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Zur Geschichte und Problematik des Landes

 





Die über 2.000 Jahre alte Geschichte und Kultur Äthiopiens ist ab dem 4. Jh. christlich geprägt. In Städten wie Axum, Lalibela und Gondar bildeten sich nacheinander einflussreiche Herrschaftszentren heraus. Ab dem 13. Jh. entwickeln sich die Feudalstrukturen des äthiopischen Kaiserreiches. Äthiopien ist das einzige afrikanische Land, das sich – mit Ausnahme der italienischen Besetzung im Zweiten Weltkrieg in den Jahren 1936 bis 1941 – Freiheit von der Kolonialherrschaft bewahren konnte.

Anfang der 1970er Jahre gerät das seit 1896 bestehende alte Kaiserreich in eine schwere Krise. Die Inflation in Folge der Dürrekatastrophe von 1973 und der Ölkrise löst in Äthiopien Massendemonstrationen aus. 1974 wird Kaiser Haile Selassie in einem Militärputsch gestürzt. Ein Militärverwaltungsrat übernimmt unter Führung von Major Mengistu Haile Mariam die Macht und zwingt dem Land eine doktrinäre marxistische Ideologie auf mit Kollektivierung, Verstaatlichung und Unterdrückung aller Andersdenkenden. Die Monarchie wird abgeschafft und das Land zu einer sozialistischen Volksrepublik gemacht.

Das kommunistische Regime seit 1974 unter Mengistu wird rückblickend aufgrund des „roten Terrors“ und der teils von ihm verschuldeten Hungersnot als eine der grausamsten Diktaturen in Afrika angesehen. Über Jahre ausbleibende Niederschläge, anhaltender Bürgerkrieg und die Zwangseinführung des Sozialismus führten 1984-1985 zur schlimmsten Hungersnot in dem zerrütteten Land. Sie hatte rund eine Million Tote zur Folge.

Diese Hungersnöte zusammen mit regionalen Unruhen 1991 bewirkten schließlich den Kollaps des marxistischen Regimes von Mengistu. Nach einem Bürgerkrieg übernahm die damalige Rebellengruppe Revolutionäre Demokratische Front der Äthiopischen Völker (EPRDF), an deren Spitze Meles Zenawi stand, die Macht und etablierte eine Übergangsregierung.

Die EPRDF wurde mit den ersten Wahlen 2005 als Regierungspartei unter der Leitung von Meles Zenawi bestätigt. Nachdem Zenawi zunächst von westlichen Politikern als „Hoffnung für die Demokratie in Äthiopien“ gelobt wurde, wurden ihm gegen Ende seiner Amtsausübung immer häufiger Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen. Westliche Medien berichteten von Straflagern für Oppositionelle und anderen Unterdrückungsformen.

Bei den Parlamentswahlen 2010 erhielt das Regierungsbündnis EPRDF zusammen mit den regionalen Regierungsparteien insgesamt 99,6 % und somit 546 der 547 Parlamentssitze. Die Opposition errang lediglich einen Sitz. Doch die Wahlen waren von Betrugsvorwürfen und Repression überschattet. Mit systematischer Unterdrückung hielt der äthiopische Präsident Meles Zenawi 20 Jahre an der Macht fest. Viele Aktivisten der Zivilgesellschaft und Journalisten wurden in die Flucht getrieben.

In der Außenpolitik standen die konfliktreichen Beziehungen Äthiopiens zu Eritrea und Somalia im Vordergrund. Ende 2006 marschierten äthiopische Truppen in Somalia ein, um der Übergangsregierung in Baidoa gegen die von Eritrea unterstützte Union of Islamic Courts (UIC) beizustehen. 2008 beschloss Äthiopien, sich aus dem Nachbarstaat zurückzuziehen und die Grenzen stärker zu sichern.

2012 starb Zenawi einen unerwarteten und schnellen Tod. Sein Vertreter Hailemariam Desalegn übernahm das Amt. Desalegn wurde in den jüngsten Parlamentswahlen 2015 im Amt bestätigt. Die Wahlen verliefen zwar friedlich, aber nicht fair. Im Vorfeld waren viele Oppositionelle verhaftet worden. Eine freie Meinungsbildung war daher nur bedingt möglich.

Auch die nächsten Jahre waren gekennzeichnet durch harte Repressionen gegen Oppositionelle. Es kam zu Unruhen, mehrheitlich durch die Volksstämme der Oromo und Amhara, die sich gegenüber dem Stamm der Tigray benachteiligt sahen. Die Volksgruppen der Oromo und der Amhara machen zusammen mehr als 60 Prozent der Gesamtbevölkerung von 100 Millionen Äthiopiern aus. Sie fühlen sich von der Regierung unterdrückt, die hauptsächlich aus Angehörigen der Minderheit der Tigray besteht. Bei den Demonstrationen kamen hunderte Menschen ums Leben. Die Proteste endeten nicht selten mit Massenverhaftungen. Doch die Krawalle ließen sich nicht stoppen. Die brodelnden Unruhen endeten im Februar 2018 schließlich mit dem Rücktritt Desalegns.

