Äthiopien: Krieg in Tigray – Dutzende zivile Opfer

 
Meldung vom 13.11.2020

Der Konflikt in Tigray in Äthiopien verschärft sich. Das äthiopische Parlament setzte einen neuen Regierungschef für die abtrünnige Region ein. Der Einsatz von Militär in der Region wurde intensiviert. Die EU sieht eine humanitäre Katastrophe bevor.

Das äthiopische Parlament hat einen neuen Regierungschef in der abtrünnigen Region Tigray aufgestellt. Die Entscheidung wurden einen Tag, nachdem das Parlament den bisherigen Präsidenten von Tigray, Debretsion Gebremichael, abgesetzt hatte, getroffen.

Gebremichael hatte im September die Mehrheit der Stimmen in seiner Region gewonnen und ist Chef der Tigray Volksbefreiungsfront TPLF. Die Zentralregierung in Addis Abeba hatte die Wahl allerdings für ungültig erklärt, was nun den militärischen Konflikt ausgelöst hat. Die Regierungstruppen marschieren weiter in die Region vor.

Am Donnerstag (12.11.2020) hatte Ministerpräsident Abiy Ahmed erklärt, die Regierungstruppen hätten bereits Teile des abtrünnigen Bundesstaates Tigray in den Griff bekommen. Das UN-Flüchtlingshilfswerk berichtete von allein 11.000 Menschen, die sich wegen der etwa einwöchigen blutigen Ausschreitungen in den benachbarten Sudan gerettet hatten.

Bei den Kämpfen wurden offenbar viele Zivilisten getötet. Bilder, die in den sozialen Netzwerken verbreitet wurden, dokumentieren, wie Dutzende Leichen in einem Dorf im Nordwesten der Tigray-Region auf Bahren fortgetragen werden. Amnesty International nannte die Geschehnisse ein Massaker unter der Zivilbevölkerung. Der Menschenrechtsorganisation zufolge konnte die Echtheit der Bilder bewahrheitet werden.

Die EU-Kommission ist in großer Sorge, dass eine Katastrophe für die Bevölkerung bevorsteht und sich die Kämpfe ausweiten. „Die militärische Eskalation in Äthiopien bedroht die Stabilität des ganzen Landes und der Region“, warnte der EU-Kommissar für Krisenmanagement, Janez Lenarcic. Das Risiko, dass die Gewalt im ganzen Land auflodert, sei sehr real.

Lenarcic appellierte an die äthiopische Regierung, den Hilfsorganisationen schnell und bedingungslos Zugang zur Region Tigray zu sichern. „Ich fürchte, dass diese Krise katastrophale humanitäre Folgen für das ganze Land hat“, klagte der EU-Kommissar. Schon vor der Krise seien rund drei Millionen Menschen in Tigray und 15 Millionen Menschen im gesamten Land von Hilfsgüterlieferungen abhängig gewesen.

Der Konflikt in Äthiopien geriet außer Kontrolle, nachdem Ministerpräsident Abiy Ahmed wegen der Corona-Pandemie die für den Sommer geplanten Parlamentswahlen abgesagt hatte, ohne einen konkreten neuen Termin festzumachen.

Tigray
mit seinen mehr als fünf Millionen Einwohnern steht seit Jahren in einer spannungsvollen Beziehung zu der Zentralregierung in Addis Abeba. Dabei handelt es sich um ethnische Spannungen zwischen den Tigrayern, die das Land über Jahrzehnte bewirtschaftet und quasi unabhängig regiert hatten, und Abiy Ahmed aus der Bevölkerungsmehrheit der Oromo.

Abiy steht seit April 2018 als Ministerpräsident an der Spitze Äthiopiens. Die TPLF weigerte sich seinerzeit, der von ihm gebildeten Einheitsregierung beizutreten. Abiy wurde für seine erfolgreiche Aussöhnung mit dem benachbarten Eritrea 2019 mit dem Friedensnobelpreis gewürdigt. Er hat in Äthiopien zudem eine wirtschaftliche und politische Öffnung bewirkt, die ethnischen Unruhen aber bislang nicht auflösen können.


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Quelle: Gebende Hände-Redaktion; nach einer Information von: „ARD-Nachrichten online“, ard.de