Nicaragua: Katastrophe für den Kaffee – Pilz-Plage bedroht die beliebte Bohne |
Meldung vom 03.06.2014
Die Kaffeebauern in Nicaragua und anderen zentral- und südamerikanischen Ländern machen sich auf das Schlimmste gefasst. Seit mehr als vier Jahrzehnten ist es nicht zu so einer aggressiven Plage gekommen: Ein Pilz hat die Kaffeepflanzen im Zentralamerika befallen. Die Existenz von Millionen Bauern ist dadurch gefährdet. Die Auswirkungen bedeuten eine Art Erdrutsch für fast einen gesamten Kontinent.
Die Seuche, die das Leben der Kaffeebauern bedroht und Kaffeetrinker erzittern lässt, hat sich auf einen ganzen Erdteil gesetzt. Sie tobt in Guatemala, El Salvador, Honduras, Nicaragua, Costa Rica und Panama. Sie stürzt Plantagen und Existenzen in den Ruin, es ist eine Tragödie für Zentralamerika. Die Plage beeinflusst auch den mexikanischen Bundesstaat Chiapas und Peru.
Die Krankheit malt gelblich-orange Flecken auf die Blätter der Kaffeepflanzen, unter denen die Bohnen heranwachsen sollten. Sie hat auch den Welterfolg Arabica befallen, dessen Saft in den westlichen Wohlstands-Ländern aus den Kaffeemaschinen gepresst wird und den Koffeinspiegel in Gang hält. Regierungen bis hinauf nach Washington sind besorgt wegen „la roya“, dem Kaffeerost. Und der ist nicht das einzige Problem in dem Sektor.
Seit fast vier Jahrzehnten musste dieser Erdteil nicht mehr gegen eine solche Plage kämpfen. Mehr als die Hälfte der 933.000 Hektar, auf denen in Mittelamerika Kaffee produziert wird, hat der Pilz in zwei Jahren attackiert und nahezu 400.000 Arbeitsplätze ausgelöscht. Die Produktion geht seit 2012 rapide zurück – die Verluste belaufen sich auf Hunderte Millionen Dollar, was einigen Gegenden des Kontinents die ohnehin magere Lebensgrundlage vollends entzieht.
Eine Krisensitzung nach der nächsten wird abgehalten, die Regierung Guatemalas rief 2013 den landwirtschaftlichen Notstand aus. „Der Schaden ist so stark, dass wir ihn in den nächsten zwei oder drei Jahren nicht ausgleichen können“, verkündete Ricardo Villanueva, der frühere Präsident des nationalen Kaffeeverbandes. „Gewalttätig und im ganzen Land“ mache sich der Kaffeerost zu schaffen, sagte Ronald Peters vom costa-ricanischen Kaffeeinstitut der spanischen Zeitung El País. „Wir waren nicht darauf vorbereitet.“
Der Todfeind des Landwirtschaftszweigs wurde im 19. Jahrhundert bei wilden Kaffeesträuchern im afrikanischen Osten beobachtet. Von dort aus startete er seine destruktive Odyssee. Lateinamerika konnte sich vor dem Schädling Hemelia vastatrix dank strenger Quarantäne lange abschotten. Aber zuletzt kamen mehrere Faktoren zusammen, die die Verbreitung begünstigten. Zu nennen ist der Klimawandel in den gebirgigen Revieren am amerikanischen Isthmus. Heftiger Regen, dann Sonne und Wind boten das ideale Milieu für die Ausbreitung der Infektion. Der aggressive Kaffeerost griff sogar auf höhere Lagen über. Bei der großflächigen Ansteckung spielen unabsichtlich auch Tagelöhner eine Rolle, die den Pilz auf ihrer Kleidung von Farm zu Farm mitnehmen. Als Wirte gelten oft alternde und schlecht gepflegte Gewächse, weitere Infektionen kommen dazu.
Mittelamerika deckt 14 Prozent des weltweiten Kaffeebedarfs. Kaffee bestimmt dort vielerorts die Landschaft und ist ein Symbol. Das kennt jeder, der jemals Anbaugebiete wie die Hänge von Matagalpa in Nicaragua inspiziert hat. Kaffee wird als das „grana de oro“ angesehen, das Goldkorn. Mindestens zwei Millionen Menschen dient der Kaffeeanbau als Existenzgrundlage, die meisten von ihnen sind Landarbeiter. Jetzt landen viele dieser Handlanger in der Arbeitslosigkeit.
