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Äthiopien: Entwicklungshilfe – immer ein Segen?

Meldung vom 02.08.2007

Seit Jahrzehnten lebt Äthiopien von Entwicklungshilfe, aber nicht jede Hilfe dient tatsächlich der Entwicklung des Landes. Das zeigt der folgende Bericht:

Die Region Amhara in Äthiopien liegt rund 400 Kilometer nordöstlich der Hauptstadt Addis Abeba. Jeder Besucher denkt unweigerlich: Diese Gegend kann keinen Hunger kennen. Die Felder an den Hängen und in den Tälern sind sattgrün. In den Gärten reifen Mangos, Avocados, Papaya und Bananen, wachsen Kohl und Tomaten. Tiere ohne Zahl – Rinder und Kamele, Ziegen und Esel, Schafe und Hühner – sind auf Weiden und an Flussufern, auf Plätzen und Straßen zu finden. Schilder mit den Logos diverser Organisationen weisen überall darauf hin, dass diese Region Entwicklungshilfe erhält.

Aber diese grüne Gegend kennt den Hunger sehr wohl – und die Welt kennt genau deshalb auch diese Gegend: Hier brach vor mehr als dreißig Jahren eine der größten Hungerkatastrophen der Neuzeit aus. Zehntausende Menschen starben. Äthiopiens Kaiser Haile Selassie wurde deswegen entthront.

Nur zehn Jahre später zeichnete sich erneut eine Tragödie dieser Dimension ab – und eine beispiellose Hilfskampagne begann. Staatliche und private Organisationen aus aller Welt eröffneten Büros im Land mit dem Ziel, das Übel mit der Wurzel auszurotten. Seither sind Hunger und Armut in Äthiopien stetig bekämpft worden – und bis heute ein Problem. Daran ist auch die Entwicklungshilfe nicht ganz unschuldig. Nun, nach fast drei Jahrzehnten, stellt sich heraus, dass sie Segen und Fluch zugleich sein kann.

Für Aminat Said ist das ausländische Engagement nur Segen. Die 19-jährige Frau hat an diesem Morgen ihren Tonkrug an der Wasserstelle ihres Dorfes gefüllt. Drei Mal am Tag macht die Mutter zweier Kinder diesen Weg. Früher brauchte sie dafür je zwei Stunden – als sie das Wasser noch aus einem weit entfernten Quellteich holen mußte, wo das Wasser trübe und schmutzig war und stank.
Vor vier Monaten wurde der neue Wasserstützpunkt eingeweiht, den die Bewohner der umliegenden Orte mit ausländischer Unterstützung geplant und selbst gebaut haben. Es gibt acht Hähne, wo die Frauen ihre Behälter füllen. Aus einem nachgelagerten Becken trinken die Tiere, der Rest fließt auf die Felder. Jeder Dorfbewohner, der mit angepackt hat, bekam pro Tag sechs äthiopische Birr – dafür bekommt man z.B. ein Kilo Tef, das traditionelle Mehlgetreide.
Der Einsatz für dieses Hilfsprojekt war gering, die Wirkung ist groß. „Ich brauche nur noch zehn Minuten bis hierher,“ erzählt Aminat Said. „Das Wasser ist sauber, die Kinder werden nicht mehr so oft krank. Dank dieses kleinen, unspektakulären Entwicklungshilfeprojekts geht es jetzt einigen hundert äthiopischen Hochlandbewohnern ein wenig besser.

Ganz anders ist es in der internationalen Entwicklungshilfe-Industrie. Die Geberländer möchten mit ihren Mitteln Wirtschaftsreformen initiiert sehen, um Investitionen in Afrika zu erleichtern. Sie wollen damit eine demokratische Regierungsführung erreichen und Korruption bekämpfen, aber auch Projekte gegen den Klimawandel finanzieren.
Das alles ist langfristige Hilfe. Aminat Said und die meisten der 70 Millionen Äthiopier jedoch brauchen sofort Hilfe. Fünf Millionen Menschen dort sind auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen. Drei Viertel der Bevölkerung haben kein sauberes Trinkwasser. Die meisten leben auf dem Land. Doch gerade der für die ländliche Entwicklung gedachte Anteil der Hilfsbudgets ging in den letzten zehn Jahren von zwölf auf drei Prozent zurück.

Kein Land hat in den letzten 30 Jahren so viele Milliarden Dollar Entwicklungshilfe bekommen wie Äthiopien. Und viele dieser Milliarden sind auf klassische Weise verschwunden. Äthiopiens Elite kann beruhigt zum Shopping fliegen, denn ein Heer ausländischer Nothilfe-Aktivisten verhindert ja, dass sich Hungerkatastrophen wie vor 30 Jahren wiederholen.

In Addis Abeba arbeiten so viele Hilfsorganisationen an einem Ort, wie derzeit wohl nur noch in Afghanistan. Über 300 internationale Vereine mit tausenden ausländischen Mitarbeitern sind hier registriert. Die meisten dieser Organisationen bestreiten ihre Hilfsleistungen nur zum kleinen Teil durch Spenden. Sie konkurrieren um Ko-Finanzierungen etwa durch die UNO, die EU und westliche Ministerien. Großartig klingende Pläne und Projekte, die sich Beamte an den Schreibtischen in Brüssel und Washington, Paris oder Tokio ausdenken, werden gleich mitgeliefert. Laut Aussage von Wuletaw Hailemariam Nigussie, Direktor von Orda, der zum Wiederaufbau der Amhara-Region gegründeten größten äthiopischen Hilfsorganisation, nützt das den Menschen hier nichts, denn: „Ihr müsst uns nicht einfach nur Fische geben. Ihr müsst uns lehren, Fische zu fangen.“

Die Hilfe zur Selbsthilfe ist jedoch mühsam, da die Vorstellungen der großen Geldgeber selten mit dem Prozeß in Einklang stehen, den es braucht, um die Bewohner eines Dorfes in die Planung und Durchführung eines Projekts mit einzubeziehen und das notwendige Verantwortungsbewußtsein in ihnen zu wecken.


Anmerkung: Gebende Hände arbeitet nicht dort, wo schon andere Hilfsorganisationen die Bevölkerung versorgen, sondern in Gebieten, wo den „Vergessenen“ sonst keine Hilfe geleistet wird.




Quelle: Gebende Hände-Redaktion; nach einer Information von: „Berliner Zeitung“, berliner-zeitung.de