Haiti: Noch immer 1,3 Millionen obdachlos – Spenden gehen zurück

 
Meldung vom 31.03.2010

Am 31. März findet in New York eine Geberkonferenz für Haiti statt. Darauf hoffen derzeit viele Überlebenden. In den Trümmern von Port-au-Prince findet tagtäglich der harte Kampf ums Überleben statt. Das verheerende Erdbeben hat den Kampf, der auch vorher schon schwer genug war, um vieles verschlimmert. Aus eigener Kraft kann sich das Land nicht wieder rekonstituieren. Die Geberkonferenz in New York will weitere Hilfsmaßnahmen diskutieren.

Von oben kann man die internationale Hilfe für Haiti genau erkennen. Blaue Zelte und blaue Plastikplanen leuchten beim Landeanflug aus den braunen Trümmern von Port-au-Prince hervor. Alle freien Plätze und manchmal die Straßen vor schwer beschädigten Wohnhäusern sind belagert von den 1,3 Millionen Obdachlosen.

Der Flughafen hat wieder seinen normalen Betrieb aufgenommen, die Air-France-Linienmaschine dockt am Terminal an. Einige Gebäudeteile sind aber wegen Baufälligkeit unbegehbar. Vorbei aber sind die Tage des Spektakels, bei denen Scharen von internationalen Helfern und Journalisten über das Flugfeld ziehen. Und auch die US-Soldaten, die den Airport nach der Katastrophe kontrollierten, sind schon wieder fort. Der französische Airbus hebt pünktlich ab, um weiter nach Guadeloupe zu fliegen.

Es ist nicht immer leicht zu erkennen, welches Elend schon vor dem Erdbeben da war und welches durch das Erdbeben neu verursacht wurde. Zwischen den Trümmern müssen die Menschen wie vorher auch jeden Tag um ihre Existenz kämpfen. Der Gestank des Dauerstaus mischt sich mit dem Geruch von Abfall. Kinder spielen zwischen Autos, Dreck und armseligen Händlern.

An den Straßenrändern sitzen wie immer Frauen und bieten einige wenige Dinge zum Verkauf an: Seifen, ein Paar Plastikschlappen, Klamotten aus US-Altkleidersammlungen, Holzkohle, Zuckerrohr oder ein paar Orangen, zu Mini-Pyramiden aufgetürmt. „Natürlich brauchen wir Hilfe“, klagt die Obstverkäuferin, „alleine schaffen wir das nicht“.

Richard Widmaier, Chef des Informationssenders Radio Metropol, ist das zu wenig. Er verlangt einen Marshall-Plan: „Haiti einfach so wieder aufzubauen, wie es vorher war, bringt langfristig nichts. Wenn die internationale Gemeinschaft wirklich den Willen hat, könnte Haiti ein Beweis für andere Regierungen, für den Währungsfonds und für die Weltbank werden, dass sie so etwas schaffen kann.“

In Haiti müssen in der Tat nicht nur Gebäude wieder errichtet werden, sondern ein ganzer Staat. Von den bisherigen Regierungen ist der 25-jährige Student Jean Miresse jedenfalls gründlich enttäuscht. „Wir leben in einem schwachen Staat. Die Regierung Haitis ist doch verantwortungslos. Die haben weder den Willen noch das Können, der Bevölkerung zu helfen – das war auch schon vor der Katastrophe so.“ Deshalb müsse die internationale Gemeinschaft eingreifen, seiner Meinung nach mindestens zehn Jahre lang. „Haiti muss wieder aufgebaut werden“, meint Miresse.

Ein kreolisches Sprichwort lautet: Mit einem Korb kann man kein Wasser schöpfen. Für viele Haitianer hat sich ihre Regierung als Korb erwiesen: Hilfsgelder nach Katastrophen flossen einfach in die Taschen der Machteliten und gelangten gar nicht erst bis zu den Notleidenden.

Den Vorwurf aber, ein von außen kontrollierter und organisierter Wiederaufbau würde sich wie ein Protektorat auswirken, findet der Unternehmer und frühere Präsidentschaftskandidat Charles Baker absurd: „Wir sind doch längst ein Protektorat. Da kannst du gerne mit Begriffen jonglieren, aber faktisch wird alles von der internationalen Gemeinschaft gemacht. Die Regierung spielt nur eine kleine, sehr kleine Rolle dabei.“

Daran nehmen die meisten Haitianer auch gar keinen Anstoß. Im Gegenteil, laut einer Umfrage wünschen sie sich vor allem Jobs und Schulen, damit sie in Zukunft auf sich selbst gestellt sind und unabhängig ihren Lebensunterhalt bestreiten können – ohne weitere Wohltätigkeit.–


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Quelle: Gebende Hände-Redaktion; nach einer Information von: „ARD“, ard.de