Zum neuen Ministerpräsident wurde im April 2018 Abiy Ahmed gewählt, ein Mitglied aus der Volksgruppe der Oromo. Mit Ahmed bekamen die Äthiopier den ersten Ministerpräsident aus der Volksgruppe der Oromo seit 27 Jahren. Ahmed beeilte sich, direkt zu seinem Amtsbeginn demokratische Reformen einzuleiten. In Äthiopien herrschte plötzlich politisches Tauwetter. Es begann damit, dass hunderte politische Gefangene auf freien Fuß gesetzt wurden. Man habe vor, das Land zu einen und mehr Raum für politische Debatten zu geben, erklärte das Justizministerium.

Schnell hatte Ahmed insgeheim schon den Ruf des äthiopischen Gorbatschow. Die nächste Überraschung ließ nicht lange auf sich warten: Der Feindschaft mit dem Nachbarstaat und Erzrivalen Eritrea sollte endlich beigelegt werden. Äthiopiens Regierungschef Abiy Ahmed und Eritreas Präsident Isayas Afewerki signierten im Juli 2018 in der eritreischen Hauptstadt Asmara einen Friedens- und Freundschaftsvertrag.

Weitere Reformen folgten in schneller Abfolge: Die äthiopische Regierung wurde im Zuge einer Kabinettsumbildung verschlankt und weiblicher: Die Hälfte des auf 20 Ministerposten reduzierten Kabinetts ging an Frauen. Mehrere Schlüsselressorts wurden demnach Frauen zugeteilt, darunter erstmals das Verteidigungsministerium. Zur neuen Verteidigungsministerin wurde Aisha Mohammed nominiert. Zudem bekam das Land eine neue Präsidentin. Mit der Diplomatin Sahle-Work Zewde steht erstmals eine Frau an der Spitze des Landes. Der Posten besteht zwar hauptsächlich aus repräsentativen Aufgaben – dennoch ist die Nominierung ein bedeutendes Signal für die Gleichstellung der Frauen in dem Land.

Vor der Corona-Pandemie wies Äthiopien ein beachtliches Wirtschaftswachstum auf. Mehrere internationale Unternehmen der Textil- und Schnittblumenindustrie ließen sich in dem Land nieder. In Addis Abeba herrschte ein regelrechter Bauboom. Doch daneben gibt es Regionen, die von furchtbarer Armut geprägt sind. Besonders im Süden Äthiopiens kommt es immer wieder zu verheerenden Dürrekatastrophen. Hungersnöte und Elend sind trotz des wirtschaftlichen Aufstiegs, von dem hauptsächlich die Städte profitieren, die Folgen.

Das Wachstum erlitt jedoch einen jähen Einbruch durch den im November 2020 beginnenden Bürgerkrieg in der Region Tigray und die gleichzeitig sich ausweitende Corona-Pandemie. Die in Tigray regierende Volksbefreiungsfront TPLF widersetzte sich dem Regierungskurs in Addis Abeba und zog in den Kampf für ihre Unabhängigkeit. Ministerpräsident Abiy Ahmed schlug daraufhin einen unbarmherzigen Kurs ein und ließ Luftangriffe auf die Region fliegen. Er riegelte das gesamte Gebiet ab, so dass Hilfskonvois nicht zu den verletzten und hungernden Zivilisten gelangen konnten. Eine brutale Hungerkrise war die Folge. Inzwischen droht der Konflikt sich zu einem flächendeckenden Krieg auszuweiten, die Rebellen haben mehrere Städte eingenommen und drohen, nach Addis Abeba vorzumarschieren.

Diese Entwicklungen mitsamt den Auswirkungen der Corona-Pandemie schwächen das Land so sehr, dass die Nachbarländer befürchten, dass Äthiopien seinen einstigen Status als Stabilitätsanker Afrikas verlieren könnte. Inmitten dieser Wirren sicherte sich Ministerpräsident Abiy Ahmed eine weitere Amtszeit für fünf Jahre. Die Abgeordneten stimmten im Oktober 2021 mit großer Mehrheit für ihn. Die Wahl des Ministerpräsidenten, für die eine einfache Mehrheit genügt, folgte einer im Juli 2021 von den größten Oppositionsparteien boykottierten Parlamentswahl, die Abiys Partei mit einem überwältigenden Sieg gewann.

Seit mehr als einem Jahr versinkt der Norden Äthiopiens in blutige Kämpfe. Die Region Tigray ist den Hilfsorganisationen versperrt, und Lebensmittel gelangen nicht mehr an die notleidende Zivilbevölkerung. An Friedensnobelpreisträger Abiy Ahmed wird zunehmend Kritik laut. An der Macht bleibt er dennoch. Gebende Hände bleibt auch weiter in Äthiopien tätig, um in Hungerregionen Hilfsgüter zu verteilen.