Uganda: Verkehrs-Chaos und Corona

Meldung vom 17.08.2020

Motorradtaxis sind in Kampala, der Hauptstadt Ugandas, ein beliebtes Fortbewegungsmittel für die Bevölkerung. Das Motorrad ist viel preiswerter und kommt in den verstopften Straßen viel schneller voran. Doch als die Corona-Krise begann, machte die Regierung den Betreibern einen Strich durch die Rechnung. Die Motorradtaxis durften keine Passagiere mehr transportieren. Die Motorradtaxifahrer gelten bei den Behörden als potenzielle Virenträger – und haben zudem den Ruf, unliebsame Regierungsgegner zu sein.

„Erst durften wir monatelang nicht arbeiten und konnten unsere Familien nicht ernähren, und jetzt das!“, empört sich Steven Ssentongo. Der 25-jährige Motorradtaxifahrer aus Uganda hegt Groll gegen die „korrupten Politiker, die nie an uns Leute ganz unten denken“.

Uganda lockert nach knapp acht Wochen die Ausgangssperre nur zaghaft. Die Ausgangssperre wurde im Mai auf wenige Stunden nachts verringert, Geschäfte und Restaurants dürfen wieder Gäste empfangen. Minibusse und Taxis, auch Motorradtaxis, durften bislang noch nicht Passagiere befördern. Dies ist jetzt wieder genehmigt.

Doch Präsident Yoweri Museveni hat strikte Regeln angeordnet: Fahrer und Passagiere sollen neben Helmen auch Masken tragen. Motorradtaxifahrer müssen sich registrieren lassen, die Sitze müssen nach jeder Fahrt desinfiziert werden, die Kontaktdaten aller Passagiere werden festgehalten. Außerdem dürfen sie die staugeplagte Innenstadt nicht befahren.

Diese Bestimmungen machen Ssentongo jetzt zu schaffen: „Alle Kontakte aufzuschreiben kostet Zeit, und die meisten meiner Fahrten gehen in die Innenstadt“, beschwert er sich. Immerhin kann er schreiben. In den ländlichen Re­gio­nen verbreiten sich die Neuigkeiten, dass Motorradfahrer nach Lehrern Ausschau halten und sie bezahlen, damit sie ihnen das Schreiben beibringen oder die Registerbücher für sie führen. Da die Schulen geschlossen sind, sind die meisten Lehrer ohne Arbeit und benötigen das Geld.

„Boda-Boda“ nennt man die Motorradtaxen in Uganda. Das Wort stammt von dem englischen Wort „Border“ (Grenze). Früher wurden sie als typisches Transportmittel über die Grenzen nach Kenia und Tansania genutzt, weil Autos nicht durchgelassen wurden. Mittlerweile sind sie in Uganda das am meisten frequentierte Verkehrsmittel. Allein in Kampala, wo auf den engen Straßen zu Hauptverkehrszeiten oft alles ins Stocken gerät, sind über 200.000 unterwegs. Sie schlängeln sich durch die wartenden Autos hindurch, zur Not nimmt man auch den Bürgersteig.

Boda-Bodas sind in Uganda, wo drei Viertel der Bevölkerung unter 30 Jahre alt sind und viele keine Erwerbstätigkeit haben, die größte Einnahmequelle für junge Männer. Besonders für diejenigen, die wie Ssentongo nur eine Grundschulbildung haben und kaum lesen und schrei­ben können. Der Sektor ist damit nicht nur wirtschaftlich bedeutend, sondern auch politisch: Er gibt ungebildeten jungen Männer eine Beschäftigung, die sonst aus Unzufriedenheit schnell gewalttätig werden.

Doch jetzt sind Ugandas Boda-Boda-Fahrer die wahren Leidtragenden der Corona-Krise. Bereits Ende Juli 2020 erließ Betty Amongi, Ministerin für Kampala, einen Boda-Boda-Verbot für die Innenstadt: „Dort herrscht dichtes Gedränge und eine hohe Menschenansammlung“. Polizisten wurden eingesetzt, um Fahrer, die der Anordnung nicht folgten, anzuhalten. Knapp 1.000 Motorräder wurden allein an einem Wochenende konfisziert.

Musatafa Mayambala, Vorsitzender der Transportbehörde (Utrada), die für die Rechte der Bodas eintritt, wirft der Stadtverwaltung Kampalas vor, bei der Aufstellung dieser Regeln die Betroffenen nicht miteinbezogen zu haben. „Das ist unfair“, meint Mayambala. Er verlangt Gespräche, sonst stünden Streiks und Proteste bevor, warnt er.

Dies hat die Regierung aufmerken lassen. Ugandas Boda-Fahrer sind bereits bekannt als Anhänger der Opposition und waren bereits in der Vergangenheit in zahlreiche Aufstände in Kampala verwickelt. Anfang 2021 sind Wahlen anberaumt, die in Uganda niemals ohne gewaltsame Proteste ablaufen. Präsident Yoweri Museveni wird nach dann 35 Jahren an der Macht erneut antreten.

Um die Gemüter zu kühlen, schaltete sich Transport­minister Katumba Wamala ein und gab den Boda-Boda-Fahrern eine Dreimonatsfrist bis November. Bis dahin sollen alle landesweit regis­triert werden, neue Nummernschilder anbringen und die neuen Regeln einhalten. Und man werde bis dahin Straßenschilder errichten, die die boda-freien Zonen anzeigen.

Doch Amongi verdeutlichte nochmals, dass keine Ausnahmen akzeptiert würden: „Alle Boda-Boda-Fahrer müssen sich an diese Regeln halten.“ Für Steven Ssentongo gibt es also keine Alternative. Er hat sich Stifte, ein Notiz­buch und Desinfek­tions­spray angeschafft und sagt: „Ich muss wohl jetzt meine Preise erhöhen, um nicht nur meine Anschaffungen, sondern auch die verlorene Zeit wettzumachen.“


Quelle: Gebende Hände-Redaktion; nach einer Information von: „Die Tageszeitung“, taz.de