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Südsudan: Wohnen auf dem Friedhof

Meldung vom 28.06.2024

Die Gegensätze könnten kaum größer sein: Auf der einen Straßenseite erheben sich mehrstöckige glitzernde Luxushotels. Auf der anderen lehnt sich eine Baracke an die andere. Die meisten sind notdürftig aus Blech, Ästen und Planen zusammengezimmert. Mittendrin streifen Hühner und Ziegen herum, auf der Suche nach Essbarem. Frauen hocken vor offenen Feuerstellen, kochen ein paar Bohnen oder Mais. Die Sonne brennt scharf vom Himmel auf sie herab. Schatten ist rar. Und keine Brise, die etwas Erleichterung verschaffen könnte.

Die vielen Kinder rennen dennoch über die staubige Erde. Hüpfen über die eingelassenen Steine, turnen auf den Kreuzen. Sie hausen hier, auf dem Hai-Malakal-Friedhof. Mitten im Zentrum von Juba, der Hauptstadt des Südsudan, teilen sich die Toten mit den Lebenden einen Wohnraum.

Der Südsudan gehört zu den ärmsten Ländern der Welt. Zwar hat das Land in Ostafrika fruchtbaren Boden und Bodenschätze. Doch bei der breiten Bevölkerung kommt davon nichts an. Die Erträge werden ins Ausland verschachert. Korruption ist ein tägliches Übel. Für drei Viertel der Bewohner ist ungewiss, was sie morgen essen werden. 1,6 Millionen Kinder leiden unter Unterernährung.

Zu den Ärmsten der Armen zählen auch die Bewohner des Hai-Malakal-Friedhofs. Es sind Binnenvertriebene, die es während des Bürgerkriegs 2012 hierhin verschlagen hat. „Früher haben wir am Land gelebt, wir hatten Rinder“, berichtet eine Frau. Sie kauert auf einem schmutzigen Teppich, ihr Blick richtet sich ins Leere. „Aber wir können nicht zurück, unser Dorf gibt es nicht mehr.“

Gerne lebt hier niemand. „Hier gibt es Geister“, meinen die Bewohner. Arbeit ist rar. Lebensmittel sind kaum bezahlbar. Ein Becher Bohnen kostet 5 Dollar, ein Becher Mehl 3 Dollar. „Ich denke nicht an morgen“, erklärt eine Frau. Neun Kinder hängen von ihr ab.

Bildung ist keine Selbstverständlichkeit. Schule ist hier nicht umsonst. „Manche Eltern schicken ihre Kinder deshalb lieber zum Betteln“, weiß Emanuel Warnyang. Er ist einer der „Oberhäupter“ auf dem alten Friedhof und selbst Analphabet. Seine 16 Kinder will er zur Schule schicken. „Damit sie ein besseres Leben haben.“

Das wünscht sich auch Viola. Die 14-Jährige steht selbstbewusst zwischen den Hütten. „Nein!“, erklärt sie entschieden. „Ich will nicht gleich heiraten. Ich will studieren.“ Viola hat den Plan, Ärztin zu werden. Dass sie in die Schule gehen kann, liegt daran, dass sie eine Schulpatenschaft der Caritas zugesprochen bekommen hat. Insgesamt 80 Kinder und Jugendliche vom Friedhof profitieren von diesem Förderungsprogramm. Sie sollen der Armut und dem Hunger entrinnen.

Denn der Hunger zehrt das gesamte Land auf. Eines von drei Kindern stirbt im Südsudan vor dem fünften Lebensjahr an Hunger. In Lologo bekommen deshalb dreimal pro Woche unterernährte Kinder nahrhafte Mahlzeiten mit Bohnen oder Linsen. 300 Kinder werden hier beköstigt, der Bedarf kann bei Weitem nicht gedeckt werden. Wartelisten bestehen bereits.

Die Sicherheitslage im Südsudan ist problematisch. Immer wieder ereignen sich bewaffnete Auseinandersetzungen. Korruption stellt eine gewaltige Hürde dar. „Sie wollen wissen, wie schlimm es mit der Korruption ist?“, fragt der Mann am anderen Ende des Tischs. Einst arbeitete er als Politikberater im Südsudan. Er will anonym bleiben. Kritische Stimmen sind schon lange verstummt. „Sie müssen mich fragen, wo es keine Korruption gibt“, korrigiert er. Alle würden hier die Hand aufhalten. Folgen habe das keine. „Wo es keine Regeln gibt, gibt es keine Strafen.“

Skepsis gegenüber dem amtierenden Präsidenten Salva Kiir Mayardit – sein Wahrzeichen ist der Cowboyhut – äußert man besser nicht laut. Demonstrationen existieren nicht. „Bei uns kommt die Polizei nicht mit Wasserwerfern wie bei Ihnen“, verdeutlicht der Politikberater. „Bei uns wird geschossen.“ Journalisten, die ein Video verbreiteten, in dem sich der Präsident bei einem offiziellen Termin einnässte, sind seitdem in Haft. Im Dezember 2024 sollen die ersten Wahlen stattfinden. Wer den Sieg davonträgt, steht jetzt schon fest – es wird der Mann mit dem Cowboyhut sein.




Quelle: „MSN Nachrichten“, www.msn.com

Schlagwörter: Südsudan, Hunger, Armut, Bildung, Unterernährung, Salva Kiir, Wahlen, Unterdrückung