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Syrien: Erdbeben – allein in Aleppo 350.000 Menschen obdachlos

 
Meldung vom 14.02.2023

Während in der Türkei die Hilfe schon großflächig angerollt ist, sind in Syrien tausende Menschen auch eine Woche nach dem Erdbeben immer noch weitestgehend auf sich allein gestellt. Die Menschen graben mit ihren Händen in den Trümmern nach Verschütteten. Es kommt kaum Hilfe durch – auch weil Machthaber Assad die Grenzübergänge lange gesperrt hielt und die Katastrophe so für seine Interessen nutzte.

So beschreibt der siebenjährige Negm aus Jindires in Nordsyrien den Tag, an dem sich alles für ihn veränderte: „Wir schliefen im Haus, plötzlich fiel eine Wand auf meine Geschwister“, berichtet er verstört. „Zum Glück ist meiner Schwester und mir nichts passiert. Wir sind auf die Straße gerannt, haben es nach draußen geschafft. Dann hat die Erde wieder gewackelt, als wir schon auf der Straße standen.“

Das Zuhause des Siebenjährigen ist eine Schutthalde. Aber seine Familie konnte wie durch ein Wunder dem Tod entgehen. „Wir schliefen, als plötzlich der Boden wackelte“, sagt Vater Abdallah. „Plötzlich stürzten die Wände ein, die Gebäude. Ich habe versucht, meine Kinder zu greifen, ich rief ihnen zu 'Schützt eure Köpfe!'. Wir rannten, wir hatten solche Angst - und wussten nicht, was wir tun sollten.“

Binnen Sekunden sackten vier-, fünfstöckige Gebäude einfach in sich zusammen, erzählen die Überlebenden von Jindires. Negm und seine Familie haben jetzt Obdach in einem Zelt am Stadtrand gefunden. Im Gegensatz zu vielen ihrer Landsleute ist das eine winzige Erleichterung. Denn die Nothilfe in Syrien ist kaum oder gar nicht angelaufen. Die Provinz Idlib war sogar tagelang von der Außenwelt abgeschnitten. UN-Nothilfekoordinator Martin Griffiths gab zu, man habe die Menschen im Nordwesten Syriens im Stich gelassen. „Es hat bis heute seit dem Erdbeben keine Hilfstransporte über die innersyrische Grenze gegeben“, erklärte Richard Brennan von der Weltgesundheitsorganisation (WHO). „Wir planen einen Transport für die kommenden Tage, aber wir verhandeln noch, damit er durchkommt.“

Syrien ist durch den langjährigen Bürgerkrieg in verschiedene Machtbereiche aufgeteilt. Der Nordwesten ist von Rebellen besetzt – doch die meiste Hilfe rollt aktuell in Aleppo und Damaskus an, in den Regionen, die fest im Griff von Machthaber Bashar al-Assad sind. Erst nach langen Diskussionen öffnete Präsident zwei Grenzübergänge in den Nordwesten, solange ein guter Teil der Hilfsgüter in seinem Herrschaftsbereich bleibe.

Das Ganze weitet sich zu einer politisierten Katastrophe aus. „Assad hat die Sanktionsfrage politisiert“, meint Melani Cammett von der Harvard University. „Er behauptet, die Sanktionen seien schuld an allen humanitären Problemen in Syrien.“ Doch das sei eine Verschleierung. Assad politisiere die Katastrophe. „Und das wird sehr wahrscheinlich auch bei der Verteilung der Hilfsgüter passieren“, erklärt Cammett. „Nach unseren Erfahrungen mit Assad bezweifle ich sehr stark, dass die Hilfe gerecht nach Bedürfnissen verteilt wird und die Hilfslieferungen nicht politisiert werden.“

Es sind politische Intrigen auf Kosten der Zivilisten: Tausende Menschen in Syrien sind auch eine Woche nach dem Erdbeben offenbar immer noch weitestgehend völlig allein gelassen. Im Nordwesten können erst seit einigen Tagen Konvois mit Hilfsgütern den türkischen Grenzübergang Bab al Hawa in Richtung Idlib überqueren. Angesichts der Ausmaße des Leids kommt insgesamt viel zu wenig Hilfe nach Syrien: „Zehn Millionen Menschen sind in Syrien vom Erdbeben betroffen“, weiß WHO-Experte Brennan. „Allein in der Gegend von Aleppo und Latakia sind etwa 350.000 Menschen obdachlos.“

Doch immer wieder – zwischen all dem Leid – kommt es zu Vorfällen, die wie Licht in der Finsternis sind: In Nordsyrien konnten die Helfer vor einigen Tagen ein weinendes Kleinkind aus den Trümmern bergen. Von Staub bedeckt, aber nahezu unversehrt. Nach so vielen Stunden… Die Kleine hatte überlebt, unter dem Körper ihrer großen Schwester, die das Kind im zusammengestürzten Haus immer noch auf dem Schoß hielt. Mit ihrem Körper hatte die große Schwester die herabstürzenden Trümmerteile abgefangen. Die Schwester konnte nur noch tot herausgezogen werden.

Gebende Hände hilft in Syrien mitten im Erdbebengebiet. Unser Einsatzleiter Derek H. ist schon vor Ort. Mehr in Kürze auf unserer Webseite.






Quelle: Gebende Hände-Redaktion; nach einer Information von: „ARD-Nachrichten online“, ard.de

Schlagwörter: Syrien, Erdbeben, Trümmer, Tote, Obdachlose, Bashar al-Assad, Grenzübergänge, Hilfsgüter, Hilfe, im Stich gelassen, UN, Martin Griffiths, Hilfstransporte, Katastrophe, Verschüttete