El Salvador kündigte bei der Ernte einen Rückgang von 20 Prozent an, Costa Rica 27 Prozent, Nicaragua 35 Prozent, Guatemala 40 Prozent. Honduras hat besonders gelitten: Nahezu 50 Prozent seiner Einnahmen aus den Kaffee-Exporten sind zunichte gemacht worden. Der Ertrag sank von 1,4 Milliarden Dollar in besten Zeiten auf 794 Millionen Dollar. Peru musste ebenfalls Erträge einbüßen. Brasilien und Kolumbien haben sich von dieser Gefahr zwar bisher weitgehend abgeschirmt. Brasiliens Landwirte kämpfen aber mit einer anderen Plage – und zwar mit enormer Trockenheit. Kolumbianer hatten erst kürzlich die Epidemie eingedämmt.
Am meisten leiden die Ärmsten, zwischen Mexikos Süden und Panamá lebt jeder Zweite unter der Armutsgrenze. Politiker und Entwicklungshelfer malen schlimme Szenarien vor Augen, selbst Hungersnöte sind nicht ausgeschlossen. Außerdem weist Honduras die höchste Mordrate der Welt auf, El Salvador und Guatemala werden der wuchernden Verbrechen nicht Herr. Zudem halten Drogendealer die Bevölkerung in Bann und rekrutieren tagtäglich Verstärkung.
Strategen sind in Sorge, dass die Farmer auf Drogenanbau umsteigen könnten, wenn der Kaffeeanbau sich zum Desaster entwickelt. Beliebt sind dabei Koka, Marihuana oder Mohn. Und eine mögliche neue Welle der Immigration von Wirtschaftsflüchtlingen alarmiert besonders das US-Außenministerium. „Der Kaffeerost verursacht massive Verwüstung“, stellt die US-Entwicklungsbehörde USAid fest und lässt mehrere Millionen Dollar in den Kampf gegen den Erreger fließen. „Der Kaffeerost bedroht mehr als ihr Frühstück“, kommentiert der USAid-Mann Mark Feierstein. „Das trifft die Jobs, das Geschäft und die Sicherheit von Millionen Menschen.“ Wissenschaftler der Universität Texas setzen derzeit alles daran, das Unheil jenseits des Río Grande aufzuhalten.
Doch das geht nicht so schnell. Fungizide werden zur Abwehr eingesetzt, wobei sich der Einsatz von Chemie in der lateinamerikanischen Landwirtschaft bereits zum giftigen Desaster entwickelt. Kupfersulfat kann kurzfristig dazu dienen, das Übel in den Griff zu kriegen. Langwieriger ist das Bemühen, resistente Sorten und ökologischen Anbau zu züchten. Aber die Auswirkungen werde man auch 2015 noch zu spüren bekommen, meint Carlos Ignacio Rojas, Präsident der kolumbianischen Kaffee-Exporteure. Mittelamerika kann wegen „la roya“, dem Kaffeerost, nur 16 Millionen Säcke weniger ausführen.
Der Weltmarktpreis konnte sich dennoch einigermaßen halten, was vor allem an brasilianischen Lagerbeständen lag. Mittelamerikanische Farmer hatten angesichts des Angebots lange mit niedrigen Tarifen gerungen. Nun steigen die Kaffeepreise drastisch, das hat aber nicht nur mit dem zentralamerikanischen Drama zu tun, sondern auch mit der Dürre des größten Kaffeeproduzenten Brasilien.
An den Terminmärkten jedenfalls ist der Preis für Arabica-Kaffee so gestiegen, wie seit bald zwei Jahren nicht mehr, er kletterte 2014 um mehr als 60 Prozent. Das Pfund wurde am Dienstag (27.05.2014) in den USA mit 1,81 Dollar gehandelt. Das Wall Street Journal gab einen Kommentar von Andrea Illy aus Italien heraus: „Mehr als zwei Dollar pro Pfund wären beunruhigend.“ Nach Ansicht von Analysten steigen die Preise auf mehr als drei Dollar. Man habe keine andere Wahl, schrieb Tchibo auf seiner Website, als die „Kaffeepreise ab dem 19. Mai 2014 anzupassen.“
Quelle: Gebende Hände-Redaktion; nach einer Information von: „Süddeutsche Zeitung“, sueddeutsche.de
Schlagwörter: Nicaragua, Kaffee, Kaffeebohne, Kaffeepflanze, Plage, Pilz, Katastrophe, Krankheit, Ansteckung, Kaffeerost, la roya, Kaffeepreise, Handel, Tchibo, Markt, Wirtschaft, Ernte, Ernteausfall, Landarbeiter, Bauern, Arbeitslosigkeit, Epidemie, Armut, Existenz, Arabica, Südamerika, Zentralamerika, Auswanderung, USA, Migrationswelle, Wirtschaftsflüchtlinge
Die Seuche, die das Leben der Kaffeebauern bedroht und Kaffeetrinker erzittern lässt, hat sich auf einen ganzen Erdteil gesetzt. Sie tobt in Guatemala, El Salvador, Honduras, Nicaragua, Costa Rica und Panama. Sie stürzt Plantagen und Existenzen in den Ruin, es ist eine Tragödie für Zentralamerika. Die Plage beeinflusst auch den mexikanischen Bundesstaat Chiapas und Peru.
