Haiti: Kein süßes Leben in „Bonbon“

Meldung vom 17.02.2017

Die Menschen in der Haitis Hauptstadt Port-au Prince haben dem Schauspiel beigewohnt, wie der neue Präsident, Jovenel Moïse, seinen Amtsantritt feierte. Die Straßen rund um den Präsidentenpalast wurden reichlich dekoriert und Reinigungskolonnen zogen durch die Straßen, während in den Slums alle Wege im Müll versinken – ein zwiespältiger Anblick.

Namen spielen in Haiti eine besondere Rolle. Und alles Fragliche und Hässliche wird durch diese Namen ein wenig übertüncht, eine Mentalität, die sich auch in der Aktion widerspiegelt, bei der man ein Slumviertel, das weithin sichtbar ist, einfach mit bunten Farben angemalt hat, damit es nicht mehr ganz so hässlich aussieht. Die Partei des neuen Präsidenten heißt Parti Haitien Tet Kale (PHTK). Das ist Kreolisch und bedeutet so viel wie Haitianische Partei des Kahlkopfes. Wie kann man das verstehen? Das lässt sich durch die Vorliebe der Haitianer für bildreiche Namen erklären – ganz im Gegensatz zu den Deutschen.

Der Hang zu bildhaften Namen schlägt sich auch bei den verschiedenen Ortsbezeichnungen auf der Insel nieder: Bonne Fin (Gutes Ende), Abricot (Aprikose), La Baleine (Der Wal), Ile a Vache (Kuhinsel). Oder Trou du Nord (Loch des Nordens). Auch dieser Ortsname wäre in Deutschland undenkbar.

Ein bitteres Lachen löst dagegen der Name „Cité Soleil“ aus. Die „Sonnenstadt“ ist bekanntermaßen der heruntergekommenste Slum der westlichen Welt. Bis zu 400.000 Menschen fristen hier ein Dasein unter elenden Bedingungen. In die kargen Blechhütten fließt bei Regen eine stinkende Brühe. An sauberes Trinkwasser gelangen die Slumbewohner nur gelegentlich per Lkw. Das Wasser steht dann tagelang in Eimern in der glühenden Hitze. Von Hygiene kann man da nicht mehr sprechen.

Ein kleines Fischerörtchen in der Nähe von Jéremie trägt den kuriosen Namen „Bonbon“. Im Oktober 2016 brach hier Hurrikan Matthew mit voller Wucht herein, tobte geschlagene zwölf Stunden und machte den Ort dem Erdboden gleich. Zahlreiche Menschen kamen dabei ums Leben. Die einfachen Hütten, die kleinen Boote der Fischer und ihre Netze wurden komplett vernichtet. Seitdem hat sich in Bonbon Lethargie ausgebreitet. Die Fischer fahren nicht mehr raus auf das Meer, der Fischmarkt, der die umliegenden Ansiedlungen ernährt hatte, ist zum Erliegen gekommen. Die Menschen sind arbeitslos, sitzen träge herum, haben Hunger und harren auf die Unterstützung des Staates, die gewiss ausbleiben wird. Nein, in Bonbon gibt es kein „Zuckerschlecken“.


Quelle: „Adveniat“, www.adveniat.de