Indien: Explosiv – Indien hebt Autonomie Kaschmirs auf

Meldung vom 16.08.2019

Indiens hindunationalistische Regierung löst die Bundesstaaten Jammu und Kaschmir auf. Wegen befürchteter Unruhen muss die Opposition in den Hausarrest.

Indien hat am Montag (05.08.2019) die Artikel 370 und 35A der indischen Verfassung aufgehoben, die dem Bundesstaat Jammu und Kaschmir Autonomie zusprachen. Nun ist man bestrebt, den immer wieder von Unruhen erschütterten Staat zu teilen und voll in die Indische Union einzugliedern. Das teilte Innenminister Amit Shah am Montagmorgen mit.

Laut Shah sollen Jammu und Kaschmir von Ladakh separiert und als eigene „Unionsterritorien“ direkt von Neu-Delhi aus regiert werden. Damit setzt die hindunationalistische Regierung von Premierminister Narendra Modi einen Schlussstrich unter einen 70 Jahre währenden politischen Kurs für den zwischen Indien und Pakistan umstrittenen Staat – mit dramatischen Folgen.

Am Sonntag wurde wegen des zu erwartenden Widerstands allen relevanten Oppositionsführern in Kaschmir Hausarrest auferlegt, es bestand ein totales Versammlungsverbot und alle Kommunikationskanäle wurden gesperrt. „Möge Allah uns retten“, twitterte Omar Abdullah von der Kongress-Partei. Der ehemalige Ministerpräsident des Staates nannte den Vorgang eine „schockierende Entscheidung“ und einen „totalen Betrug an dem Vertrauen, das die Menschen in Kaschmir in Indien gesetzte hatten“.

Der Verfassungsartikel 370 von 1949 ist eine „vorläufige Bestimmung“ der indischen Verfassung, die dem Staat Jammu und Kaschmir außer in Fragen der Außen-und Verteidigungspolitik sowie Kommunikation Unabhängigkeit einräumt. Artikel 35A wurde 1954 in der Verfassung verankert und gesteht dem lokalen Parlament zu, festzulegen, wer Bürger des Staates ist und wer dort Eigentum kaufen und Regierungsämter erhalten kann.

„Heute ist der dunkelste Tag in der indischen Demokratie“, klagte Mehbooba Mufti von der Demokratischen Volkspartei (PDP), die noch bis 2018 in einer Koalitionsregierung mit Modis BJP Ministerpräsidentin in Kaschmir war. Sie und Sajjad Gani Lone, Präsident der Jammu und Kaschmir Volkskonferenz, der 2014 Modi unterstützt hatte, müssen ebenfalls Hausarrest über sich ergehen lassen. Mufti beschuldigte die Regierung „finsterer“ Machenschaften und sagte, Neu-Delhi wolle die „Demografie Jammus und Kaschmirs“ manipulieren.

In der Tat entspricht der als Hardliner bekannte neue Innenminister Amit Shah mit der Aufhebung der Autonomie des Staates einer alten Forderung der politischen Rechten in Indien. Der Rashtriya Swayamsevak Sangh (RSS), die ideologische Pionierorganisation der regierenden Bharatiya Janata Partei (BJP), hat die Islamisierung Kaschmirs (die bereits im 13. Jahrhundert begann) immer mit Misstrauen beobachtet und beansprucht die Region als Reich der Göttin Saraswati.

In einem 1947 herausgegebenen RSS-Papier mit dem Titel „Zur Bedeutung Kaschmirs“ lautet es, Kaschmir könne „Millionen Menschen aus Indien aufnehmen. So kann eine Mehrheit in eine Minderheit verwandelt werden. […] Aber vor allem hat Kaschmir für uns historische Bedeutung. Vor nicht einmal tausend Jahren war es ein Sitz der Hindu-Kultur und des Hindu-Wissens.“

Doch auch jenseits von ideologischen und religiösen Fragen gibt es Probleme mit der Region. Der Konflikt um Kaschmir, um das die Atommächte Indien und Pakistan bereits drei Mal in einen Krieg gezogen sind, ist eine Folge des Zusammenbruches des britischen Kolonialreichs und der damit einhergehenden unguten Teilung Indiens. Pakistans Premierminister Imran Khan hab am Sonntag über Twitter bekannt, dass Indiens „aggressive Aktionen“ das Potenzial hätten, „die Region in eine Krise zu stürzen“.


Quelle: Gebende Hände-Redaktion; nach einer Information von: „Die Tageszeitung“, taz.de