Die Krankheit malt gelblich-orange Flecken auf die Blätter der Kaffeepflanzen, unter denen die Bohnen heranwachsen sollten. Sie hat auch den Welterfolg Arabica befallen, dessen Saft in den westlichen Wohlstands-Ländern aus den Kaffeemaschinen gepresst wird und den Koffeinspiegel in Gang hält. Regierungen bis hinauf nach Washington sind besorgt wegen „la roya“, dem Kaffeerost. Und der ist nicht das einzige Problem in dem Sektor.
Seit fast vier Jahrzehnten musste dieser Erdteil nicht mehr gegen eine solche Plage kämpfen. Mehr als die Hälfte der 933.000 Hektar, auf denen in Mittelamerika Kaffee produziert wird, hat der Pilz in zwei Jahren attackiert und nahezu 400.000 Arbeitsplätze ausgelöscht. Die Produktion geht seit 2012 rapide zurück – die Verluste belaufen sich auf Hunderte Millionen Dollar, was einigen Gegenden des Kontinents die ohnehin magere Lebensgrundlage vollends entzieht.
Eine Krisensitzung nach der nächsten wird abgehalten, die Regierung Guatemalas rief 2013 den landwirtschaftlichen Notstand aus. „Der Schaden ist so stark, dass wir ihn in den nächsten zwei oder drei Jahren nicht ausgleichen können“, verkündete Ricardo Villanueva, der frühere Präsident des nationalen Kaffeeverbandes. „Gewalttätig und im ganzen Land“ mache sich der Kaffeerost zu schaffen, sagte Ronald Peters vom costa-ricanischen Kaffeeinstitut der spanischen Zeitung El País. „Wir waren nicht darauf vorbereitet.“
Der Todfeind des Landwirtschaftszweigs wurde im 19. Jahrhundert bei wilden Kaffeesträuchern im afrikanischen Osten beobachtet. Von dort aus startete er seine destruktive Odyssee. Lateinamerika konnte sich vor dem Schädling Hemelia vastatrix dank strenger Quarantäne lange abschotten. Aber zuletzt kamen mehrere Faktoren zusammen, die die Verbreitung begünstigten. Zu nennen ist der Klimawandel in den gebirgigen Revieren am amerikanischen Isthmus. Heftiger Regen, dann Sonne und Wind boten das ideale Milieu für die Ausbreitung der Infektion. Der aggressive Kaffeerost griff sogar auf höhere Lagen über. Bei der großflächigen Ansteckung spielen unabsichtlich auch Tagelöhner eine Rolle, die den Pilz auf ihrer Kleidung von Farm zu Farm mitnehmen. Als Wirte gelten oft alternde und schlecht gepflegte Gewächse, weitere Infektionen kommen dazu.
Mittelamerika deckt 14 Prozent des weltweiten Kaffeebedarfs. Kaffee bestimmt dort vielerorts die Landschaft und ist ein Symbol. Das kennt jeder, der jemals Anbaugebiete wie die Hänge von Matagalpa in Nicaragua inspiziert hat. Kaffee wird als das „grana de oro“ angesehen, das Goldkorn. Mindestens zwei Millionen Menschen dient der Kaffeeanbau als Existenzgrundlage, die meisten von ihnen sind Landarbeiter. Jetzt landen viele dieser Handlanger in der Arbeitslosigkeit.
