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Mexiko: Ermordet – Bürgermeisterin für 24 Stunden

Meldung vom 07.01.2016

Nur einen Tag lang durfte Gisela Mota Bürgermeisterin der mexikanischen Stadt Temixko sein. Schon 24 Stunden nach ihrer Amtsübernahme wurde sie von der Drogenmafia ermordet. Nach ihrem Tod werden Bundespolizisten und Soldaten in die Stadt kommandiert, um die lokalen Polizeikräfte zu ersetzen.

Bei ihrer Antrittsrede, in knallrotem Kleid und mit gelber Schärpe, hatte die neue Bürgermeisterin von Temixco in ihrer Stadt dem organisierten Verbrechen den Krieg erklärt. Nicht einmal 24 Stunden später war Gisela Mota Ocampo nicht mehr am Leben. Ein Erschießungskommando von mehreren Personen war am vergangenen Samstag (02.01.2016) um sieben Uhr früh in ihr Haus gestürmt, um die 33-jährige Juristin zu töten.

Die für den linken Partido de la Revolución Democrática sympathisierende Mota war als Politikerin mit reiner Weste anerkannt. Sie wurde als unerschrockene Frau gelobt, die klar Stellung dazu bezog, dass sie sich von der Mafia nicht korrumpieren lässt. Die Frau setzte den Kampf gegen die Drogenkriminalität an oberster Stelle ihrer Prioritätenliste. Dass sie keine leeren Worte geredet hat, das bestätigt einer ihrer mutmaßlichen und inzwischen festgenommenen Mörder. Laut dessen Aussage soll Mota eine vom Drogenkartell Los Rojos angebotene Geldsumme zurückgewiesen haben – dafür hat sie offenbar einen teuren Preis bezahlt.

Ob die Aussage stimmt, kann nicht eindeutig geklärt werden. Dass das Syndikat Los Rojos hinter dem Attentat steht, haben offizielle Quellen aber versichert. Das Kartell liefert sich Gefechte mit den Guerreros Unidos um die Herrschaft über Temixco. Gisela Mota zählt zu der langen Liste der 71 Bürgermeister, die in den vergangenen zehn Jahren ermordet wurden – meist von Drogenkartellen. Hunderte von Beamten und Polizisten bezahlten ihre öffentliche Funktion ebenfalls mit ihrem Leben.

Und trotzdem wurde die Ermordung Motas bis über die Landesgrenzen Mexikos medial besprochen. Wahrscheinlich, weil der Fall der aufstrebenden Politikerin die Bedingungen enthüllt, unter denen viele Träger öffentlicher Ämter in Mexiko leiden: Entweder man arbeitet mit dem organisierten Verbrechen zusammen, oder man stirbt.

Damit Drogensyndikate lokal ihre Ziele verfolgen können, sind sie auf verbündete Politiker und Polizisten angewiesen. Dafür hantieren sie mit Schmiergeldern und Einschüchterungsmethoden. Gelingt es ihnen, einen Bürgermeister und einen dem Kartell wohlgesinnten Polizeichef auf ihre Seite zu ziehen, kann dieses tun und lassen, was es will. Die Art, wie Gemeinden aufgestellt sind und funktionieren, macht es dem organisierten Verbrechen einfach, sich Zugriff auf die öffentlichen Amtspersonen zu verschaffen.

Träger öffentlicher Ämter sind aber nicht nur mit Unterwanderung und Bestechung konfrontiert. Nicht selten geraten sie auch zwischen die Fronten der Kartelle, die untereinander um Einfluss ringen. Polizisten oder Politiker, die von einem Syndikat ermordet werden, weil sie ein anderes decken, hatten meist keinen anderen Ausweg, als sich auf eine der beiden Seiten zu stellen. In einigen Regionen Mexikos benötigt man große Unerschrockenheit, ein solches Amt zu übernehmen. Der Bundesstaat Morelos ist eine davon.

Der Gliedstaat ist wegen der Nähe zu seinen konfliktgeladenen Nachbarstaaten Guerrero, Michoacán und Estado de México in den vergangenen Jahren von einer Gewaltwelle überrollt worden. 2013 wurden in Morelos laut offiziellen Angaben mit 8,5 auf 100.000 Einwohner die meisten Entführungen im Land registriert. Auch die Zahl der Erpressungen überragt andere Staaten bei weitem. Dies war auch der Grund, weshalb sich der Gouverneur von Morelos, Graco Ramírez, 2014 für die Einführung einer neuen Sicherheitsstrategie stark machte. Dabei soll die Gemeindepolizei schrittweise beschnitten werden und durch Sicherheitskräfte unter einheitlichem Kommando auf gliedstaatlicher Ebene ersetzt werden. Die Entscheidung über die Einführung der neuen Befehlsstruktur wurde bisher aber jeweils den Bürgermeistern überlassen.

Der Mord an Mota bewirkte nun, dass Bundespolizisten und Soldaten am Montag die Befehlsgewalt über 15 Ortschaften von Morelos erhielten. Der Gouverneur stellte sie unter Zwangsverwaltung, obwohl sich mehrere Bürgermeister dem einheitlichen Kommando zuvor widersetzt hatten. Mota selber hatte stets für dieses Vorgehen plädiert.

Die Taktik, die Gemeindepolizei aufzulösen und die Sicherheitskräfte unter ein einheitliches Kommando zu stellen, stammt noch aus der Zeit vor dem heutigen Regierungschef Peña Nieto. Umgesetzt wurde sie damals aber nicht. Peña Nieto selber hatte eine solche Polizeireform Ende 2014 nochmals zur Diskussion gestellt, als er wegen des Verschwindens von 43 Studenten im Zugzwang war.

Laut dem Präsidenten sollen inzwischen 17 der 32 Gliedstaaten und über 90 Prozent der Gemeinden diese Strategie bewilligt haben. Denn nachdem die Regierung die Reform auf dem Gesetzesweg nicht realisieren konnte, hat sie einen anderen Weg gefunden, um Druck auszuüben. Ab 1. Januar erhalten nur noch jene Gemeinden und Gliedstaaten finanzielle Unterstützung für die Verbrechensbekämpfung, die sich diesem Modell angeschlossen haben.

Das Konzept findet aber nicht überall Anklang. Manche Bürgermeister lehnen die Reform ab, weil ihr Machtbereich dadurch eingeschränkt wird. Sie fürchten um ihren Einfluss, aber auch um ihre Sicherheit. Kritiker ziehen vor allem die längerfristige Umsetzung der Strategie in Zweifel. Viele von ihnen bevorzugen eine Gemeindepolizei, die korrupt, aber überschaubar ist, im Gegensatz zu einem großen Sicherheitsapparat, den man in keiner Weise mehr in der Hand hat. Ob Polizisten auf höheren Ebenen tatsächlich weniger korrupt sind, ist nach ihrer Ansicht keinesfalls klar.




Quelle: Gebende Hände-Redaktion; nach einer Information von: „Neue Zürcher Zeitung, NZZ Online“, nzz.ch

Schlagwörter: Mexiko, Bürgermeisterin, Mord, Gisela Mota Ocampo, Politikerin, Korruption, Drogenkartelle, Drogenmafia, Träger öffentlicher Ämter, Entführungen, Gemeindepolizei, Soldaten, organisiertes Verbrechen, Bestechung, Schmiergelder, Drohung, Einschüchterung, Morelos, Bundespolizisten