Mexiko: Brutale Jesuitenmorde sorgen für Empörung

Meldung vom 24.06.2022

Im Kupfercanyon in Mexiko wurden zwei bekannte Priester, die sich der indigenen Bevölkerung angenommen haben, ermordet, als sie einem Flüchtenden in ihrer Kirche Obhut gewähren. Als Täter vermutet man den lokalen Chef des Sinaloa-Kartells.

Die Informationen aus dem 1.600 Kilometer entfernten Kupfercanyon gelangten nur stückchenweise nach Mexiko-Stadt. Anscheinend seien in der Gegend zwei Jesuitenpriester ermordet worden, erklärte Präsident Andrés Manuel López Obrador bei seiner morgendlichen Pressekonferenz. Man habe Hinweise auf die Täter und sei dabei, den Fall zu klären. Im Laufe des Tages dann kam immer mehr zum Vorschein: Bei den beiden Opfern handelte es sich um zwei der bekanntesten Jesuitenpriester des Landes, die sich seit Jahrzehnten als Fürsprecher der indigenen Raramuri in der abgelegenen Wüstenregion eingesetzt hatten und dadurch sehr populär wurden: Javier Campos (79) und Joaquín Mora (80) alias Padre Gallo. Ebenfalls umgebracht wurde der Touristenführer Pedro Palma, der seit 35 Jahren Reisegruppen durch den beliebten Kupfercanyon geleitet hatte.

Einer der ersten, die spürten, dass etwas falsch lief, war der in Spanien lebende Sohn Palmas, Ricardo: „Ich wurde informiert, dass Bewaffnete ins Hotel Misión in Cerocahui eingedrungen sind und meinen Vater und mehrere Touristen verschleppt haben“, twitterte er und bat die Behörden um Informationen und Journalisten um Hilfe. Der Mord wurde lokalen Medienberichten zufolge bereits am Montag (20.06.2022) in der Kirche der Kleinstadt Cerocahui verübt. Offenbar konnte Palma seinen Entführern zunächst entkommen und verbarg sich verletzt in der Kirche des kleinen Ortes bei den Jesuitenpriestern. Die Verfolger erschossen jedoch alle drei aus nächster Nähe; die Leichen wurden verschleppt. Auch die entführten Touristen waren verschwunden. Unter ihnen war ein Minderjähriger. Ein dritter Jesuit, der Zeuge der Morde wurde, kam mit dem Leben davon.

Der Jesuitenorden verurteilte die Morde aufs Schärfste und verlangte von den Behörden, die Leichen zu finden und den Fall aufzuklären. „Derartige Vorkommnisse sind kein Einzelfall. Die Region Tarahumara ist wie viele andere Gegenden Mexikos mit Gewalt und Vergessen konfrontiert. Jeden Tag werden willkürlich Menschen ermordet, so wie unsere Brüder“, schrieben sie. Die Jesuiten in Mexiko haben es sich zur Aufgabe gemacht, in von Gewalt und Drogenkriminalität besonders betroffenen Regionen zu helfen. Cerocahui befindet sich nahe des Goldenen Drogendreiecks, ein logistisch wichtiger Dreh- und Angelpunkt zwischen den Staaten Sinaloa, Chihuahua und Sonora. Die Jesuiten waren dort sehr angesehen und beliebt. Seit den 1950er Jahren geben sie dort Seelsorge und schützen die Zivilbevölkerung vor der Gewalt der Drogenmafia.

Die Morde bewirkten in sozialen Netzwerken daher eine Welle der Empörung. „Joaquin Mora war ein zutiefst sensibler Mensch, der alles, was er besaß, mit den Ärmsten teilte“, betonte der mexikanische Autor Martin Solares, ein Schüler des Priesters. „Selbst die Atheisten nannten ihn einen Heiligen.“ Auch zahlreiche Menschenrechtsorganisationen äußerten ihre Betroffenheit.

Der Staat hält sich aus den Machenschaften der Drogenkartelle in dieser schwer zugänglichen Region weitgehend heraus. Die Mafia nutzt die Gegend für den Anbau, die Herstellung und den Schmuggel von Drogen und treibt die illegale Abholzung der Nadelwälder voran. Seit 2011 bekämpfen sich dort das Juarez- und das Sinaloa-Kartell. Ins Fadenkreuz der Mafia bei diesen territorialen Kämpfen geraten besonders die indigenen Raramuri, die von den Kartellen ausgebeutet und vertrieben werden. Die Mafia bemächtigt sich ihrer Grundstücke, um Mohn für die Herstellung von Heroin anzubauen.

Die beiden Jesuitenpriester sprachen die Sprache der Raramuri und hatten immer wieder auf die Menschenrechtsverletzungen dort hingewiesen. Mehr als 30 Raramuri-Aktivistinnen und Aktivisten wurden in der Region in den vergangenen Jahren kaltblütig umgebracht. Auch die Kirche hat dem Drogenkrieg Opfer bringen müssen: Seit 2012 wurden nach kirchlichen Angaben 34 Priester in Mexiko getötet; die meisten Fälle sind bis heute ungeklärt.

Medien zufolge ist der lokale Chef eines Drogenkartells, Noriel Portillo alias El Chueco verantwortlich für die Morde. „Alles deutet darauf hin, dass ,El Chueco‘ außer sich war, die Priester durch die Kirche jagte und sie niederstreckte“, berichtete ein Mitarbeiter der Staatsanwaltschaft.

Die Morde kommen zu einem unguten Zeitpunkt für den Präsidenten, dessen Sicherheitspolitik zunehmend in Kritik gerät. Seit Beginn seiner Amtszeit 2018 wurden 121.655 Menschen ermordet, bereits jetzt mehr als unter jedem seiner Vorgänger.


Quelle:  „Deutsche Welle“, dw-world.de