deckt und Feinde niederschlägt. Daran hat sich bis heute nichts geändert.

Diese Prozesse kann man am laufenden Wahlkampf um die Präsidentschaft sehen. Der Regierungskandidat José Antonio Meade erfreut sich keiner großen Beliebtheit und liegt in den Umfragen auf dem dritten Platz. Die PRI hat sich voll darauf konzentriert, den direkten Konkurrenten in der politischen Mitte, Ricardo Anaya, auszuschalten. Seit Wochen wird Anaya, der für ein Bündnis der bürgerlichen Nationalen Aktionspartei (PAN) und der linken Partei der Demokratischen Revolution (PRD) ins Rennen geht und in den Umfragen an zweiter Stelle liegt, mit dem Vorwurf der Geldwäsche verunglimpft.

Der Rufmord gegen Anaya wurde von der Zeitung El Universal gefördert, die der PRI nahesteht. Die Recherchen beziehen sich auf Informationen, die nur von staatlichen Stellen herrühren können. Anaya nennt das Vorgehen eine Hetzjagd der Regierung. Bisher konnte ihm nichts bewiesen werden. Aber es ist offensichtlich, dass die PRI den Staatsapparat instrumentalisiert, um seine Gegner zu schwächen.

Strahlender Sieger in dem Kampf zwischen den traditionellen politischen Kräften ist Andrés Manuel López Obrador von der neuen Linkspartei Bewegung der Nationalen Erneuerung (Morena). Während sich die beiden anderen Kandidaten mit gegenseitigen Korruptionsvorwürfen aushöhlen, verzeichnet López Obrador einen wachsenden Vorsprung. Laut den jüngsten Umfragen haben sich mehr als vierzig Prozent entschlossen, den Übervater der mexikanischen Linken zu wählen.

Doch sein Erfolg gründet weniger auf seinem Programm als vielmehr darauf, dass López Obrador der Kandidat ist, der am weitesten entfernt ist von der verhassten politischen Elite. In den vergangenen zehn Jahren ist die Zufriedenheit der Mexikaner mit der Demokratie von 41 auf 18 Prozent gefallen. Diesen Absturz macht sich der vermeintliche Außenseiter zunutze. Die Politologin Irma Eréndina Sandoval erklärt: „López Obrador ist weniger Politiker als die anderen. Er ist ein Aktivist und eine Führungsfigur.“

Das Image des Saubermanns hat López Obrador zum derzeit gefragtesten Politiker des Landes avancieren lassen. Keiner versteht es besser, die Unzufriedenheit der Mexikaner für seinen Wahlkampf zu manipulieren. Doch auch López Obrador hat keine tadellos reine Weste. Er ist kein Neuling im Geschäft der Politik. Lange war er selbst Mitglied der PRI, bevor er die PRD ins Leben rief. Als er zwischen 2000 und 2005 Regierungschef des Bundesdistrikts Mexiko-Stadt war, wurden auch Politiker aus seinem Umfeld in Skandale verwickelt. Ihm selbst konnte nie konkret etwas Negatives bewiesen werden, doch war seine Regierung genauso undurchsichtig wie die anderen. Auch fragen sich viele Mexikaner, wovon López Obrador eigentlich lebt. Seit Jahren reist der Berufspolitiker pausenlos durchs Land, doch über ein festes Einkommen verfügt er nicht. Die Partei komme für alles auf, heißt es.

In Mexiko werden die Parteien öffentlich finanziert, um ihrer Abhängigkeit von der Privatwirtschaft entgegenzusteuern – und ihrer Anfälligkeit für Korruption. Doch in der Praxis genügt das Geld nicht, um die Kosten für die aufwendigen Kampagnen zu decken. So haben sich die mexikanischen Wahlkämpfe zu wahren Festivals der Korruption gewandelt. Laut den Studien von MCCI kommen auf jeden Peso öffentlicher Parteienfinanzierung rund sechs bis zehn Pesos aus unsauberen Quellen: veruntreute Staatsgelder, überteuerte Bauprojekte oder „Vorschüsse“ von legalen und kriminellen Firmen. Jede Amtsperiode ziehe eine Gruppe von Gewinnern in der Wirtschaft nach sich, sagt Amparo. Zufall sei das nicht!

Man müsse nur den Bargeldfluss verfolgen. Statistiken dokumentieren, dass die Menge der Bargeldtransaktionen in Mexiko sich in einem Wahljahr jeweils vervielfacht. „Es ist so offensichtlich, was geschieht“, meint Amparo. Die Korruption ist schwer zu entfilzen, das werde so schnell nicht gelingen, wer auch immer der nächste Präsident von Mexiko sei. „Wenn der Präsident nicht stiehlt, bedeutet das nicht, dass niemand mehr stiehlt. Das ist naiv.“ Es müssten stärkere Institutionen außerhalb der Reichweite der Politik geschaffen werden. Sonst ende letztlich auch die Korruptionsbekämpfung wieder nur als Mittel, um politische Gegner Schachmatt zu setzen.




Quelle: Gebende Hände-Redaktion; nach einer Information von: „Frankfurter Allgemeine Zeitung“, faz.net

Schlagwörter: Mexiko, Wahlen, Wahlkampf, Enrique Peña Nieto, Korruption, Schmiergelder, Wahlkampagne, Staatsaufträge, Veruntreuung, Bestechung, Bestechlichkeit, José Antonio Meade, Andrés Manuel López Obrador, Ricardo Anaya, Geldwäsche