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Haiti: Der zerfallende Staat – Straßenkriege und ganze Städte in der Hand marodierender Banden

Meldung vom 31.03.2021

In Haiti zeichnet sich erneut eine heftige Staatskrise ab. Seit Wochen ziehen marodierende Menschen gegen Präsident Jovenel Moise auf die Straßen. Warum bleiben internationales Krisenmanagement und Hilfsprogramme im ärmsten Land Lateinamerikas so fruchtlos?

Brennende Barrikaden in den Straßen, wütende Gewalt des Mobs und ein Präsident, der sich an sein Amt klammert: Haitis Präsident Jovenel Moise lässt sich von den Protesten und Rücktrittsforderungen der vergangenen Wochen nicht aus dem Gleichgewicht bringen. Er kann sich dabei auf die Unterstützung der neuen US-Regierung und der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) verlassen.

„Die Ruhe ist zurückgekehrt nach Haiti“, behauptete der Präsident am 13. Februar über Twitter. „Polizisten haben Tränengas gegen Krawallmacher eingesetzt. Das haitianische Volk wird in diesem Jahr das Recht auf freie Wahlen haben. Am 7. Februar 2022 wird ein gewählter Präsident mir in meinem Amt nachfolgen.“

Der Unmut über die Regierung von Präsident Jovenel Moise und sein nicht Zurücktreten-Wollen haben zur jüngsten Krise im Land und den gewalttätigen Protesten geführt. Moise hat am 25. April ein Referendum über eine neue Verfassung anberaumt und will am 19. September dieses Jahres Parlaments- und Präsidentschaftswahlen durchführen lassen.

Die Opposition hingegen verlangt schon seit zwei Jahren den Rücktritt Moises wegen Korruptionsskandalen und Verfassungsverstößen. Er sei nicht in imstande gewesen, einen ordentlichen Ablauf von Parlamentswahlen zu gewährleisten und regiere seit einem Jahr per Dekret. Moise wiederum beschuldigt die Opposition, einen Staatsstreich anzuzetteln.

Für die Opposition ist die Amtszeit von Moise, der bei den mehrfach verschobenen Wahlen von 2015 erstmals antrat und der sie im November 2016 schlussendlich für sich entscheiden konnte, seit dem 7. Februar dieses Jahres abgelaufen. Doch auch sie behält einen dreistöckigen Betonbunker unweit des Flughafens von Port-au-Prince im Viertel Tabarre fest im Blick: Die US-Botschaft. Denn dort, so sind sich viele Haitianer sicher, werden letztlich die Geschicke des Landes gelenkt.

„Die Botschaft ist in den vergangenen Jahrzehnten zu einer Art Schiedsrichter in Haiti geworden“, meint Roland Joseph, haitianischer Politologe und Trainer am Karibischen Zentrum für Gewaltfreiheit und nachhaltige Entwicklung (CCNGD). Das Problem dabei sei, dass die US-Regierung weiter hinter dem diskreditierten Moise stehe. Das gieße Öl in die aufgeheizten Konflikte in der Bevölkerung. Joseph geht davon aus, dass die Ausschreitungen in Haiti den neuen Präsidenten Joe Biden unvorbereitet trafen. Es könnte sein, dass Washington seinen Kurs noch abändere.

Trotzdem hält er die Rolle der USA in Haiti für nicht zielführend: „Niemand kann uns Haitianern die Verantwortung für unser Land abnehmen. Wir müssen uns letztlich selbst zusammenraufen und einen Weg finden“. „Die internationale Gemeinschaft spielt in Haiti ein heuchlerisches Spiel. Sie predigt Demokratie und Entwicklung, stützt und finanziert mit ihrem Geld aber eine korrupte Elite, die diese Ziele hintergeht“, kritisiert Joseph.

Dabei hatte Haiti kleine Fortschritte gemacht in puncto Restrukturierung des Staatsapparates und vor allem im Bildungswesen, doch das Erdbeben von 2010 hat alles wieder zerstört. Viele Funktionäre kamen ums Leben, viele neue Gebäude lagen in Trümmern, auch die dort stationierte UN verlor ihren Missionschef und viele Mitarbeiter.

Der darauf folgende Wiederaufbau spülte zwar auf einen Schlag viel frisches Geld und hunderte von NGOs ins Land. Doch der chaotische Zustand des Staats konnte diese Hilfswelle überhaupt nicht managen, und die von der UN angestrengte Koordination der Geber gelang nicht überall.

Nothilfe sei wichtig und sei auch umgesetzt worden, sagte einmal der damalige Sondergesandte der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), Ricardo Seitenfus, kritisch werde es jedoch, wenn sie anstelle der Regierung trete, denn dann fühle sich niemand mehr verantwortlich.

Bis heute, so meint Joseph, habe die internationale Gemeinschaft von der haitianischen Regierung keinen Rechenschaftsbericht über die Verwendung der Hilfsgelder verlangt. Damit hat sich auch die UN zum Komplizen einer korrupten Regierung gemacht.




Quelle:  „Deutsche Welle“, dw-world.de

Schlagwörter: Haiti, Staatskriese, Demonstrationen, Krawalle, failed state, Jovenel Moise, Rücktritt, Rücktrittsforderungen, Opposition, Wahlen, Verschiebung, USA, amerikanische Botschaft