El Salvador kündigte bei der Ernte einen Rückgang von 20 Prozent an, Costa Rica 27 Prozent, Nicaragua 35 Prozent, Guatemala 40 Prozent. Honduras hat besonders gelitten: Nahezu 50 Prozent seiner Einnahmen aus den Kaffee-Exporten sind zunichte gemacht worden. Der Ertrag sank von 1,4 Milliarden Dollar in besten Zeiten auf 794 Millionen Dollar. Peru musste ebenfalls Erträge einbüßen. Brasilien und Kolumbien haben sich von dieser Gefahr zwar bisher weitgehend abgeschirmt. Brasiliens Landwirte kämpfen aber mit einer anderen Plage – und zwar mit enormer Trockenheit. Kolumbianer hatten erst kürzlich die Epidemie eingedämmt.
Am meisten leiden die Ärmsten, zwischen Mexikos Süden und Panamá lebt jeder Zweite unter der Armutsgrenze. Politiker und Entwicklungshelfer malen schlimme Szenarien vor Augen, selbst Hungersnöte sind nicht ausgeschlossen. Außerdem weist Honduras die höchste Mordrate der Welt auf, El Salvador und Guatemala werden der wuchernden Verbrechen nicht Herr. Zudem halten Drogendealer die Bevölkerung in Bann und rekrutieren tagtäglich Verstärkung.
Strategen sind in Sorge, dass die Farmer auf Drogenanbau umsteigen könnten, wenn der Kaffeeanbau sich zum Desaster entwickelt. Beliebt sind dabei Koka, Marihuana oder Mohn. Und eine mögliche neue Welle der Immigration von Wirtschaftsflüchtlingen alarmiert besonders das US-Außenministerium. „Der Kaffeerost verursacht massive Verwüstung“, stellt die US-Entwicklungsbehörde USAid fest und lässt mehrere Millionen Dollar in den Kampf gegen den Erreger fließen. „Der Kaffeerost bedroht mehr als ihr Frühstück“, kommentiert der USAid-Mann Mark Feierstein. „Das trifft die Jobs, das Geschäft und die Sicherheit von Millionen Menschen.“ Wissenschaftler der Universität Texas setzen derzeit alles daran, das Unheil jenseits des Río Grande aufzuhalten.
Doch das geht nicht so schnell. Fungizide werden zur Abwehr eingesetzt, wobei sich der Einsatz von Chemie in der lateinamerikanischen Landwirtschaft bereits zum giftigen Desaster entwickelt. Kupfersulfat kann kurzfristig dazu dienen, das Übel in den Griff zu kriegen. Langwieriger ist das Bemühen, resistente Sorten und ökologischen Anbau zu züchten. Aber die Auswirkungen werde man auch 2015 noch zu spüren bekommen, meint Carlos Ignacio Rojas, Präsident der kolumbianischen Kaffee-Exporteure. Mittelamerika kann wegen „la roya“, dem Kaffeerost, nur 16 Millionen Säcke weniger ausführen.
Der Weltmarktpreis konnte sich dennoch einigermaßen halten, was vor allem an brasilianischen Lagerbeständen lag. Mittelamerikanische Farmer hatten angesichts des Angebots lange mit niedrigen Tarifen gerungen. Nun steigen die Kaffeepreise drastisch, das hat aber nicht nur mit dem zentralamerikanischen Drama zu tun, sondern auch mit der Dürre des größten Kaffeeproduzenten Brasilien.
An den Terminmärkten jedenfalls ist der Preis für Arabica-Kaffee so gestiegen, wie seit bald zwei Jahren nicht mehr, er kletterte 2014 um mehr als 60 Prozent. Das Pfund wurde am Dienstag (27.05.2014) in den USA mit 1,81 Dollar gehandelt. Das Wall Street Journal gab einen Kommentar von Andrea Illy aus Italien heraus: „Mehr als zwei Dollar pro Pfund wären beunruhigend.“ Nach Ansicht von Analysten steigen die Preise auf mehr als drei Dollar. Man habe keine andere Wahl, schrieb Tchibo auf seiner Website, als die „Kaffeepreise ab dem 19. Mai 2014 anzupassen.“
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Quelle: Gebende Hände-Redaktion; nach einer Information von: „Süddeutsche Zeitung“, sueddeutsche.de
Schlagwörter: Nicaragua, Kaffee, Kaffeebohne, Kaffeepflanze, Plage, Pilz, Katastrophe, Krankheit, Ansteckung, Kaffeerost, la roya, Kaffeepreise, Handel, Tchibo, Markt, Wirtschaft, Ernte, Ernteausfall, Landarbeiter, Bauern, Arbeitslosigkeit, Epidemie, Armut, Existenz, Arabica, Südamerika, Zentralamerika, Auswanderung, USA, Migrationswelle, Wirtschaftsflüchtlinge