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Nicaragua: Rückeroberung der Demokratie

 
Meldung vom 14.06.2018

Die Krise in Nicaragua hält an. Täglich hört man von Demonstrationen und Toten. Auch die Nicaraguaner, die in Deutschland leben, wollen ihren Landleuten den Rücken stärken, und versammeln sich inzwischen in Berlin zu Protestkundgebungen.

Am 10. Juni kamen rund 200 Nicaraguaner am Brandenburger Tor in Berlin zusammen, um gegen die Regierung unter Daniel Ortega und Rosario Murillo zu protestieren. Solidaritätsgruppen aus ganz Deutschland – alte und neue – kamen an diesem Sonntag (10.06.2018) in der Hauptstadt an und stießen zu einer europaweiten Kundgebung dazu, die simultan in zwölf europäischen Hauptstädten durchgeführt wurde, berichtet das Netzwerk SOS Nicaragua.

Die Tage davor waren laut Augenzeugenberichten aus Nicaragua wieder Tote in Granada, Masaya, Managua und Jinotega zu beklagen. In Managua wurde ein Mopedfahrer mit Genickschuss ermordet. In Ciudad Sandino gerieten mehrere Jugendliche, die in einem Mototaxi unterwegs waren, von Männern in einem vorbei fahrenden Pickup unter Beschuss. Glücklicherweise starb diesmal niemand. Beobachter vor Ort und Menschenrechtsorganisationen klagen die Regierung an, systematische Verfolgung zu betreiben.

All das geschieht kurz nachdem die Bischofskonferenz um ein Treffen mit dem Präsidenten gebeten hatte, um darüber nachzudenken, wie man den Dialog wieder aufnehmen könnte. Die anschließende Pressekonferenz währte genau drei Minuten. Kardinal Brenes las eine Presseerklärung vor, in der mitgeteilt wurde, dass die Bischöfe einen Brief überreicht und der Präsident um ein paar Tage gebeten hatte, um auf den Brief schriftlich zu reagieren. Da bis gestern keine schriftliche Antwort einging, deutete einer der Bischöfe die verstärkte Gewalt als Antwort auf den Brief. Jetzt soll das Unterfangen noch in eine letzte Runde gehen, in der der Dialog formal aufgelöst wird.

Die Zahl der Straßensperren hat sich inzwischen auf über 125 vergrößert und Managua ist faktisch vom Hinterland abgeschnitten. 200 Polizisten haben laut einem Bericht des Nuevo Diario ihre Arbeit ostentativ niedergelegt. Laut Augenzeugen wird die Lage immer chaotischer. Menschen fürchten Lebensmittel-, Treibstoff- und Trinkwasserengpässe.

Hinzu kommt in Zeiten des Internets und der Fake News die unlösbare Aufgabe, wahre von falschen Informationen auszusondern. Die Anhänger Ortegas streuen das Gerücht, die Konflikte seien Resultat einer lang geplanten Aktion der USA. Im Internet werden Grafiken über verschiedene Projekte gepostet, die beweisen soll, dass die USA seit Jahren einen „weichen“ Staatsstreich geplant haben und jetzt 7.000 Soldaten nach Costa Rica entsandt haben. Es fällt kaum auf, dass das Beweisfoto aus 2010 stammt.

Gleichzeitig wird darüber spekuliert, dass Daniel Ortega mit den USA, OEA, UN, der Armee und den Großunternehmern über seinen Rücktritt verhandelt, das umfasst vorgezogene Wahlen 2019, Sicherheitsgarantien für ihn und seine Familie, Blauhelmeinsatz und Neubesetzung des nationalen Wahlrates. Die USA betonten gestern, dass sie die Bestrebungen der Bischöfe unterstützen und ein republikanischer Senator hat seinen Mitarbeiter Caleb McCarry damit beauftragt, Nicaragua bei dem Dialog zu helfen. Er wurde von Daniel Ortega empfangen.

