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Somalia: Gefährliches Land - besondere Herausforderungen (Einsatzbericht)

Bericht vom 09.12.2014


Viele sind geflohen ...


… weil ihre Dörfer überfallen wurden.

Ende letzten Jahres reiste unser Projektleiter Derek wieder in den Südsudan, nach Somalia und nach Äthiopien. Er führte dort Hilfsgüterverteilungen an Flüchtlinge durch, die er in den Wochen davor mit seinem eingespielten einheimischen Helferteam organisiert hatte. Hier schildert er den Einsatztag in Somalia:

Es ist kurz vor fünf und noch dunkel, als ich plötzlich erwache. Draußen klingt es, als hätten sich alle Einwohner der Stadt vor meinem Fenster versammelt, um ihre Gebete durch die Lautsprecher zu schicken. An Schlaf ist nicht mehr zu denken. Also stehe ich auf, nehme eine Dusche und denke bei einem Kaffee über den bevorstehenden Tag nach. Wenn ich erreichen will, was ich mir vorgenommen habe, muss ich meinen Zeitplan streng im Auge behalten. Die Einheimischen leben nicht nach der Uhr, nur die Mittagspause ist ihnen heilig. Im Gegensatz dazu muss ich dafür sorgen, dass die Lebensmittel verteilt werden, dass ich gute Fotos bekomme, und ich muss den Ernährungszustand der Kinder überprüfen. Obendrein muss ich ständig ein Auge darauf haben, was um mich herum und auch außerhalb des Verteilungsplatzes geschieht. Ich muss wachsam sein und mir immer einen Fluchtweg offen halten, falls die Situation zu gefährlich wird. Eine gute Rückzugsstrategie ist meine Lebensversicherung.

Mein Handy klingelt. Meine Helfer sind gekommen, um mich abzuholen. Draußen warten unsere beiden Fahrer in ihren allradgetriebenen Toyotas und ein Team von Sicherheitsleuten. In dieser Region ist das Risiko einer Geiselnahme sehr hoch. Wir fahren stadtauswärts und passieren einen letzten Sicherheitsposten. Dieser besteht lediglich aus einem über die Straße gespannten Seil und einem Mann mit Kalaschnikow. Ein trauriger Versuch, die Al-Schabaab Milizen davon abzuhalten, in die Stadt vorzudringen. Jenseits dieser sogenannten Sicherheitsbarriere sind wir auf uns selbst gestellt. Es ist heiß und staubig, die Straßen sind versandet. Die einzigen Lebewesen, denen wir begegnen, sind ein paar Kamele. Die Gegend ist kahl und unwirtlich. Ich frage mich, wie Leben hier überhaupt möglich ist, warum jemand sich entschließen sollte, hier zu leben. Nach einstündiger Fahrt erreichen wir eine kleine Ansiedlung, wo wir bei etwa 60 vertriebenen Familien eine Lageeinschätzung vornehmen. Ihre dürftigen Behausungen sind weit verstreut. Die Menschen sind in schlechter Verfassung, mir ist unklar, wie sie bisher überlebt haben. In diesen extrem widrigen Verhältnissen gibt es weder Aussicht auf Ernten noch Möglichkeiten zur Haltung von Nutzvieh. Hier können sie nicht leben und nicht sterben. Sie brauchen unbedingt Hilfe.

Der Einsatz hier in Somalia unterscheidet sich sehr von denen in Äthiopien und im Südsudan. Die Herausforderungen sind ganz anders, die Bewohner sind anders, Religion und Kultur sind anders. Viele Menschen sind aufgrund der Dürren weggezogen, denn sie hatten wegen der Ernteausfälle praktisch keine Lebensgrundlage mehr. Viele wurden auch hierher verschlagen, weil die Lage weiter im Süden unsicher ist und ihre Dörfer überfallen wurden.

Wir fahren weiter durch die Halbwüste, wieder sind unsere Autos die einzigen weit und breit, ich selbst bin im Umkreis von vielen Kilometern der einzige Ausländer. Aber ich möchte die Situation der Menschen unbedingt selbst einschätzen, mit eigenen Augen sehen, wie ihre Lebensbedingungen sind und mich nicht einfach auf die Berichte anderer verlassen. Nach einigen Stunden erreichen wir den nächsten vereinbarten Sammelplatz, auf dem wir Lebensmittel verteilen wollen. Die Kinder sehen gar nicht gut aus – sie weisen eine Mischung aus Unterernährung und Krankheit auf. Ihre Mütter ziehen sich für eine solche Gelegenheit immer so schön an wie nur möglich. Sie glauben, dass sie dann bessere Chancen bei der Zuteilung haben. Unsere Sicherheitsleute haben rings um den Platz Posten bezogen und beobachten wachsam die Umgebung. Ich gehe zu jedem einzelnen Kind und versuche, seine gesundheitliche Verfassung einzuschätzen. Der Anblick all dieser Mütter mit dem hoffnungslosen, verzweifelten Gesichtsausdruck und einem kranken, hungrigen Kind im Arm ist schwer zu ertragen. Gleichzeitig versuche ich auch noch, den Bereich hinter ihnen im Auge zu behalten, für den Fall, dass dort Dinge aus dem Ruder laufen sollten. Bisher läuft die Verteilung aber geordnet ab. Wir müssen uns dennoch beeilen, denn je länger wir brauchen, desto mehr unerwünschte Aufmerksamkeit lenken wir auf uns. Es spricht sich nur zu schnell herum, wenn eine Hilfsaktion läuft. Also heißt es zügig verteilen, alle notwendigen Informationen zusammentragen und Fotos machen. Dann brechen wir sofort auf, die Menschen hier werden allmählich unruhig.

Als wir auf dem Weg zum zweiten Einsatzort sind, bekommen wir einen Anruf. In unserem Zielgebiet sind Streitigkeiten um Ländereien ausgebrochen, dort fliegen Steine, und die Lage ist äußerst unsicher. Die Polizei bemüht sich um Schlichtung, aber unsere Hilfsgüterverteilung kann nicht stattfinden. Wir werden damit warten müssen, bis wieder Ruhe eingekehrt ist und wir grünes Licht bekommen. Gott sei Dank haben wir bereits die Familien ausgewählt, die in den kommenden drei Monaten Hilfe erhalten sollen. So weiß ich, dass unsere Lebensmittel noch ankommen werden.

Ein weiterer Tag neigt sich dem Ende zu, an dem nicht alle von meiner westlichen Mentalität geprägten Erwartungen erfüllt wurden. Umso mehr muss ich mein Ziel, meine Mission im Auge behalten. Somalia ist ein schwieriges Land, eines der gefährlichsten weltweit, mit einer für uns völlig fremdartigen Kultur … doch Schluss mit dem Grübeln – jetzt ist es Zeit zum Abendessen. Ich gönne mir ein gesundes Kamel-Steak und lege mich bald schlafen. Immerhin werde ich schon um fünf Uhr früh wieder vom Chor der Gebetsrufe geweckt werden.



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