Äthiopien: Zu schön, um wahr zu sein – 354 Millionen Bäume an einem Tag gepflanzt

 
Meldung vom 05.08.2019

In Äthiopien wurden 354 Millionen Bäume in zwölf Stunden gepflanzt. Damit will das Land den Weltrekord im Bäumepflanzen gebrochen haben.

Doch hauptsächlich geht es Äthiopien darum, seine Wälder aufzuforsten. Deswegen hat es zu einer gigantischen Mitmachaktion aufgerufen. Vergangene Woche meldete die Regierung einen Weltrekord – noch nie wurden so schnell so viele Setzlinge eingegraben.

Der Plan ist ehrgeizig: Vier Milliarden neue Bäume möchte Äthiopien zwischen Mai und Oktober 2019 pflanzen, und dafür eignet sich am besten die Regenzeit in der sonst sehr trockenen Region. Ein erstes wichtiges Etappenziel wurde nun erreicht: Allein am Montag (29.07.2019) hat die Bevölkerung des Landes offiziellen Schätzungen zufolge innerhalb von zwölf Stunden fast 354 Millionen neue Setzlinge in frische Erde eingegraben.

Die Aktion wurde im Zuge der “green legacy“-Initiative von Ministerpräsident Abiy Ahmed durchgeführt. Er möchte jeden der gut 100 Millionen Einwohner dazu auffordern, in diesem Jahr 40 Bäume zu setzen. Offenbar soll sogar in öffentlichen Einrichtungen der Betrieb niedergelegt worden sein, damit sich auch die Staatsbediensteten an der Aktion beteiligen können.

Und das tut auch Not, denn in Äthiopien ist der Waldschwund enorm. Der Staat ist nach Nigeria der bevölkerungsreichste Afrikas. 80 Prozent der Menschen bestreiten ihren Lebensunterhalt durch Landwirtschaft. Doch Dürren und Fluten, die im Zuge des globalen Temperaturanstiegs immer häufiger geschehen, reduzieren die Lebensgrundlage der Menschen immer mehr. Um etwas dagegen zu halten, hat sich das Land 2017 einer Initiative von 19 weiteren afrikanischen Staaten angeschlossen, deren Ziel es ist, 100 Millionen Hektar Wald zu pflanzen. Laut UN waren 35 Prozent der Fläche Äthiopiens bis Ende des 19. Jahrhunderts bewaldet. In den letzten Jahren kam das Land auf nur noch vier Prozent Waldfläche.

Überall herrschte große Euphorie: Das ursprüngliche Ziel der Aktion, an einem Tag 200 Millionen Bäume zu setzen, wurde deutlich überflügelt. Dabei sah es am Montagmittag noch so aus, als müsse man sich mit weniger zufrieden geben: „Wir haben die Hälfte geschafft“, twitterte Präsident Abiy Ahmed nach sechs Stunden, als gut 100 Millionen sich an der Begrünungsaktion beteiligt hatten, und ermutigte seine Landsleute, verstärkt zuzupacken.

Medien auf der ganzen Welt titelten über diesen Erfolg. Die Aktion kam gerade rechtzeitig, denn kürzlich kam eine Studie zu dem Resultat, dass Aufforstungen die beste Maßnahme wäre, um die Erderwärmung aufzuhalten. Das gab natürlich Zusatzapplaus in den sozialen Medien. Doch manch einer bezweifelt auch die Ergebnisse dieser Massenaktion. Der Berliner Agrarforscher Jonah Wedekind von der Humboldt-Universität gab auf Twitter zu bedenken, dass die von der äthiopischen Regierung organisierte Green-Legacy-Kampagne wohl eher eine politische Maßnahme sei, um ein Gemeinschaftsgefühl zwischen den zerstrittenen Ethnien herzustellen, als dass sie ökologisch sinnvoll sei.

Einigkeit herzustellen sei natürlich keine schlechte Absicht, doch der Aktion und den gemeldeten Zahlen schenkt Wedekind nicht so viel Vertrauen. Es gab im Land lange die Tradition, Zahlen aus den Regionen stark zu beschönigen und so der Verwaltung zu präsentieren. Und tatsächlich muss man nur nachrechnen, um selbst ein Fragezeichen hinter die Aktion zu setzen. Nach den offiziellen Zahlen wären 468.000 Bäume pro Minute gesetzt worden. Das ist sicher nicht völlig abwegig, wenn man wirklich viele der 110 Millionen Äthiopier in Bewegung setzt, aber es ist auch 14 Mal mehr als beim bisherigen Weltrekord im Bäumepflanzen herauskam. Den stellten 800.000 Inder im Juli 2016 auf.




Quelle: Gebende Hände-Redaktion; nach einer Information von: „Spiegel Online“, spiegel.de