Dass derweil um Ortegas Anwesen die Mauern noch einmal um drei auf geschätzte mindestens 10 Meter erhöht und der Sicherheitsbereich vergrößert wurde, ist nicht unbedingt ein Anzeichen für Rücktrittspläne. Zumindest wird der Rücktritt nicht als der einzige Ausweg gesehen. Auf dem Flughafen wurde eine Transportmaschine aus Venezuela beobachtet. Man rechnet damit, dass sie Waffen und Munition geladen hat. Und das, obwohl die Repressionsstrategie auf lange Sicht hin kaum erfolgsversprechend ist, und die Kontrolle des Landes damit nicht mehr wiederzugewinnen ist, wie Ereignisse der letzten Tage zeigen.

In Masaya kam es wieder zu Opfern, obwohl sich die Viertel dort seit einer Woche zusammengetan haben. Seitdem es in jedem Viertel mehrere Straßensperren gibt, kommt es zumindest nicht mehr zu Plünderungen. Die Polizei hat sich seit mehreren Tagen in ihrem Polizeigebäude verschanzt und kommt nicht mehr heraus. In Jinotega fanden den ganzen Sonntag Schussgefechte statt. Inzwischen sind die Straßen voller Barrikaden, und einige Frauen stellen sich der Bereitschaftspolizei in den Weg. Sie geben so klar zu erkennen, dass die Polizisten in ihrem Viertel unerwünscht sind und tatsächlich ziehen sich die Beamten zurück.

Die Straßensperre in Sebaco wurde Sonntagnacht von der Bereitschaftspolizei und den „turbas“, den paramilitärischen Gruppen der Regierung, gestürmt. Eine Person starb dabei. Mehrere Polizisten und Protestierende erlitten Verletzungen. Die Protestierenden nahmen einen lokalen FSLN Funktionär und mehrere Polizisten fest, die sie dann an eine Menschenrechtsorganisation auslieferten. Inzwischen haben die Protestierenden die Straßensperre aufgegeben, da die Bereitschaftspolizei hart durchgriff und die Menschen bis in ihre Häuser verfolgt wurden.

Im Managua wurden gestern mehrere Viertel im Osten der Stadt von einem großen Kontingent an Bereitschaftspolizisten in Kooperation mit den „turbas“ attackiert. Es wurden Maschinengewehre der russischen AK 47 eingesetzt, um die Menschen einzuschüchtern. Auch hier drangen die Truppen in mehrere Häuser ohne jeglichen Durchsuchungsbefehl ein. Es kam zu mehreren Verwundeten und einigen „Entführungen“, wobei nicht klar ist, ob die Betroffenen festgenommen oder einfach von den „turbas“ verschleppt wurden. Die harte Maßnahme betraf zumeist die Viertel, in denen am Sonntag ein Autokorso der Protestierenden bejubelt wurde. In Mulukuku wurde ein Polizeiposten gestürmt und es kamen zwei Polizisten ums Leben.

In Estelí wurde ein junger Protestierender an einer Straßensperre getötet. Weitere Straßensperren in Estelí gibt es nicht. Die Bevölkerung scheint in einer Schockstarre zu sein, nachdem in den letzten Wochen mehrere Personen durch Scharfschützen umgekommen sind. Zudem durchstreifen alte frühere Kämpfer der Sandinistischen Nationalen Befreiungsfront (FSLN) mit schweren Waffen die Stadt.

Die Jugend in Nicaragua scheint fest überzeugt, dem Ortega-Regime ein Ende setzen zu wollen. „Die Demokratie wurde in Geiselhaft genommen“, proklamierte kürzlich mutig der Studentenführer Lesther Alemán in einem Interview mit dem TV-Sender Univision. Nicaraguas Jugend ist entschlossen, die Demokratie zurückzuerobern.






Quelle: Gebende Hände-Redaktion; nach einer Information von: „Die Tageszeitung“, taz.de

Schlagwörter: Nicaragua, Demonstrationen, Krawalle, Kundgebungen, Daniel Ortega, Rosario Murillo, Rücktritt, Straßenbarrikaden, Polizisten, paramilitärische Einheiten, Gewalt, Waffen, Managua, Jugend, Demokratie, Repression, Menschenrechtsorganisationen, Tote, Opfer, Rebellion, Dialog, Bischofskonferenz