Äthiopien: Wo Frauen stark sein müssen

Meldung vom 21.09.2016

Die schwere Situation für Frauen in Äthiopien kann man schon an einer einzigen Zahl festmachen: Nach Angaben der Vereinten Nationen sind in den Krankenstationen des Landes drei von vier Patienten Frauen. Die Ursache für dieses Missverhältnis ist leicht erklärbar: Mädchen und Frauen leiden in der äthiopischen Gesellschaft unter großer Benachteiligung. Gewöhnlich sieht man zwar in den Männern das starke Geschlecht. Doch im praktischen Alltag gestaltet sich das ganz anders: In den armen Familien verrichten gerade Mädchen und Frauen die mühsamsten Arbeiten.

Schon zehnjährige Mädchen schultern Feuerholz und 25-Liter-Kanister mit Trinkwasser und laufen über viele Kilometer unter dieser Last zur heimischen Hütte. Das beeinträchtigt ihre Gesundheit. Außerdem werden sie dadurch von dem Schulbesuch ferngehalten. Ein weiteres Problem stellen die Frühehen dar. Sie sind zwar offiziell verboten, aber viele Mädchen müssen sich immer noch in dieses Schicksal fügen. 15-jährige Bräute sind an der Tagesordnung. Zahlreiche Schwangerschaften und die schwere Alltagsarbeit schwächen die jungen Körper und sorgen für diverse Krankheiten. Und wer früh heiratet, kann keinen Schulabschluss machen und hat damit keine Chance auf eine Ausbildung.

Beletu Tsegay ist eine von den vielen Tausend Frauen, die nie eine Schule besuchten und schon als Teenager zwangsverheiratet wurden. Obwohl erst Mitte dreißig, muss sie sich schon um einen 19-jährigen Sohn kümmern. In der Hoffnung auf ein besseres Leben siedelte sie mit ihrer Familie vom Land in die Großstadt Debre Berhan um. Weil ihr Mann als Träger auf dem örtlichen Markt oder im Bau nur Gelegenheitsjobs annehmen kann, muss sich auch Beletu Tsegay zusätzlich zur Fürsorge für die fünf Kinder als Tagelöhnerin durchschlagen.

Sie bekommt einen Hungerlohn, der mit dem Einkauf von Lebensmitteln für zwei kümmerliche Mahlzeiten bereits aufgebraucht ist. Ihre nur 13-jährige Tochter Alem hat deshalb die Schule bereits verlassen, um als Flaschensammlerin der Familie Geld beizusteuern.

Doch es gibt Projekte von Hilfsorganisationen, die Beletu mit anderen Frauen in einer Selbsthilfegruppe zusammenführen. Dort werden sie geschult, wie sie mit Kleinkrediten ein besseres Auskommen erzielen können, etwa über die Mast einer Ziege oder mit Kleinhandel. Außerdem wird Beletu mit Gemüsesamen versorgt und erhält eine Schulung, wie man einen Hausgarten anlegt. Die Ernte kann sie auf dem lokalen Markt mit gutem Gewinn veräußern.

„Wer sein eigenes Geld verdient, hat eine stärkere Stimme“, wissen die zuständigen Mitarbeiter von Hilfsorganisationen. „Deshalb ist gerade die ökonomische Förderung der Frauen so wichtig“. Frauen erweisen sich als anpassungsfähig und nutzen schnell die Chancen, die ihnen berufliche Ausbildung und ein neuer Arbeitsplatz bringen.


Quelle: „Presseportal“, www.presseportal.de