Mexiko: Stift und Worte sind ihre einzige Waffe

Meldung vom 16.02.2022

Schon wieder wurde ein Journalist umgebracht, vier allein im Januar 2022 – selbst für Mexiko ist das eine erschreckende Bilanz. Die Verbrechen werden so gut wie nie zur Aufklärung gebracht, und sogar Schutzprogramme scheitern. Es war Montagmittag, als Roberto Toledo sein Büro in Zitácuaro verließ, einer Kleinstadt im mexikanischen Bundesstaat Michoacán. Der 55-Jährige war dort in einem lokalen Nachrichtenportal tätig, Monitor Michoacán, das immer wieder auch über Korruption und Vetternwirtschaft der Herrschenden vor Ort berichtete.

Es war ein riskanter Job, keine Frage, schon in der Vergangenheit gingen wohl Drohungen ein. Kaum aber trat Toledo nun aus seinem Büro, kamen drei Männer auf ihn zu und schossen auf ihn. Wenig später starb Toledo in einem Krankenhaus an seinen Schusswunden.

Sein Tod allein wäre schon tragisch genug, doch Toledo ist bereits der vierte Medienvertreter, der zum Jahresbeginn 2022 in Mexiko umgebracht worden ist. Erst vergangene Woche wurde die Journalistin Lourdes Maldonado erschossen, in Tijuana, dem gleichen Bundesstaat, in dem kurz zuvor auch schon der Fotograf Margarito Martínez sein Leben verlor. Und hinzu kommt José Luis Gamboa, der in Veracruz auf offener Straße von einem unbekannten Täter brutal erstochen wurde und wenige Tage seinen Verletzungen erlag.

Eine aufrüttelnde Zahl an Morden, selbst für Mexiko, ein Land, das so gefährlich ist für Journalisten wie kein anderes außerhalb eines Kriegsgebiets. Berichterstatter werden auf vielfältige Art und Weise hingerichtet, sie werden erschossen oder erstochen, manchmal auch enthauptet und sogar zerstückelt. Es ist ein unsägliches Gemetzel, ungehinderte Brutalität.

2021 starben sieben Journalistinnen und Journalisten für ihren Beruf, sollte es so weitergehen, könnte 2022 für Medienvertreter in Mexiko ein neuer tragischer Rekord zu erwarten sein. Die Gründe für die Gewalt sind immer noch im Drogenkrieg zu suchen, in dem überall im Land jedes Jahr zehntausende Menschen sterben. Reporter, die Fakten über die Banden und ihre Machenschaften enthüllen, geraten dabei schnell in deren Fadenkreuz.

Längst überzieht die Macht der Mafia und der Gangs aber auch die politische Elite, Wirtschaft und Justiz. Korruption ist in einigen Gegenden Mexikos überall anzutreffen, die Mächtigen decken und schützen sich gegenseitig. Verbrechen wird so gut wie nie nachgegangen, und wenn doch einmal ein Täter im Gefängnis landet, so ist es meist nur der Auftragsmörder, die Drahtzieher bleiben unangetastet im Verborgenen.

Mexikos Präsident Andrés Manuel López Obrador beteuert zwar immer wieder öffentlich, Medienvertreter in seinem Land besser schützen zu wollen. Gleichzeitig beschimpft der Präsident aber auch fast wöchentlich kritische Journalisten, verunglimpft sie als Lügner und Gesindel. Obradors allmorgendliche Pressekonferenz hat sich längst zu einem unerbittlichen Stellungskrieg entwickelt, Präsident gegen Presse. All das, sagen Experten, ebne den Weg für weitere Gewalt gegen Journalisten zusätzlich.

Umso trauriger, dass Lourdes Maldonado, eine der nun ermordeten Journalistinnen, in genau so einer Pressekonferenz noch vor ein paar Jahren um Schutz gebeten hatte: „Ich fürchte um mein Leben“, gab sie damals zu, im Jahr 2019, an López Obrador gewandt. Genützt hat ihr diese Bitte nichts, Maldonado ist tot, und das, obwohl sie sogar einem staatlichen Schutzprogramm unterstellt war, ins Leben gerufen 2012, auf öffentlichen Druck, um Menschenrechtsaktivisten und Medienvertreter besser zu schützen.


Quelle: Gebende Hände-Redaktion; nach einer Information von: „Süddeutsche Zeitung“, sueddeutsche.de